August/September - Experimenta.de
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Beim Anhören <strong>de</strong>s Textes <strong>de</strong>r Gewinnerin <strong>de</strong>s dritten Wettbewerbspreises<br />
fragte <strong>de</strong>r Journalist sich zunächst, ob diese Geschichte möglicherweise eine<br />
vornehm artikulierte Reaktion sei. Mir ist nicht bekannt, ob Marlene Schulz aus<br />
Hofheim ihre Geschichte schrieb, als <strong>de</strong>r Bestseller Feuchtgebiete bereits <strong>de</strong>n<br />
Gipfelsturm <strong>de</strong>r permanenten Medienpräsenz angetreten hatte. Aber es drängte<br />
sich mir <strong>de</strong>r Verdacht auf, dass hier von <strong>de</strong>r Erziehungswissenschaftlerin,<br />
die belletristisches und journalistisches Schreiben studiert hat, eine an<strong>de</strong>re<br />
Seite kreiert wer<strong>de</strong>. Dem Vorschlaghammer in <strong>de</strong>n Verkaufsregalen ist hier ein<br />
Goldschmie<strong>de</strong>hämmerchen entgegengestellt. „Alles kann, nichts muss“, ein<br />
beliebter Satz in Singlebörsen und an<strong>de</strong>rswo, geformt am En<strong>de</strong> eines Heilfastens<br />
und vor einer Hinwendung zu an<strong>de</strong>ren Ufern, hat subtile Wendungen<br />
assoziativ bereitgestellt, scharf gewürzt für diejenigen, die ihre Phantasien<br />
spazieren führen. Beim Nachlesen <strong>de</strong>s Textes habe ich eine doch größere<br />
Bewun<strong>de</strong>rung für die stilistischen Feinheiten aufgebracht. Diese Bewun<strong>de</strong>rung<br />
kommt allerdings fast allen Texten zugute, die ich im Tunneltheater in Bingen<br />
hörte und zuhause am Schreibtisch nachgelesen habe.<br />
Das laute Leben<br />
An <strong>de</strong>m Abend stan<strong>de</strong>n Kindheitserinnerungen im Vor<strong>de</strong>rgrund, Marlene<br />
Schulzes Text war nicht <strong>de</strong>r einzige, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Rahmen fiel. So ist das<br />
eben. Dieser Abend ließ auch erkennen, dass mancher Text besser in <strong>de</strong>r<br />
Schubla<strong>de</strong> reifen sollte. So wünsche ich Manolo Link, dass er sein Märchen<br />
von weisen Sinnen einer umfangreichen Überarbeitung unterziehen möchte.<br />
Kreativ gewachsene Texte dürfen wuchern, sie dürfen aber auch beschnitten<br />
wer<strong>de</strong>n, um Wachstumswünschen gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Links Text ist ebenso <strong>de</strong>r<br />
Text eines Studieren<strong>de</strong>n am INKAS wie <strong>de</strong>r von Manuel Göpferich. Dessen<br />
Gedankenspiel hat mir ebenfalls gefallen, aber <strong>de</strong>m Text fehlt etwas, was <strong>de</strong>r<br />
Schreiber selbst feststellen müsste. Ich dachte nebenbei an die Rose, die einer<br />
<strong>de</strong>r Bettlerin schenkte. Immerhin.<br />
Celestine von Gerda Fuckner „fängt ein, was uns droht zu flüchten“: Diesmal<br />
forsch abenteuerlich, in einem von ihr bestimmten Fall und nicht allgemein,<br />
was Mann erhofft, was Frau will, was man einan<strong>de</strong>r gibt und nimmt. Ein ebenso<br />
prickeln<strong>de</strong>r wie nach<strong>de</strong>nklicher Text, <strong>de</strong>r stilistisch und inhaltlich nun noch<br />
mehr erwarten lässt. Die Autorin Gerda Fuckner kann Frau und Mann, die ihr<br />
ebenso amüsiert wie hellhörig lauschen, sehr neugierig wer<strong>de</strong>n lassen.<br />
Christine Seiler, angehen<strong>de</strong> Pädagogin, die mit erst 22 Jahren schon Dozentin<br />
für kreatives Schreiben ist, warum auch nicht, <strong>de</strong>monstrierte mit ihrem<br />
eXperimenta 08 & 09/2008: Das Institut Seite 38