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Januar - Anwaltsblatt

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MN Aufsätze<br />

wort, nämlich dasjenige vom „existenzvernichtenden Eingriff“<br />

zugewiesen. Statt eigenen wortschöpferischen Bemühens<br />

will ich mich zu seiner Erläuterung der Ausführungen<br />

des damaligen Vorsitzenden im II. BGH-Zivilsenat, Volker<br />

Röhricht8 bedienen:<br />

„Das Haftungskonzept des Bremer Vulkan-Urteils und<br />

seiner Nachfolgeentscheidungen beruht auf dem grundlegenden<br />

funktionellen Zusammenhang zwischen der Beschränkung<br />

der Haftung auf ein bestimmtes Gesellschaftsvermögen<br />

und der Separierung eines der Gesellschaft als<br />

eigenes zustehendes, von dem übrigen Vermögen der Gesellschafter<br />

getrennt zu haltendes Gesellschaftsvermögen<br />

und der strikten Bindung des ersteren zur vorrangigen Befriedigung<br />

der Gesellschaftsgläubiger. Die Wahrung dieses<br />

Trennungsprinzips ist unverzichtbare Bedingung der Haftungsbeschränkung.<br />

Die Haftungsbeschränkung hat also<br />

einen Preis: er besteht darin, dass der Gesellschafter das<br />

primär als Haftungssubstrat dienende Vermögen der Gesellschaft<br />

einschließlich der in ihr erarbeiteten Marktstellung<br />

nur insoweit unter Aufhebung der Trennung in sein<br />

privates oder anderweitiges wirtschaftliches Vermögen<br />

überführen darf, wie es nicht zur Bedienung der Verbindlichkeiten<br />

der Gesellschafter benötigt wird. Die ansonsten<br />

sehr weit gehende Dispositionsbefugnis der Gesellschafter<br />

über Existenz, Vermögen und Geschäftschancen der Gesellschaft<br />

endet dort, wo der Gläubigerschutz beginnt. Der Gesellschafter<br />

hat daher bei Entnahmen von Vermögenswerten<br />

der Gesellschaft im Hinblick auf deren primäre<br />

Zweckbestimmung zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten<br />

stets in angemessener Weise Rücksicht auf den Erhalt der<br />

Fähigkeit der Gesellschaft zur Befriedigung ihrer Gläubiger<br />

zu nehmen. Nur die nicht erkennbar für diesen Zweck<br />

erforderlichen und deshalb in der Gesellschaft gebundenen<br />

Mittel darf er sich aneignen, um sie der Verwendung zu anderen<br />

privaten oder wirtschaftlichen Zwecken zuzuführen.<br />

Dieses Regelungskonzept reicht weit über das Recht der<br />

GmbH und den deutschen Rechtsraum hinaus. Es handelt<br />

sich bei ihm um das fundamentale Prinzip der Kapitalgesellschaften,<br />

die zwar den unter dieser Rechtsform tätigen<br />

Wirtschaftssubjekten die mit der Teilnahme am Wirtschaftsleben<br />

verbundenen Risiken einschließlich der Folgen etwaiger<br />

unternehmerischer Fehlentscheidungen (partiell) abnehmen<br />

sollen, aber nicht dazu bestimmt sind, ihnen die<br />

Möglichkeit zu geben, sich die unter dem schützenden Mantel<br />

der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Erträge anzueignen,<br />

