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Januar - Anwaltsblatt

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MN Aufsätze<br />

Anwaltsverein 10 und vom Deutschen Richterbund zu hören,<br />

die sich möglicherweise eine Kombination von Bologna-<br />

Konzept und Ablösung des bisherigen Referendariats durch<br />

eine berufsspezifische Form der Weiterqualifizierung vorstellen<br />

können (sog. Spartenmodell). 11<br />

Bereits an dieser Stelle deutet sich an, dass es um weit<br />

mehr geht als nur um einen weiteren Versuch der Optimierung<br />

der universitären Phase der Juristenausbildung. Auf<br />

dem Prüfstand steht das gesamte System der Juristenausbildung<br />

zum sog. Einheitsjuristen mit seinen staatsgetragenen<br />

Prüfungsanteilen und dem Referendariat. Damit steht der<br />

hohe Qualitätsstandard der deutschen Rechtspflege, der inzwischen<br />

auch auf EU-Ebene anerkannt ist, auf dem Spiel. 12<br />

Brisant und unübersichtlich ist die Diskussion vor allem auch<br />

deshalb, weil sie zwar vordergründig um ideele Ziele wie<br />

Qualitätssteigerung, Flexibilisierung und Europäisierung der<br />

Juristenausbildung kreist, möglicherweise aber auch von<br />

ganz handgreiflich-materiellen Interessen vorangetrieben<br />

wird. So liegt die Vermutung nahe, dass der Bologna-Prozess<br />

teilweise als Instrument (oder willkommener Vorwand?) gesehen<br />

wird, endlich die hohen Zulassungszahlen zur Anwaltschaft<br />

und damit den schwer erträglichen Konkurrenzdruck<br />

in den Griff zu bekommen. Verlockend könnte auch das Potential<br />

von erheblichen Einsparungen in der Justiz durch Beschränkung<br />

des Vorbereitungsdienstes auf künftige Richter<br />

und vollständige Verlagerung des Prüfungsgeschäfts in die<br />

Universitäten sein. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht,<br />

dass viele Juristen zögern, sich überhaupt auf eine Diskussion<br />

über Einzelheiten einer Implementierung des Bologna-Konzepts<br />

einzulassen. Die Gefahr eines politischen Dammbruchs<br />

mit der Konsequenz einer Gefährdung fast aller bewährten<br />

Elemente der Juristenausbildung ist nicht von der Hand zu<br />

weisen. So gesehen erscheint die Entscheidung von Union<br />

und SPD, die Juristenausbildung aus dem Bologna-Prozess<br />

auszuklammern, als Zeichen geradezu sensationeller politischer<br />

Vernunft.<br />

Wer freilich über den fachlichen Tellerrand der legal<br />

community hinausschauend den Prozess der Implementierung<br />

des Bologna-Konzeptes beobachtet, hat mancherlei<br />

Anlass zur Skepsis, ob das Ende des Liedes schon erreicht<br />

ist: Zum einen ist äußerst zweifelhaft, ob die Juristischen<br />

Fakultäten universitätsintern für sich auf Dauer eine Sonderstellung<br />

beanspruchen können, wenn sich alle anderen Fakultäten<br />

der Hochschule um sie herum Bologna-konform reformieren.<br />

Eine entsprechende Abkoppelung würde eine<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten<br />

