Januar - Anwaltsblatt
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MNInformationen<br />
Justizministerkonferenz<br />
Justizreform, Anwaltsnotariat<br />
und<br />
Insolvenzrecht<br />
Die Justizministerkonferenz (Ju-<br />
MiKo) hat auf ihrer Herbsttagung<br />
Mitte November 2005 zahlreiche Beschlüsse<br />
gefasst, die auch Auswirkungen<br />
auf die Anwaltschaft haben. Einige<br />
wichtige stellt das <strong>Anwaltsblatt</strong> vor:<br />
9 Diskussionsmodell für eine Spartenausbildung:<br />
Bis 2008 soll ein Diskussionsmodell<br />
für einen Spartenvorbereitungsdienst<br />
entwickelt werden (siehe<br />
dazu Seite 36 in diesem Heft).<br />
9 Zugang zum Anwaltsnotariat: Der<br />
Zugang zum Anwaltsnotariat soll neu<br />
gestaltet, ein Gesetzgebungsvorschlag<br />
erarbeitet werden.<br />
9 Erstinstanzliche Zuständigkeit der<br />
Oberlandesgerichte in besonderen Zivilrechtsstreitigkeiten:<br />
Die JuMiKo befürwortet<br />
eine erstinstanzliche Zuständigkeit<br />
der Oberlandesgerichte für<br />
gesellschaftsrechtliche Verfahren unter<br />
Beteiligung einer Aktiengesellschaft.<br />
Dies soll insbesondere für gesellschaftsrechtliche<br />
Spruchverfahren gelten,<br />
wozu sich der DAV bereits in einer<br />
ersten Stellungnahme im Oktober 2005<br />
zustimmend geäußert hatte.<br />
9 Reformvorhaben des Bundes im<br />
Recht der Insolvenzanfechtung: Besonders<br />
hinzuweisen ist auch auf den begrüßenswerten<br />
Beschluss der Landesjustizminister<br />
zu den Reformvorhaben des<br />
Bundes im Recht der Insolvenzanfechtung.<br />
Mit diesem Beschluss bringen die<br />
Landesjustizminister ihre Besorgnis gegenüber<br />
der von der Bundesregierung<br />
vorgeschlagenen Änderung der Insolvenzanfechtung<br />
zum Ausdruck. Der<br />
Vorschlag der Bundesregierung will erneut<br />
Privilegien für die Anfechtung<br />
durch öffentliche Kassen einführen.<br />
9 Abschlussbericht der Bund-Länder-<br />
Arbeitsgruppe „Aufgabenübertragung<br />
auf Notare“: Der DAV hält die Übertragung<br />
von Aufgaben auf die (Anwalts-)Notare,<br />
insbesondere im Bereich<br />
des Nachlasswesens, für zweckmäßig.<br />
Im Nachlasswesen sind freilich noch<br />
genaue Analysen im Detail erforderlich.<br />
Von einer Öffnungsklausel für die<br />
Länder in diesen Regelungsbereichen<br />
sollte abgesehen werden.<br />
Alle Beschlüsse der Justizministerkonferenz<br />
im Internet unter www.anwalt<br />
verein.de/01/beschluesse.pdf.<br />
VI AnwBl 1 / 2006<br />
England und Wales<br />
Neuer Rechtsrahmen<br />
für anwaltliche<br />
Dienstleistungen<br />
Die anwaltliche Selbstverwaltung in<br />
Großbritannien wird voraussichtlich<br />
2006 völlig neu strukturiert. Hintergrund<br />
dafür ist, dass Sir David Clementi<br />
(ehemaliger stellvertretender<br />
Präsident der Bank of England) 2003<br />
den Auftrag der englischen Regierung<br />
erhielt, die Regeln des britischen<br />
Rechtsberatungsdienstleistungsmarktes<br />
umfassend zu überprüfen. Nachdem im<br />
Laufe der Untersuchungen verschiedene<br />
Regulierungsmodelle erwogen<br />
wurden, hatte sich Clementi hinsichtlich<br />
der Organisation der Britischen<br />
Anwaltsvereinigungen für eine weitgehende<br />
Umwälzung des bestehenden<br />
Regulierungssystems ausgesprochen.<br />
Danach sollte es eine deutliche Trennung<br />
zwischen regulierenden und repräsentativen<br />
Aufgaben geben, um Interessenkonflikte<br />
zu vermeiden (siehe<br />
AnwBl 2004, 430). Nunmehr liegt das<br />
Weißbuch des Department for Constitutional<br />
Affairs vor. Das nimmt den Bericht<br />
