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Januar - Anwaltsblatt

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MN Aufsätze<br />

vor erhebliche Probleme stellt. Schließlich wird in der Regel<br />

die Wechselabsicht erst dann bekannt gegeben, wenn er<br />

kurz bevorsteht und die Verträge unterschrieben sind. Sollen<br />

aber nunmehr im Vorfeld durch die betroffenen Kanzleien<br />

massive Recherchen erforderlich werden, drohen Mandatsniederlegungen,<br />

Streitigkeiten mit Mandanten etc. mit der<br />

Folge, dass vielfach der Wechsel unmöglich wird oder zumindest<br />

unzumutbare Belastungen verursacht.<br />

Es kann jedenfalls nur in Ausnahmefällen eine Infizierung<br />

der aufnehmenden Sozietät in Betracht kommen, soll<br />

nicht im Verweisungsfall des Abs.3 die Sozietätserstreckung<br />

der Interessenwiderstreitregelung zum unverhältnismäßigen<br />

Berufsausübungsverbot oder verfassungswidrigen<br />

Anscheinstatbestand werden. Auch hier muss dargetan werden,<br />

dass eine Sozietätserstreckung im Interesse des Gemeinwohls<br />

erforderlich ist. Jeder Versuch der Umsetzung<br />

der Regelung des § 3 III BORA n. F. durch Kammern und<br />

Gerichte läuft im Einzelfall jedenfalls Gefahr, dass das über<br />

ihr hängende Damoklesschwert heruntergeht, weil sie den<br />

subtilen Verhältnismäßigkeitserwägungen des BVerfG wie<br />

auch den von diesem nicht erwähnten Kritikpunkten nicht<br />

Rechnung trägt.<br />

VI. Formell verfassungsrechtliche Bedenken<br />

Das BVerfG hat im Sozietätswechslerbeschluss die Frage<br />

offen gelassen, ob nicht die Satzungsnorm des § 3 II<br />

BORA schon aus formellen Gründen mangels Kompetenz<br />

der Satzungsversammlung nichtig war. Diese – an anderer<br />

Stelle ausführlich erörterte26 – Problematik stellt sich jedoch<br />

unverändert angesichts der nunmehr vorliegenden Neuregelung.<br />

Die Satzungsversammlung hat sie in unverständlicher<br />

Weise nicht geprüft. Grenzen der ihr im Prinzip in § 59 b<br />

BRAO eingeräumten Satzungskompetenz ergeben sich aber<br />

aus höherrangigem Recht.<br />

1. Vorrang des Gesetzes<br />

Das Bestehen einer Satzungskompetenz im wahrgenommenen<br />

Umfang ist bei § 3 BORA n. F. einmal am Maßstab<br />

des in Art. 20 III GG enthaltenen Vorrangs des Gesetzes<br />

fraglich. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 43 a IV<br />

BRAO anders als in §§ 45, 46 BRAO keine Sozietätserweiterung<br />

angeordnet. Es ist daher mehr als fraglich, ob der<br />

schlichte untergesetzliche Satzungsgeber eindeutiges höherrangiges<br />

Gesetzesrecht ändern darf. Das BVerfG 27 hat u. a.<br />

im Beschluss zur Verfassungswidrigkeit des satzungsmäßigen<br />

Versäumnisurteilsverbots die Bedeutung des Gesetzesvorrangs<br />

als Grenze der Satzungsautonomie betont.<br />

2. Vorbehalt des Gesetzes<br />

Erst recht bestehen Bedenken gegen die Satzungsregelung<br />

am Maßstab des in Art. 20 III GG vorausgesetzten<br />

Vorbehalts des Gesetzes. Danach hat bekanntlich alle „wesentlichen“<br />

Regelungen der parlamentarische Gesetzgeber<br />

zu treffen. Wesentlichkeit wird aber am Maßstab der bis<br />

zum heutigen Tage maßgeblichen – im Notarkassen-<br />

26 Vgl. dazu aus f. Kleine-Cosack, AnwBl 1998, 417 ff.<br />

27 BVerfG NJW 2000, 347.<br />

28 BVerfG NJW 2005, 49.<br />

29 BVerfGE 33, 125 ff; dazu ausführlich Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie<br />

und Grundgesetz, 1983.<br />

18 AnwBl 1 / 2006<br />

beschluss 28 erneut relevanten – Facharztentscheidung des<br />

BVerfG 29 auch dann bejaht, wenn eine Regelung von grundlegender<br />

Bedeutung für die Berufsausübung der Berufsangehörigen<br />

ist. Vergleichbare statusbildende Normen hat<br />

das Parlament zu treffen. Nur die Ausgestaltung kann dem<br />

Satzungsgeber überlassen bleiben. Der erstmaligen Einführung<br />

einer Sozietätserstreckung kann jedoch eine derart wesentliche<br />

Bedeutung attestiert werden, da sie erhebliche<br />

Auswirkungen für die Berufsfreiheit hat.<br />

Für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sprechen<br />

zudem die nachteiligen Konsequenzen für die Mandanten,<br />

die auf Grund der Verbotsregelung – z. B. im Falle<br />

eines Sozietätswechsels – möglicherweise zu einem Anwaltswechsel<br />

gezwungen werden, weil der bisher sie vertretende<br />

Rechtsanwalt sie nicht weiter vertreten darf. Autonome<br />

Satzungen sind im Regelfall auf das Binnenrecht der<br />

Körperschaften beschränkt. Kommt ihnen hingegen eine erhebliche<br />

Bedeutung für aussenstehende Dritte zu, dann<br />

fehlt den satzungsgebenden Körperschaften die demokratische<br />

Legitimation und ist allein der Gesetzgeber kompetent.<br />

Dies hat ebenfalls die Versäumnisurteilsentscheidung des<br />

BVerfG deutlich gemacht. Die Aussenrelevanz des § 3 II<br />

BORA n. F. wird offensichtlich am Erfordernis des Einverständnisses<br />

der Mandanten. Angesichts der manifesten formell-verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken gegen die Neureglung<br />

sollte zwecks Vermeidung einer weiteren<br />

(verfassungs-) gerichtlichen Kassation letztlich der Gesetzgeber<br />

eine Sozietätserstreckung vornehmen.<br />

VII. Resümee<br />

Es gilt abzuwarten, ob die neue Sozietätserstreckungsregelung<br />

geltendes Recht werden wird. Zunächst ist es Sache<br />

des Bundesjustizministeriums als Rechtsaufsichtsbehörde,<br />

die Bestimmung auf ihre verfassungsrechtliche<br />

Haltbarkeit zu überprüfen. Angesichts der nicht unerheblichen<br />

verfassungsrechtlichen Bedenken ist zu prüfen, ob<br />

nicht erneut eine Beanstandung ausgesprochen werden soll.<br />

Zugleich könnte eine modifizierte Norm bei der nächsten<br />

Änderung der BRAO erlassen werden durch Erweiterung<br />

des § 43 a IV BRAO; man könnte dann zugleich die viel zu<br />

weiten Sozietätserstreckungsregelungen der §§ 45 III, 46<br />

III BRAO ändern bzw. anpassen. Lässt die Rechtsaufsichtsbehörde<br />

die fragliche Norm unbeanstandet, dann gilt es abzuwarten,<br />

ob bei ihrer Umsetzung die verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken unbeanstandet bleiben. Von einer<br />

Rechtssicherheit in Sachen Sozietätsrrstreckung der Prävarikation<br />

ist man derzeit jedenfalls noch weit entfernt.<br />

Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg/Br.<br />

Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für<br />

Verwaltungsrecht.

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