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Ursprung und Ursprünglichkeit - Walter Peter Gerlach ...

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<strong>Peter</strong> <strong>Gerlach</strong>, <strong>Ursprung</strong><br />

gleicher Weise in einer Rede über die Landwirtschaft, über Politik oder Kunst zu gelten. Winckelmann<br />

hielt sich an diese Darstellungs-Regel <strong>und</strong> konnte dazu auf einen aufbereiteten Stoff aus antiken<br />

Schriftquellen zurückgreifen, der - vor allem von Franciscus Junius in »De Pictura Veterum« (1637) 20<br />

zusammengetragen - leicht zugänglich vorlag.<br />

Weitere Kulturkreise rückten zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in den Blick - zumal die des fernen<br />

Ostens wurden in die wissenschaftliche Diskussion einbezogen. Dabei war von der Kunst nicht die<br />

Rede, die derjenigen der mittelmeerischen Länder zeitlich voraus gelegen <strong>und</strong> der Aufklärung des<br />

<strong>Ursprung</strong>s von bildender Kunst hätte dienlich erscheinen können, nicht von der Kunst, wie sie - der<br />

rhetorischen Darstellungs-Regel gemäß - an festgelegter Position am Anfang des Textes zu stehen<br />

hatte. 21<br />

Alles änderte sich schlagartig mit den Entdeckungen frühgeschichtlicher Malereien in süddeutschen<br />

<strong>und</strong> französischen Höhlen in der 2. Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. 22 Die traditionelle Position geriet ins<br />

Wanken, nicht aber die bewährte Darstellungs-Regel der Rhetorik-Lehre. Sie blieb nach wie vor gültig<br />

<strong>und</strong> sie bewährt sich offenk<strong>und</strong>ig bis heute.<br />

Die alte Frage nach dem <strong>Ursprung</strong>, die wir bereits genauer als Frage nach der Erfindung von Kunst<br />

durch den Menschen verstehen gelernt haben, erhielt eine andere Wendung. Die von Winckelmann<br />

aufgeworfene Frage nach den Bedingungen der Steigerung erfinderischer Fähigkeiten des Menschen<br />

verselbständigte sich <strong>und</strong> damit von der nach einem absoluten Beginn von Kunst getrennt. Somit war<br />

das Problem des <strong>Ursprung</strong>s gleichsam wieder in die Gegenwart zurückgebogen worden. Und das<br />

erforderte angesichts der modernen Malerei selber ganz andere Antworten. Jetzt eröffnete die<br />

traditionsbeladene Frage zugleich die Perspektive auf die Bedingungen des Kunstschaffens zu allen<br />

möglichen <strong>und</strong> denkbaren Zeiten der Vergangenheit <strong>und</strong> relativierte vor allem die Wertschätzung der<br />

Erzeugnisse antiker Kunst. Einhellig konnten zumal deren Entstehungsbedingungen nicht mehr als<br />

fraglos wünschenswerte für die eigene Gegenwart akzeptiert werden.<br />

Davon aber ging eine Bedrohung des Begriffs vom „schöpferischen“ Individuum aus. Ebenso bedroht<br />

erschien die daran geknüpfte Tradition eines semantischen Raumes von der aktiven Produktion, in<br />

dem sich - prominent in den Gestalten von Kulturheroen der Maler- <strong>und</strong> Dichterfürsten - Individualität<br />

überhaupt erst in ideologisch (d.h. „interessenlos“) vorbildlicher Weise ausgebildet <strong>und</strong> dargestellt<br />

hatte. Das zeitigte Rückwirkungen auf die Konzeption von didaktischen Modellen, bis hinein in das<br />

Schulwesen, das die öffentlich organisierte Erziehung junger Bürger bestimmte. Nicht von ungefähr<br />

verlief eine europäisch breite Diskussion um die originäre Qualität der Kinderzeichnung bis hin zur<br />

Reform des Zeichen-Unterrichts an Schulen seit ca. 1860 parallel zur Entstehung der „Moderne“ in<br />

den bildenden Künsten. 23<br />

http://www.kunstserviceg.de/gerlach 4 von 13

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