von Sir David Clementi aus dem<br />
Dezember 2004 im wesentlichen auf.<br />
Die neue Struktur soll das Wirrwarr an<br />
bisherigen Institutionen auflösen. Verbraucher<br />
sollen sich darauf verlassen<br />
können, dass die Regulierungen verhältnismäßig<br />
sind und ihre Interessen<br />
grundsätzlich geschützt werden. Entsprechend<br />
heißt das Weißbuch auch<br />
„The Future of Legal Services: Putting<br />
Consumers first“.<br />
Im Einzelnen: Das Weißbuch lässt<br />
die sog. Front Line Regulators wie Bar<br />
Council und die Law Society bestehen.<br />
Allerdings wird die Law Society nicht<br />
mehr regulatorische Aufgaben und Interessenvertretung<br />
zugleich übernehmen.<br />
Das Legal Services Board (LSB)<br />
wird in Zukunft die regulatorischen<br />
Aufgaben kontrollieren. Die Aufgaben<br />
und Befugnisse des LSB sollen dabei<br />
klar geregelt werden. Die Law Society<br />
und das Bar Council werden danach<br />
von dem LSD für die tägliche Arbeit<br />
autorisiert. Sie müssen die Verbraucherinteressen<br />
berücksichtigen. Alle täglichen<br />
regulatorischen Maßnahmen, so<br />
z. B. Disziplinarmaßnahmen gegen Anwälte,<br />
würden in dem neuen Office for<br />
Legal Complaints (OLC) behandelt,<br />
um den disziplinarischen Prozess zu<br />
vereinfachen. Durch das OLC soll das<br />
Vertrauen des Verbrauchers in das System<br />
gestärkt werden. Es geht um ein<br />
unabhängiges Beschwerdemanagement.<br />
Der Rat soll schnell und fair erreicht<br />
werden.<br />
Die Regierung will einen Regierungsentwurf<br />
noch in dieser Legislatur<br />
veröffentlichen. Demnach kann noch<br />
im Jahr 2005/2006 mit einem Gesetzentwurf<br />
gerechnet werden. Daneben<br />
sollen verbraucherschützende Gesetze<br />
erlassen werden, wie z. B. ein Compensation<br />
Bill. Kosten für die Veränderung<br />
soll der Berufsstand selbst tragen.<br />
Bewertung<br />
Zum jetzigen Zeitpunkt soll nur<br />
festgehalten werden, dass aus Sicht des<br />
DAV eine Trennung zwischen regulatorischen<br />
Aufgaben und Aufgaben der<br />
Interessenvertretung begrüßt wird. Das<br />
würde dem rechtlichen Status Quo in<br />
Deutschland entsprechen. Aus Sicht<br />
des DAV ist das deutsche Modell ein<br />
Modell für Europa.<br />
Ob allerdings die Multidisciplinary<br />
Partnerships – damit sind die interprofessionellen<br />
Sozietäten gemeint – so<br />
wie vorgesehen sinnvoll sind, ist fraglich.<br />
In Deutschland dürfen derzeit<br />
Anwälte mit Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern<br />
und Patentanwälten zusammenarbeiten.<br />
Diese unterliegen<br />
weitestgehend ähnlichen Berufsrechten.<br />
Die Trias der Berufsrechte, demnach<br />
das Verbot der Interessenkollision,<br />
die Verschwiegenheitspflicht und<br />
die Unabhängigkeit müssen auch bei<br />
interprofessionellen Sozietäten gewährleistet<br />
werden. Das erscheint fragwürdig,<br />
wenn Außenstehende als Kapitalinvestoren<br />
möglich sind. Banken und<br />
Versicherungen als Anteilseigner sind<br />
nach dem englischen Modell möglich.<br />
Im Zusammenhang mit dem Papier<br />
der Kommission vom 5. September<br />
2005 „Professional Services“, wo zwischen<br />
den Adressaten der anwaltlichen<br />
Dienstleistung unterschieden wird,<br />
demnach zwischen dem privaten Verbraucher<br />
und dem Unternehmen, ist<br />
auch mit diesem Weißbuch ein deutlicher<br />
Fokus eines Gesetzgebers in Richtung<br />
Verbraucherschutz zu erkennen.<br />
Der Zweck ist lobenswert, ob es alle<br />
Mittel sind, ist fraglich.<br />
Rechtsanwältin Dr. Malaika Ahlers,<br />
LL. M., Berlin