DKB_6_08_Vollversion - Kranken Boten - Jesus Freaks Deutschland
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Auf der Straße<br />
selbst in der Hand hat. Schon<br />
bei unserer Ankunft zeigte Gott<br />
ganz deutlich: „Ich kümmer<br />
mich um euch“. Wir hatten<br />
den ersten Pfeil gerade gefunden,<br />
da war die erste Herberge<br />
schon voll. Wir stellten uns<br />
schon auf eine Nacht unter<br />
wolkenverhangenem Himmel<br />
ein, als zwei französische Pilger<br />
auf uns zukamen: Wir könnten<br />
mit im Pfarrhaus neben der<br />
Kathedrale schlafen. Mit einer<br />
Gruppe Polen und den zwei<br />
Franzosen, denen wir noch<br />
ein paar Mal begegnen sollten,<br />
verbrachten wir so die erste<br />
Nacht trocken und sicher auf<br />
dem Boden eines Raumes, in<br />
den kleine Pfadfi nder bunte<br />
Zeichnungen gehängt hatten.<br />
Ein anderes Mal gab es keine<br />
Pilgerherberge in nächster<br />
Nähe, da musste ein anderes<br />
Dach her. Denn mit draußen<br />
schlafen war nichts, der Himmel<br />
goss seinen kalten, nassen<br />
Segen über uns. So kamen<br />
wir spät abends an ein verlassenes<br />
Kloster. Gibt es einen<br />
besseren Unterschlupf für<br />
zwei müde Pilger? Allerdings<br />
waren die halb verfallenen<br />
Gebäude von Pferden heimgesucht<br />
worden, die nebenan<br />
grasten. Schlafen ließ es sich da<br />
nicht. Und die Kirche sah, wie<br />
alle Kirchen in Spanien, verschlossen<br />
aus. Doch Gott lud<br />
uns ein, geborgen in seinem<br />
Haus zu schlafen. Denn die<br />
16 6/20<strong>08</strong><br />
Dezember/Januar<br />
Tür war nur angelehnt, ließ<br />
sich sogar von innen verriegeln.<br />
Drinnen war es dämmrig<br />
und schmucklos. Doch die<br />
wuchtigen Säulen strahlten<br />
Ruhe und Geborgenheit aus,<br />
der Boden war staubig, aber<br />
sauber, und so machten wir es<br />
uns unter den hohen spätromanischen<br />
Gewölben gemütlich.<br />
Und dann waren da noch<br />
immer wieder diese zwei<br />
letzten Plätze, die in vollen<br />
Herbergen scheinbar nur noch<br />
auf uns gewartet hatten. Maria<br />
und Josef hatten nicht so<br />
viel Glück. Nicht nur für das<br />
nächtliche Dach über dem<br />
Schlafsack war immer wieder<br />
gesorgt. Denn dankbar ist der<br />
eigene Körper nicht immer,<br />
wenn man ihn vollgepackt<br />
jeden Tag 20 oder 30 Kilometer<br />
vorantreibt, um die 300<br />
Kilometer nach Finisterre in<br />
den wenigen Urlaubstagen<br />
zu schaff en. Wie zum Protest<br />
entzündete sich mein Kniegelenk.<br />
Und auch hier schickte<br />
mir Gott, als wäre es geplant<br />
gewesen, Hilfe über den Weg.<br />
Ein schweizer Physiotherapeut<br />
sah sich die Bescherung an,<br />
gab mir hilfreiche Ratschläge<br />
und drei Tage später waren<br />
wir wieder zu Fuß unterwegs.<br />
Unterwegs sein, um unterwegs<br />
zu sein: das heißt, sich auf<br />
all diese kleinen und großen<br />
Unebenheiten einzulassen, die<br />
der Weg mit sich bringt. Steile<br />
Anstiege, kalter Regen, kalte<br />
Küche und Etappen, die nicht<br />
enden wollen. Aber es heißt<br />
auch, das zu genießen, was<br />
im Alltag meistens an einem<br />
vorbeirauscht. Die Sonne nach<br />
dem Regen, warmes Essen,<br />
Dusche und Schlafplatz, die<br />
nicht mehr selbstverständlich<br />
sind, und all die verschiedenen<br />
Begegnungen unterwegs mit<br />
Menschen, die auf der Suche<br />
sind oder Gott schon gefunden<br />
haben. Und natürlich den<br />
knallroten Sonnenuntergang,<br />
der einem nach wochenlangem<br />
Weg am Ende der Welt<br />
begrüßt und einem warm und<br />
freundlich sagt, dass dieser<br />
Weg nun zu Ende ist und es<br />
Zeit ist für den nächsten.<br />
Anja Reumschüssel (24) studiert Publizistik<br />
und geht normalerweise zu<br />
den <strong>Jesus</strong> <strong>Freaks</strong> Alzey.<br />
Der satirische Jakobsweg<br />
Der Pilger, der Thunfisch<br />
und die Opernsängerin<br />
Der Jakobsweg sollte<br />
der erste Urlaub<br />
für mich werden<br />
seit etwa acht Jahren. In Liebe<br />
abgehungert von meinem<br />
kargen Hartz IV wollte ich mit<br />
Anja Kilometer um Kilometer<br />
abreißen, um dabei Gott näher<br />
zu kommen, andere Christen<br />
zu treff en und natürlich nach<br />
Ewigkeiten wieder das Meer<br />
zu sehen. Nun stelle man sich<br />
vor, dass unser liebender Papa<br />
ganz gut ist im Gebete erhören,<br />
und da ich ja schon Jahre um<br />
Arbeit gebeten hatte, kam natürlich<br />
kurz vorher ein Termin<br />
zum Vorstellungsgespräch ins<br />
Haus gefl attert. Ja, und wie<br />
soll es anders sein, gaben sie<br />
mir natürlich die Möglichkeit,<br />
direkt anzufangen. Nach etwas<br />
Dreistigkeit, gepaart mit willi-<br />
ger Freundlichkeit, ließ sich die<br />
Personalabteilung dann doch<br />
erweichen, mir einen späteren<br />
Vertragsanfang zu gewähren.<br />
Also hieß es dann los, kurz<br />
nach dem <strong>Freaks</strong>tock, ab<br />
nach Spanien, mit einer bekannten<br />
Billigairline (in der<br />
das Boardpersonal diesen<br />
wunderschönen Wie-verhalteich-mich-im-Notfall-Tanz