Komplikationen in Sans-Souci
Komplikationen in Sans-Souci
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Antiquar auch für Dresden tätigen Giovanni Lodovico Bianconi erworben. 33 In der Werkstatt Cavaceppis<br />
erfolgte e<strong>in</strong>e ergänzende Restaurierung. Dabei wurde dem Körper der Kopf e<strong>in</strong>er dem Kapitol<strong>in</strong>ischen<br />
Ant<strong>in</strong>ous-Albani gleichenden Version aufgesetzt. Die übrigen zu ergänzenden Teile des Körpers, die<br />
Baumstütze und die Füße samt Bodenplatte wurden ebenso dem gleichen Vorbild abgeschaut. Kaum e<strong>in</strong><br />
Hüftschwung resultiert aus dem knappen Zurücksetzen des l<strong>in</strong>ken Spielbe<strong>in</strong>es. Die Körperachsen s<strong>in</strong>d<br />
demgemäß nur ger<strong>in</strong>gfügig gegene<strong>in</strong>ander verschoben. Das Gesicht h<strong>in</strong>sichtlich Alter und Proportionen<br />
entspricht weder dem der Statue des Anonymus vor den Neuen Kammern, noch gar dem von Frauen am<br />
Fontänenrondell, noch dem des <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Nähe stehenden antiken Ant<strong>in</strong>ous-Medicus.<br />
Die Auswahl und anschließende Aufstellung von antiken Skulpturen im Park von <strong>Sans</strong>souci hat sicherlich,<br />
der frankophilen Neigung König Friedrich II. gemäß, das französischen Vorbild von Versailles – wo ebenfalls<br />
vier allerd<strong>in</strong>gs stilistisch e<strong>in</strong>heitlichere Kopien des Ant<strong>in</strong>ous vom Belvedere aufgestellt worden waren - im<br />
H<strong>in</strong>tergrund. 34 Nicht zufällig gehörten Arbeiten von Lambert-Sigisbert Adam (1700 Nancy – 1759 Paris) und<br />
Jean-Baptiste Pigalle (1714 Paris – 1785 Paris) zu den ersten Ausstattungsstücken an zentralen Stellen z.B.<br />
der Fontänendekoration. Nun wurde immer wieder argumentiert, daß die f<strong>in</strong>anzielle Enge des brandenburgpreußischen<br />
Haushalts und die Neigung zur daher auf Sparsamkeit bedachte Haushaltspolitik speziell<br />
Friedrich d. Gr. nicht zugelassen hätten, daß bedeutendere, d.h. ja auch kostenträchtigere Werke se<strong>in</strong>e<br />
Sammlungen bereichert hätten. Neuerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong>dessen mehren sich die Stimmen, die dieses ältere negative<br />
Argument zwar nicht grundsätzlich zu revidieren angetreten s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>dessen e<strong>in</strong>e andere Perspektive auf die<br />
Ankaufspolitik eröffnen. Sie richten den Blick auf das Insgesamt der möglichen Intentionen, die zu den<br />
jeweiligen Entscheidungen geführt haben könnten, um das im europäischen Vergleich Besondere an<br />
<strong>Sans</strong>souci herauszustellen. 35<br />
Friedrich II. sah das Sammeln von Antiken als se<strong>in</strong>, als das ihm vorbehaltene Privileg als König an. Zwar<br />
sollte ihm die Antike nicht mehr wie im bis <strong>in</strong> das ausgehende 17. Jahrhundert praktizierten S<strong>in</strong>n als Zeichen<br />
e<strong>in</strong>er von der Antike abgeleiteten Kont<strong>in</strong>uität und Legitimität der Herrschaft dienen. Ihr Besitz sollte die<br />
Gleichrangigkeit des preußischen Königtums gegenüber den anderen europäischen Mächten auch mit<br />
diesen Mitteln manifestieren. Daher blieb es beispielsweise bei se<strong>in</strong>en Familienangehörigen etwas ungern<br />
gesehenes Exklusives, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> H<strong>in</strong>sicht auf Umfang und Aufwand. Münzen, Büsten und Inschriften<br />
galten immer noch als e<strong>in</strong> unausgesprochen beliebtes Medium der gelehrt verdeckten Anspielungs-Rekurse<br />