die zu deren Erzielung eingegangenen Verbindlichkeiten<br />

dagegen zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft<br />

unbedient zu lassen.<br />

Das Haftungskonzept des Senats gründet damit unmittelbar<br />

im Kern des Funktionsprinzips der Kapitalgesellschaften<br />

selber. Die Kapitalgesellschaft ist eine juristische<br />

Kunstfigur, die ihren Betreibern die mit ihrer Teilnahme am<br />

Wirtschaftsleben verbundenen Risiken einschließlich der<br />

Gefahren unternehmerischer Fehlentscheidungen abnehmen<br />

soll und der das Recht zu diesem Zweck ein eigenes<br />

Vermögen zuordnet, das anstelle des übrigen Vermögens ihrer<br />

Betreiber für die unter Inanspruchnahme dieser Kunstfigur<br />

begründeten Schulden haften soll. Unverzichtbare,<br />

geradezu elementare Funktionsbedingung dieses den rechtlichen<br />

Grundsatz der persönlichen Einstandspflicht eines<br />

jeden Rechtssubjekts für die von ihm begründeten Verbindlichkeiten<br />

vermittels eines juristischen Kunstgriffs durch-<br />

20 AnwBl 1 / 2006<br />

brechenden Systems ist es, dass das Vermögen der Gesellschaft,<br />

mit dem sie den Gesellschaftern ihre persönliche<br />

Haftung abnehmen soll, strikt von dem sonstigen Vermögen<br />

der Gesellschafter abgesondert wird (Trennungsprinzip),<br />

während der gesamten Lebensdauer der Gesellschaft für<br />

die Erfüllung dieser Aufgabe reserviert bleibt und ihr nicht<br />

von ihren eigenen Gesellschaftern wieder entzogen wird.<br />

Die Gesellschafter dürfen sich deshalb nur die für die Erfüllung<br />

dieser Funktion nicht benötigten, in der Gesellschaft<br />

erwirtschafteten Überschüsse aneignen.“<br />

3. Von der „Kopfgeburt“ zum Eigeninteresse der GmbH<br />

Bremer Vulkan bedeutet einen Schritt von elementarer<br />

dogmatischer Bedeutung im Recht der Kapitalgesellschaften.<br />

Erstmals bekannte sich der BGH eindeutig zu dem, was<br />

man früher etwas vulgär als „Eigeninteresse“ 9 der GmbH<br />

bezeichnete. Während der BGH früher nichts davon wissen<br />

wollte10 , hat dieses „Eigeninteresse“ seit Bremer Vulkan<br />

eine Synonym-Funktion für das Interesse der Gesellschafts-<br />

Gläubiger, kurz: für das Gläubigerinteresse bekommen. Die<br />

GmbH-Gesellschafter stehen in der Pflicht, das Eigeninteresse<br />

ihrer GmbH um derer Gläubiger willen zu schützen.<br />

Wenn sie das nicht tun, müßte das haftungsrechtliche Folgen<br />

haben, weil sie damit den haftungsbeschränkenden<br />

Schutz verscherzten, den ihnen das Trennungsprinzip bietet.<br />

Vielleicht etwas zu ungenau wurde dies als neues Modell<br />

einer „Durchgriffshaftung“ 11 bezeichnet. Genau genommen<br />

handelt es sich um eine „Direkthaftung“ der Gesellschafter<br />

wegen der Beseitigung des sie zunächst haftungsrechtlich<br />

privilegierenden Trennungsprinzips. 12 Wir sind bei der<br />

GmbH in einem Haftungssystem angekommen, welches<br />

weitgehend dem der Kommanditistenhaftung entspricht.<br />

Schlimmer noch: Während es bei der Kommanditgesellschaft<br />

immer nur bei demjenigen Kommanditisten zum<br />

Wiederaufleben der persönlichen Haftung kommt, der etwas<br />

aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft zurückerhält,<br />

sollen bei der GmbH alle Gesellschafter, die an der<br />

Schmälerung des Eigenkapitals der GmbH mit existenzgefährdender<br />

Wirkung „mitwirken“, unmittelbar den Gläubigern<br />

gegenüber in die persönliche Haftung geraten, soweit<br />

letztere keine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen<br />

erlangen können.<br />

Außerdem: Die persönliche Haftung der Kommanditisten<br />

ist – jedenfalls in aller Regel – durch die in das Handelsregister<br />

eingetragene Haftsumme begrenzt. Verwirkt ein<br />

GmbH-Gesellschafter aus den oben erwähnten Gründen das<br />

Recht, sich auf das Trennungsprinzip zu berufen, dann ist<br />

seine persönliche Außenhaftung im Nachrang nach derjenigen<br />

der Gesellschaft unbeschränkt und unbeschränkbar.<br />

Was heißt das im einzelnen? Das grundsätzlich Neue an<br />

der Vulkan-Entscheidung ist die Weiterentwicklung des in<br />

den §§ 30, 31 GmbHG normierten Stammkapital-Schutzes<br />

zu einem allgemeinen Eigenkapital-Bestandsschutz, den die<br />

8 Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, S. 24 f. (Bd. 6 der Schriftenreihe<br />

der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung).<br />

9 Priester, ZGR 1993, 512/517 m. w. N.<br />

10 BGHZ 56, 97/101; BGHZ 95, 345 f. (Autokran – vgl. Fn 1, BGH DB 1993,<br />

34).<br />

11 So zuletzt Goette ZIP 2005, 1481/1487.<br />

12 BGHZ 151, 181 – KBV.

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