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Thesis - RWTH Aachen University

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das Schaffen des prominentesten der drei Goldarbeiter, Martin Vogeno, ebenso heraus-<br />

gestellt werden wie sein künstlerisches Oeuvre in Abgrenzung zu anderen Vertretern<br />

seiner Zunft in und über die Grenzen <strong>Aachen</strong>s hinaus. Dies kann nur vor dem Hinter-<br />

grund der Nachzeichnung allgemeiner wie auch speziell auf das Kunstgewerbe bezoge-<br />

ner Aspekte jener Epoche geschehen, mit der Werk und Künstler untrennbar verbunden<br />

sind.<br />

Weit über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus sollte die Fortschrittlichkeit Maß-<br />

stab der Beurteilung der vorausgegangenen Epoche sein. Sie wurde nahezu zum Syn-<br />

onym der Qualität. Dieses Kriterium erlaubte es, die Kunst des 19. Jahrhunderts einer-<br />

seits als historischen Irrweg abzuurteilen, andererseits machte es die Klärung der Streit-<br />

frage aller -ismen entbehrlich. 3 So wurde mit der Zeit ein Negativ-Bild des 19. Jahrhun-<br />

derts gezeichnet, das heute mühsam von allen Vorurteilen wieder befreit werden muß.<br />

Das gilt insbesondere für das Kunstgewerbe des Historismus. 1973 stellte Barbara<br />

Mundt treffend fest, daß die europäischen Kunstgewerbemuseen Klassizismus und Bie-<br />

dermeier ganz selbstverständlich ausstellen; dann schließe sich – abgesehen von einigen<br />

herausragenden Beispielen der Neogotik – anscheinend nahtlos der Jugendstil an. 4 Ob-<br />

wohl mehrere dem Historismus verpflichtete Ausstellungen 5 der Geringschätzung jener<br />

Epoche entgegenzutreten versuchten, ist sie in der Kunstgeschichte mitunter heute noch<br />

„ein Abgrund mit Plüschvorhang, hinter dem sich höchstens Belächelnswertes vermuten<br />

läßt“. 6 Will man diesen Abgrund überwinden und zu neuen Erkenntnissen gelangen, so<br />

bedarf es einer objektiven Auseinandersetzung mit der Epoche. Diese Auseinanderset-<br />

3 Vgl. dazu Bringmann 1982, S. 11.<br />

4 Kat. Berlin 1973, Einführung (o. P.).<br />

5 Kat. Berlin 1973, (o. P.). Kat. <strong>Aachen</strong> 1975, S. 1-27; Kat. Emmerich 1977; Kat. Frechen 1978; Kat.<br />

Köln 1980; Kat. Grevenbroich 1981.; Kat. Dormagen 1982; Kat. Unna 1987; Kat. Mönchengladbach<br />

1990; Falk 1994. Zur rheinischen Goldschmiedekunst vergleiche auch die Beiträge von Ernst Günter<br />

Grimme, Karl-Bernd Heppe und Werner Schäfke zur <strong>Aachen</strong>er, Düsseldorfer und Kölner Goldschmiedekunst.<br />

Grimme 1981, S. 13–31; Heppe 1981, S. 33–68; Schäfke 1981, S. 69–96.<br />

6 Kat. Berlin 1973, Einführung (o. P.). Jüngstes Beispiel ist die Domschatzkammer <strong>Aachen</strong>. Bei der Neukonzeption<br />

der Präsentation des wohl bedeutendsten Kirchenschatzes nördlich der Alpen wurde auf die<br />

Ausstellung der Objekte des 18. und 19. Jahrhunderts verzichtet. Vgl. dazu Lepie/Minkenberg 1995, S.<br />

218. Der Artikel schließt mit dem aussagekräftigen Zitat Erich Stephanys, daß der Schatz der Kirche „vor<br />

allem die Kontinuität unserer Geschichte, die aus der Vergangenheit in die Zukunft durch die Gegenwart<br />

führt, bekundet“. Lepie/Minkenberg 1995, S. 219. Glaubt man also der Konzeption des Hauses, so endet<br />

die Sakralkunst abrupt mit dem 17. Jahrhundert. Das trifft jedoch nicht zu. Nach der Erweiterung der<br />

Räumlichkeiten fand sich kein Platz mehr für die Arbeiten des Barock und des 19. Jahrhunderts, was um<br />

so mehr erstaunt, da sie in der früheren, räumlich weniger großzügigen Konzeption noch vertreten waren.<br />

Bewußt blieb die Epoche des Historismus ausgespart. Dieses Beispiel bestätigt – wenngleich ein Vierteljahrhundert<br />

später und nach einer Reihe von Forschungsbeiträgen zum Historismus – einmal mehr die<br />

Beobachtung Barbara Mundts: hier wird nicht nur ein stadtgeschichtlich und kulturhistorisch prägnantes<br />

Kapitel der lokalen Geschichte ignoriert, sondern es ist darüber hinaus die Chance verpaßt worden, die<br />

Bezugnahme einer retrospektiv ausgerichteten Epoche auf ihre Vorbilder begreifbar zu machen.

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