auf antike und historisch-lokale Vorgänger und göttliche Abkunft. Dafür ist kürzlich die Sammlung Pr<strong>in</strong>z<br />
He<strong>in</strong>richs von Preußen <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>sberg beispielhaft analysiert worden. 36<br />
Wie weit lässt sich diese geänderte Perspektive nun auch mit dem Ergebnis zu den hier thematisch<br />
ausgewählt untersuchten Statuen und ihrem Ersche<strong>in</strong>ungsbild <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang br<strong>in</strong>gen oder gar stützen?<br />
Als erstes ist auffällig gewesen, daß nur an weit von e<strong>in</strong>ander gelegenen Orten, vorrangig im Bereich<br />
westlich der Nord-Südachse, e<strong>in</strong>zelne Statuen aus dem Ensemble des belvederischen Gartens <strong>in</strong> Kopien<br />
aufgestellt worden s<strong>in</strong>d. Dazu gehörte eben auch die des sogenannten „Ant<strong>in</strong>ous vom Belvedere“ nun nicht<br />
<strong>in</strong> der französischen, Duquesnoy'schen, sondern <strong>in</strong> der italienischen, Della Porta Ergänzungsversion ** und<br />
– unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Benennung als „Ant<strong>in</strong>ous“ - die antike Bronzestatue des<br />
Betenden Knaben. E<strong>in</strong>zig ihr war im Führer von Österreich e<strong>in</strong> erläuternder Kommentar beigefügt, der auf<br />
die Treue des Untergebenen zu se<strong>in</strong>em Herrscher bis <strong>in</strong> den Tod abhob. Das nun steht sehr wohl <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang<br />
mit dem Ergebnis der ikonologisch-programmatischen Analyse der Parkanlage von Hüneke (2006), wonach<br />
im westlichen Teil auf Neigung, Fürsorge u.ä. des Herrschers zu und gegenüber se<strong>in</strong>en Untertanen<br />
angespielt wird. Die Quelle für den Kommentar zur Bronzestatue könnte das Historische Wörterbuch von<br />
Moréri ebenso wie das bedeutendste aufklärerische Nachschlagewerk der Zeit gewesen se<strong>in</strong>, das des<br />
Hugenotten Pierre Bayle. Ebenso aber kämen auch die von dem Benedikt<strong>in</strong>ermönch Bernard de Montfaucon<br />
verfassten Erläuterungen zum Altertum als Quelle <strong>in</strong> Frage. Alle drei Werke waren <strong>in</strong> zahlreichen aktuellen<br />
Auflagen und Übersetzungen weit verbreitete, <strong>in</strong> denen die schriftlichen Überlieferungen, Medaillen und<br />
deren Inschriften, aber ke<strong>in</strong>e Darstellungen als Büsten oder Skulpturen zu Worte kamen. 37 Wenn diese – wie<br />
am Beispiel der beiden ersten westlich der Nord-Südachse aufgestellten Statuen aufgewiesen – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Kontext e<strong>in</strong>gefügt worden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> dem Anklänge an göttliche Deszendenz eher negiert und entschieden<br />
gegen Lebensalter-Gruppierungen oder Naturallusionen ausgetauscht worden waren, dann wird e<strong>in</strong>e<br />
Veränderung des Assoziationsraumes deutlich, den Diderot 1766 mit se<strong>in</strong>er Deklaration der Statuen des<br />
Belvedere als „Aposteln des guten Geschmacks“ und des Ant<strong>in</strong>ous als „Exemplum vitalitatis“ von e<strong>in</strong>er<br />
entgegengesetzten, <strong>in</strong>dividualisierten Seite her angesprochen hatte. Diese Veränderung des Blickw<strong>in</strong>kels<br />
hatte Herder wenig später <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>lassungen zur Plastik ebenso zum Ausdruck gebracht. Zugleich hatte<br />
sich <strong>in</strong> der englischen Kunstliteratur das Assoziationsfeld, das mit den Statuen des Ant<strong>in</strong>ous verbunden<br />
worden war, vom „sentimentalen Nichtstun“ (Richardson) zum „gelassen natürlichem Dastehen“ (Hogarth)<br />
gewandelt. 38