Oemer 2000 OIN_Bd_6.pdf - ÖIN
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Supersysteme sind. Zwischen diesen Hierarchieebenen<br />
finden energetische Austauschreaktionen statt: Das jeweilige<br />
Subsystem erhält aus der oberen Integrationsebene<br />
einen Input von Syntropie, der in bestimmten Ausmaßen<br />
durch interne Prozesse transformiert wird, wobei<br />
Entropie entsteht. Diese nicht mehr verwertbare Energie<br />
wird im Anschluss wieder an die Supersysteme abgegeben.<br />
Die oberen Ebenen erhalten also Entropie-Importe<br />
von den unteren Hierarchiestufen. Um dauerhaft zu bestehen<br />
bzw. den Zustand des Steady State zu erreichen,<br />
muss auf jedem Hierarchieniveau ein Fließgleichgewicht<br />
bestehen, bei dem die dissipierte Energiemenge geringer<br />
sein muss als die Summe der importierten Syntropie.<br />
Für die Biosphäre ist diese thermodynamische Nachhaltigkeits-Charakteristik<br />
leicht erfüllbar, weil mit der Sonneneinstrahlung<br />
ein stetiger Strom verfügbarer Syntropie<br />
importiert wird 1 .<br />
Während die Biosphäre ein materiell (fast) geschlossenes,<br />
energetisch aber offenes System ist, sind Gesellschaften<br />
sowohl materiell als auch energetisch offene Systeme 2 .<br />
Es bleibt zu prüfen, inwieweit Leitlinien bzw. Elemente<br />
aus der thermodynamischen Sichtweise ökologischer<br />
Entwicklungsstrategien hinsichtlich einer Koevolution von<br />
natürlichen und sozioökonomischen Systemen genutzt<br />
oder angepasst werden können. Dabei soll das Hauptaugenmerk<br />
auf die Untersuchung entropischer Prozesse<br />
in der Wirtschaft gerichtet werden, wobei in einem<br />
nächsten Schritt insbesondere Möglichkeiten einer Koppelung<br />
mit entropischen Prozessen des Natursystems<br />
zu suchen sind.<br />
Die Sichtweise, wonach Wirtschaftsysteme als entropisch<br />
Transformationsmodell<br />
82<br />
aufgefasst werden, geht auf GEORGESCU-ROEGEN 3 zurück<br />
und bedeutet den Einbezug zweier Größen in die Ökonomie,<br />
die bisher kaum Beachtung fanden: Natur und Zeit.<br />
Der wirtschaftliche Prozess ist in die Natur über die<br />
Inputseite (Entnahme von Rohstoffen) und über die Outputseite<br />
(Abgabe von Abfällen) eingebunden. Wirtschaftliche<br />
Vorgänge können als Transformationsprozesse aufgefasst<br />
werden, bei denen im Produktionsvorgang Rohstoffe<br />
in konsumierbare Güter umgewandelt und diese<br />
durch den Konsum zu Abfällen werden. Aus thermodynamischer<br />
Sicht ist der Wirtschaftsprozess die irreversible<br />
Umwandlung von Syntropie (Rohstoffe aus der Natur) in<br />
Entropie (Abfälle). Jedes produzierte Gut erhöht die Gesamtentropie<br />
auf der Erde, d.h. mit dem wirtschaftlichen<br />
Prozess erfolgt gleichzeitig eine ständige irreversible<br />
„Entwertung“ der Natur 4 .<br />
Die Wirtschaft muss als offenes System betrachtet werden,<br />
das ohne die ständige Zufuhr von Syntropie (Energie<br />
und Materie) aus seiner Systemumgebung, welche dem<br />
Supersystem Natur gleichzusetzen ist, nicht aufrechterhalten<br />
werden kann. Wertschöpfung und Produktivität<br />
sind existentiell in das natürliche System eingebettet,<br />
indem sie einer ständigen Versorgung mit Syntropie bedürfen.<br />
Dabei stehen zwei unterschiedliche Syntropie-<br />
Quellen zur Verfügung 5 :<br />
• die natürlichen Ressourcen der Erde und<br />
• der Energiezufluss von der Sonne.<br />
Bei der wirtschaftlichen Nutzung von natürlichen Ressourcen<br />
der Erde muss zwischen erneuerbaren und nichterneuerbaren<br />
unterschieden werden. Die nicht-erneuerbaren<br />
Ressourcen (z.B. Erdöl, Erdgas, Kohle usw.) sind<br />
1 Siehe Müller, F. und Nielsen, S.N.: Thermodynamische Systemauffassungen in der Ökologie... S.55.<br />
2 Siehe Daly, H.: Die Gefahren des freien Handels. In: Spektrum der Wissenschaft, Januar 1994, S.40–46.<br />
3 Siehe Georgescu-Roegen, ?.: The Entropy Law and the Economic Process. 1971.<br />
4 Siehe Binswanger, M.: Die Irreversibilität entropischer Prozesse in der Ökonomie... S.94, 97.<br />
5 Siehe ebenda, S.95.