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Thesis - RWTH Aachen University

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noch für wenig zweckmäßig befunden hatte, erneut aufgelegt wurde. Somit hatten Vor-<br />

lagen allgemein den Zweck, dem Kunsthandwerker ein Formenrepertoire an die Hand<br />

zu geben, das ihm die ganze Bandbreite denkbarer Möglichkeiten zwischen Replik und<br />

fantasievoller Neuschöpfung eröffnete, wobei Neuschöpfungen an eben dieses Reper-<br />

toire und folglich an das Prinzip der Kombinatorik (s. Kap. 3.2.8) gebunden waren. Die<br />

Vorlage wurde zur Quelle der Inspiration für das eigene Schaffen und barg somit Inno-<br />

vationspotential in sich. 86 Allerdings wird der Handwerker die teuren Vorlagensamm-<br />

lungen kaum erworben haben. Vielmehr bediente er sich preiswert zu beziehender Ein-<br />

zelblätter, die in mehreren aufeinander folgenden Lieferungen bestellt werden konnten,<br />

sowie Abbildungen aus einschlägigen Zeitschriften 87 , die ihm größtmögliche Vielseitig-<br />

keit garantierten. Teure Zeichenwerke, die sich Privatleute nicht leisten konnten 88 ,<br />

konnten Handwerker aller Sparten in den Bibliotheken der in der zweiten Jahrhundert-<br />

hälfte vielerorts gegründeten Schausammlungen, den Vorläufern der heutigen Kunstge-<br />

werbemuseen, 89 einsehen.<br />

1.2.2.2 SCHAUSAMMLUNGEN<br />

86 Julius Lessing, Direktor des Deutschen Gewerbe-Museums Berlin von der Gründung des Hauses bis<br />

1908, stellte fest, daß die Muster „unschätzbar als Vorbilder [sind], aber doch eben nur als solche, um<br />

aus ihrem Studium heraus selbsttätig weiterzuschaffen.“ Lessing, in: Pariser Briefe IX, Nationalzeitung<br />

vom 6.8.1867, zit. nach Mundt 1996, S. 188. – Abgelehnt wird die gedankenlose Nachahmung der alten<br />

Formen sowie die willkürliche Spielerei mit Formen nach subjektivem Geschmack. Der rechte Weg sei<br />

ein fleißiges Studium der Formen und ein „noch fleißigeres Eindringen in den Geist der Alten“. Chronik<br />

1864, S. 61. – Shai-Shu Tzeng, die einen guten Überblick über die Entwicklung der kunstgewerblichen<br />

Musterbücher zwischen 1750 und 1900 liefert, weist abschließend noch einmal explizit darauf hin, daß<br />

„die kunstgewerblichen Musterbücher ... lediglich als Anregung für das Ornamentdesign, als Quelle der<br />

Information dienen und keineswegs als Vorlagebuch mißbraucht werden [sollten]“. Tzeng 1994, S. 182.<br />

Tzeng hat sich hauptsächlich mit der Entwicklung des Musterbuchs in England beschäftigt. Sie zeigt den<br />

schrittweisen Wandel des Musterbuchs in der traditionellen Rolle der Weitergabe von Vorbildern bis zu<br />

seiner Verurteilung wegen des Mangels an künstlerischer Qualität auf, wobei sie die Diskussion um Imitation<br />

und Originalität und damit den Wandel in der Theorie des Ornamentdesigns in den Mittelpunkt ihrer<br />

Analyse rückt. Insbesondere die Auswertung der einschlägigen englischen Zeitschriften hinsichtlich deren<br />

Auseinandersetzung mit der Frage nach Mustern und Mustergültigkeit ist der Entwicklung in Deutschland<br />

vergleichbar.<br />

87 Im OfchrK 3/1853 findet sich der Hinweis auf die artistische Beilage und damit auf die auch zukünftig<br />

in der Zeitschrift publizierten Musterstücke des Mittelalters: „Mit dem heutigen Blatte beginnen wir die<br />

Darstellung der vorzüglichsten Kirchengeräthe, welche die Krefelder Ausstellung enthalten hat und werden<br />

dieselben in einer Reihenfolge von Beilagen (abwechselnd mit andern Abbildungen aus den verschiedensten<br />

Kunstzweigen) fortsetzen ... Nur auf diesem Wege scheint es uns zu gelingen, diesen ...<br />

Zweig christlicher Kunst ... in seiner einstigen Bedeutung vor Augen zu führen und wenigen, aber kostbaren<br />

Resten seiner edlen Kunstthätigkeit eine praktische Geltung zu verschaffen. D[ie] Red[aktion].“<br />

88 Mundt 1974, S. 141.<br />

89 Diese Institutionen wurden jedoch noch nicht unter der Bezeichnung der Kunstgewerbemuseen geführt.<br />

– In unmittelbarer Reaktion auf die erste Weltausstellung in London 1851 wurde 1852 das South-<br />

Kensington Museum gegründet, nach dessen Vorbild man nach der dritten Weltausstellung, 1862, das K.<br />

K. Österreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien erbaute. 1867 wurde das Deutsche Gewerbe-<br />

Museum in Berlin gegründet. Es folgten das Bayrische National Museum in München und das Bayrische

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