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DKB_6_08_Vollversion - Kranken Boten - Jesus Freaks Deutschland

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Auf der Straße<br />

Der obdachlose Gott<br />

Was <strong>Jesus</strong> über seine Werte nicht sagte<br />

18 6/20<strong>08</strong><br />

Im Zusammenhang mit<br />

der Bankenkrise und der<br />

Tatsache, dass immer noch<br />

zwei Milliarden Menschen<br />

bedroht sind, an Armut zu<br />

sterben, habe ich ein neues<br />

Wort gelernt: Fernstenliebe.<br />

Das verleitet zum Nachdenken<br />

über eines der wichtigsten<br />

Th emen des Christentums, der<br />

Nächstenliebe. Dieses Wort<br />

wurde jedem Menschen, der<br />

ein klein wenig auf selbständiges<br />

Denken und authentisches<br />

Christsein Wert legt,<br />

vom liberalen Protestantismus<br />

verdorben – die Nächstenliebe<br />

wurde zum wohl ausgelutschtesten<br />

Bonbon christlich-sozialen<br />

Wohlfühlengagements<br />

und Schmusemenschlichkeit.<br />

Aus der evangelikalen Ecke<br />

kommt ein anderer Begriff ,<br />

den sich dort die Christen auf<br />

die Fahnen geschrieben haben<br />

und der eben auf die Leere<br />

des Wortes der Nächstenliebe<br />

reagiert: Die Werte. Und diese<br />

Werte sind dann sehr schnell<br />

mit christlich-konservativem<br />

Denken gefüllt. Sucht man<br />

nach strengen Werten oder<br />

süßlicher Nächstenliebe in<br />

dem, was <strong>Jesus</strong> uns beizubringen<br />

versucht hat, fi ndet man<br />

nichts davon. – Im Gegenteil,<br />

es scheint so, als ob <strong>Jesus</strong> uns<br />

nie irgendwelche Prinzipien<br />

gegeben hätte, irgendwelche<br />

zentralen Begriff e, auf die er<br />

sich berufen hätte, man sucht<br />

recht vergeblich nach Idealen<br />

oder dass er irgendeine bestimmte<br />

Moral vertreten hätte.<br />

Das Wort der Nächstenliebe<br />

ist auf <strong>Jesus</strong> angewandt ihm<br />

ebenso in den Mund gelegt<br />

wie das der Werte: Von beidem<br />

hat er nie gesprochen.<br />

<strong>Jesus</strong> ging es nicht um Abstraktes,<br />

um Religiöses, um Liebe<br />

und um Nettsein, um moralische<br />

Regeln. Wenn <strong>Jesus</strong> von<br />

dem sprach, was ihm wichtig<br />

war, dann war das der Nächste.<br />

Der Mensch neben ihm. Ganz<br />

Dezember/Januar<br />

konkret, ganz nahe, mit<br />

Worten nicht zu fassen,<br />

sondern ganz nahe da:<br />

Der Nächste. Der, der neben<br />

uns ist, mit dem wir<br />

eine Beziehung haben, ob<br />

wir es wollen oder nicht.<br />

Die Gedanken Jesu’<br />

kreisten nicht um Prinzipien,<br />

sondern um Menschen.<br />

Im Nächsten tritt<br />

uns <strong>Jesus</strong> selbst entgegen.<br />

Keines der <strong>Jesus</strong>worte<br />

verdient heute ernster genommen<br />

zu werden als das davon,<br />

dass man ihm selbst getan<br />

hat, was man dem Geringsten<br />

getan hat: In meinem Nächsten,<br />

gleich dem dort drüben,<br />

steckt <strong>Jesus</strong>, ganz körperlich,<br />

ganz präsent, nur mit Staunen,<br />

Demut und Einsatz, nicht mit<br />

Sprache, Lobpreis oder Werten<br />

zu fassen. Gott hat sich nicht<br />

in unseren Dreck begeben,<br />

damit wir bessere Menschen<br />

werden: um uns Werte zu<br />

bringen. Er kam, um uns auf<br />

Gott hinzuweisen. Und das tat<br />

er, darauf kommt es an, nicht,<br />

indem er nach oben gezeigt hat,<br />

auf einen Gott, der dort oben<br />

in seiner Herlichkeit sitzt, sondern<br />

nach unten, auf den Menschen.<br />

Nicht abstrakte Nächstenliebe,<br />

sondern der Nächste,<br />

in seiner so unbequemen<br />

Konkretheit, nicht Gott als<br />

abstrakter Geist, sondern <strong>Jesus</strong>,<br />

in seiner Nähe, in dem Leiden<br />

eines Menschen, darum geht es.<br />

Deswegen glaube ich, dass<br />

wir immer wieder überdenken<br />

müssen, ob wir mit dem, was<br />

wir tun, irgendwelchen Prinzipien<br />

dienen oder Menschen.<br />

Stellen wir uns auf die Seite<br />

derer, die gute Menschen sind,<br />

die Gott kennen und die den<br />

richtigen Weg gehen, oder sind<br />

wir da zur Stelle, wo Menschen<br />

ausgeschlossen werden, so wie<br />

eben <strong>Jesus</strong> es uns gezeigt hat,<br />

als er sich immer eben den ausgeschlossenen<br />

und Unterdrückten<br />

zugewandt hat – oft mit der<br />

Konsequenz, dass er sich von<br />

den Religiösen, den Gläubigen<br />

und guten Menschen abwenden<br />

musste und eben von<br />

ihnen nicht verstanden wurde,<br />

weil er sich gekümmert hat:<br />

um den Nächsten, Schmutzigen<br />

und Wertlosen, statt mit<br />

den Tollen und Guten noch<br />

einen Gottesdienst zu feiern.<br />

Wir vergessen gerne, dass<br />

<strong>Jesus</strong> selbst jemand war, der<br />

keinen Ort hatte, wo er sein<br />

Haupt hinlegen konnte, der<br />

schmutzig und hungrig war.<br />

Das heißt nichts anderes, als<br />

dass er ein Obdachloser war,<br />

jemand ohne Heimat hier auf<br />

der Erde, ohne Zuhause. Wir<br />

beten jeden Sonntag einen<br />

Obdachlosen an und ignorieren<br />

am Montag den nächsten<br />

Obdachlosen, der uns begegnet.<br />

Unser Nächster ist der nächste,<br />

dem wir helfen können, sei<br />

er fern wie der Hungernde<br />

in der Dritten Welt, nahe<br />

wie ein Kind aus unserem<br />

Team oder eben dazwischen<br />

wie der schäbige Mensch an<br />

der Ecke. Wir müssen lernen,<br />

<strong>Jesus</strong> in ihnen zu sehen.<br />

Andi Gerlach (27) studiert Literaturwissenschaft<br />

in Tübingen. Vor etwa<br />

drei Jahren wurde seine Verandtschaft<br />

mit Count Dooku von Star<br />

Wars festgestellt.<br />

Zum Weiterdenken: Sprüche 14,3;<br />

Jesaja 52,13ff; Hosea; Amos; Matthäus<br />

7,12 / 8,18-22 / 25,31-46;<br />

Jakobus 1,22ff / 2,1-13

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