im Rahmen gemeinsamer Studiengänge erheblich erschweren,<br />

wenn nicht teilweise sogar unmöglich machen. Es ist<br />

im übrigen auch damit zu rechnen, dass in noch größerem<br />

Umfang als bisher schon die Gewährung zusätzlicher Fördergelder<br />

von der Bologna-Konformität des zu Fördernden<br />

abhängig gemacht werden. Im Übrigen könnte ein Ignorieren<br />

von Bologna mittelfristig nicht nur zu einer Isolierung<br />

innerhalb der deutschen Hochschullandschaft, sondern auch<br />

zu einer Abkoppelung von der gesamteuropäischen Juristenausbildung<br />

führen. 13 Angesichts dieses „äußeren Drucks“<br />

erscheint es nicht ungefährlich, in der Gewissheit einer<br />

„ganz herrschenden Meinung“ in Juristenkreisen allzu siegesgewiss<br />

das Nachdenken einzustellen; es könnte sich herausstellen,<br />

dass „die lange als angenehm empfundene Dunkelheit<br />

nicht von den hohen Mauern der uneinnehmbaren<br />

Festung der deutschen Juristenausbildung herrührte, sondern<br />

6 AnwBl 1 / 2006<br />

von dem Sand, in dem der Vogel Strauß seinen Kopf zu stecken<br />

pflegt“. 14<br />

2. Die Erste Staatsprüfung auf dem Prüfstand<br />

Soweit der Bologna-Prozess in Juristenkreisen überhaupt<br />

schon inhaltlich diskutiert wird, reduzieren sich die Überlegungen<br />

weitgehend auf die Alternative „Staatsprüfung<br />

oder Hochschulprüfung“. 15 So begründet insbesondere Merk<br />

ihre Ablehnung einer Umstrukturierung der Juristenausbildung<br />

nach Bologna-Kriterien damit, für eine Beibehaltung<br />

der Staatsprüfung im Pflichtfachbereich spreche u. a. die<br />

Verantwortung des Staates für die Rechtspflege und qualifizierte<br />

Nachwuchsjuristen, Objektivität und Qualität einer<br />

zentral gestellten, leistungs- und wettbewerbsorientierten<br />

Prüfung, Sicherung eines einheitlichen Niveaus der Absolventen<br />

in den Kernfächern und hohe Aussagekraft des Prüfungsergebnisses.<br />

16 Umgekehrt plädiert etwa Kilger in seiner<br />

Funktion als Präsident des Deutschen Anwaltsvereins –<br />

unter Berufung auf eine sehr problematische Verlautbarung<br />

des Wissenschaftsrates aus dem Jahre 200217 – dass das momentane<br />

Staatsexamensystem unbefriedigend sei, weil es zu<br />

einer Entwissenschaftlichung des juristischen Studium geführt<br />

habe; wenn Studenten ab dem 4. oder 5. Semester zum<br />

Repetitor laufen müssten, um Examensfalllösungstechnik zu<br />

pauken, bliebe kein Raum für wissenschaftliches Arbeiten. 18<br />

Diese Zuspitzung auf die Frage nach dem Weg zum universitären<br />

Abschluss ist kein Zufall. Die sog. Modularisierung<br />

der Studieninhalte ist ein zentrales Anliegen des Bologna-Konzeptes.<br />

Es bringt mit sich, dass sich das Studium<br />

nicht mehr auf eine alles entscheidende Abschlussprüfung<br />

zuspitzt, sondern kontinuierlich für den Abschluss relevante<br />

Credits in den einzelnen Modulen des Studiums gesammelt<br />

werden; der Bachelor-Abschluss ist ohne zusätzliche Anstrengung<br />

bereits erreicht, wenn genug Credits akkumuliert<br />

worden sind. 19<br />

Die zentrale Bedeutung der studienabschliessenden<br />

Blockprüfung für die Qualität des deutschen Juristen wird<br />

häufig verkannt, obwohl sie eigentlich auf der Hand liegt:<br />

Der gesamte Pflichtfachstoff wird am Ende des Studiums<br />

so abgeprüft, wie er in der juristischen Praxis gebraucht<br />

wird, als Einheit, also in seiner komplexen Vernetzung der<br />

verschiedenen Problemebenen und Rechtsgebiete. Mit einer<br />

isolierten, mit Credits belohnten Erarbeitung einzelner Module<br />

(Schuldrecht, Grundrechte, Vermögensdelikte) ist es<br />

eben nicht getan. Angesichts der Anforderungen der Abschlussprüfung<br />

zeichnet sich das klassische juristische Studium<br />

durch ein „Lernen in Spiralen“ aus (wissenschaftliche<br />

Grundausbildung anhand eines Überblicks im Pflichtfachstoff,<br />

Vertiefung des Pflichtfachstoffs bei gleichzeitigem<br />

Kennenlernen einiger Nebengebiete sowie des gewählten<br />

10 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins vom 24. <strong>Januar</strong> 2005 zur Einführung<br />

eines Bachelor-/Master-Systems in die deutsche Juristenausbildung für die<br />

Anhörung des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Koordinierung der<br />

Juristenausbildung am 26. <strong>Januar</strong> 2005 in Berlin.<br />

11 Vgl. die Stellungnahme von Kilger (Fn. 5), S. 5 f.<br />

12 Council of Europe, European Judicial Systems 2002, CEPEJ (2004) 30.<br />

13 Ausführlich dazu Kilian (Fn. 5), S. 16 f; Jeep, NJW 2005, 2283, 2284.<br />

14 So sehr plastisch Kilian (Fn. 5), S. 17.<br />

15 Besonders plastisch Merk, ZRP 2004, 264.<br />

16 Merk, ZRP 2004, 264.<br />

17 Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Reform der staatlichen Abschlüsse, Drs.<br />

5460/02.<br />

18 Kilger Symposium am 22.9.05 (Fn. 5), S. 2; Huber (Fn. 5), S. 9.<br />

19 Vgl. dazu auch Kilian (Fn. 5), S. 23 ff.

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