Oemer 2000 OIN_Bd_6.pdf - ÖIN
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1.2.2.3 Allgemeine Darstellung des Leitplanken-Konzeptes<br />
des WBGU<br />
Der WBGU bezeichnet die „Leitplankenphilosophie“ in<br />
der Klimaproblematik als einen „geeigneten Ansatz für<br />
die Gestaltung der Umwelt- und Entwicklungspolitik“ 1 .<br />
Mit dem Leitplanken-Konzept wird versucht, das „Entscheidungsdilemma<br />
zwischen sozialen, ökologischen<br />
und ökonomischen Zielvorstellungen durch eine klare<br />
Prioritätensetzung aufzulösen“ 2 . Es beschreibt einen<br />
Politikansatz, bei dem einerseits Begrenzungen festgelegt,<br />
andererseits aber innerhalb dieser Begrenzungen<br />
freie Entscheidungen zugelassen werden 3 . Letztlich hängt<br />
die politische Ausgestaltung von Strategien gegen unerwünschte<br />
globale Umweltveränderungen (z.B. Emissionsreduktionsstrategien<br />
im Klimabereich) davon ab, wie die<br />
Wissenschaft die „tolerierbaren ökologischen, ökonomischen<br />
und sozialen Begleiterscheinungen“ definiert 4 .<br />
Der WBGU beschreibt den Begriff „Leitplanke“<br />
folgendermaßen:<br />
„Die Leitplanke grenzt den Entwicklungsraum des<br />
Mensch-Umwelt-Systems von den Bereichen ab, die<br />
unerwünschte oder gar katastrophale Entwicklungen<br />
repräsentieren und die es zu meiden gilt. Nachhaltige<br />
Entwicklungspfade verlaufen innerhalb des durch diese<br />
Leitplanken definierten Korridors“ 5 .<br />
Bei der Definition von Leitplanken ist zu berücksichtigen,<br />
dass sie sich beziehen können auf 6<br />
• lokale Werte („hot spots“) oder Werte für Regionen;<br />
• momentane oder zeitraumabhängige Werte;<br />
• sektorspezifische oder übersektorale Bereiche und<br />
• Klimafolgen- und Klimaschutzkosten separat oder auf die<br />
Aggregation von Kosten und Nutzen.<br />
Die vom WBGU erstellte graphische Darstellung des Leitplanken-Konzeptes<br />
erfolgte dreidimensional, wobei auf<br />
den drei Raumachsen ökologische, sozio-kulturelle und<br />
ökonomische Teilziele aufgetragen wurden (Abb. 9).<br />
Das Leitplanken-Konzept sieht vor, dass zunächst „unerwünschte<br />
oder gefährliche Zustände im Umwelt-, Wirtschafts-,<br />
Sozial- und Kulturbereich definiert werden“ 7 .<br />
Diese „Bereiche der Nicht-Nachhaltigkeit“ 8 , in Abb. 9 rot<br />
dargestellt, bilden Zustände des Erdsystems ab, bei denen<br />
sich ein Syndrom 9 manifestiert und die unbedingt vermieden<br />
werden müssen 10 . Umfassende Aufgabe bei der Steuerung<br />
des Erdsystems ist es daher, ein Abgleiten in die<br />
Bereiche jenseits der Leitplanken zu verhindern. Im Gegensatz<br />
dazu steht der dargestellte „Handlungsraum“,<br />
innerhalb dessen freie Entscheidungen über die menschlichen<br />
Aktivitäten getroffen werden können. Allerdings<br />
wird betont, dass „in der Nähe der Leitplanke das Risiko<br />
erhöht und die Stabilität vermindert ist“ 11 .<br />
Die Leitplanke („Grenzfläche“ in der dreidimensionalen<br />
Darstellung) ist aufgrund der Komplexität des Gesamtsystems<br />
Natur-Gesellschaft-Wirtschaft, der oft ungenauen<br />
und unvollständigen Datenlage und ihrer Abhängigkeit<br />
„vom jeweiligen Wissensstand, von den herrschenden<br />
Werthaltungen sowie der Risikobereitschaft der Bevölkerung<br />
nicht exakt definierbar und auch einem zeitlichen<br />
Wandel unterworfen“ 12 .<br />
4 Siehe ebenda, S.43.<br />
5 Siehe WBGU: Welt im Wandel. Jahresgutachten 1996 ... S.185.<br />
6 Vortrag von Dr. Thomas Bruckner am 25.02.1999 im Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.<br />
7 Siehe ebenda, S.118.<br />
8 Siehe ebenda.<br />
9 Syndrome sind unerwünschte, charakteristische Konstellationen von natürlichen und zivilisatorischen Trends und ihrer Wechselwirkungen<br />
(Umweltdegradationsmuster), die sich in vielen Regionen der Welt identifizieren lassen. Eine ausführliche Darstellung des Syndromkonzeptes<br />
siehe in: WBGU: Welt im Wandel: Herausforderung für die deutsche Wissenschaft. Jahresgutachten 1996. Springer Verl., Berlin<br />
Heidelberg 1996 sowie in: Reusswig, F. und Schellnhuber, H.-J.: Die globale Umwelt als Wille und Vorstellung. Zur transdisziplinären Erforschung<br />
des globalen Wandels. In: Daschkeit, A. und Schröder, W.: Umweltforschung quergedacht. Perspektiven integrativer Umweltforschung<br />
und -lehre. Berlin Heidelberg 1998, S.259–307.<br />
10 Siehe WBGU: Welt im Wandel. Jahresgutachten 1996 ... S.118f.<br />
11 Siehe WBGU: Jahresgutachten 1996, S.119.<br />
12 Siehe ebenda.<br />
Systematik Schriftenreihe 6<br />
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