August/September - Experimenta.de
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Aber nur kurz. Dann griff er mit vollen Hän<strong>de</strong>n in das schimmern<strong>de</strong> Blütenmeer<br />
zu seinen Füßen: Ein Schneetreiben! Immer schneller ließ er die Blütenflocken<br />
auf sie herabfallen, feucht und kühl aus seinen erhitzten Hän<strong>de</strong>n.<br />
Fe<strong>de</strong>rleicht be<strong>de</strong>ckte das Blütengestöber Veras Haar, glitt liebkosend über ihre<br />
noch winterblasse Haut, blieb in duftigen Tupfen auch auf Veras T-Shirt hängen.<br />
Und da sah er es. Wusste plötzlich, was an<strong>de</strong>rs war. Hielt inne und starrte:<br />
Unter seinem Shirt, das er heute zum ersten Mal an ihr sah, war es nicht mehr<br />
glatt und flach wie bei ihm. Da war eine An<strong>de</strong>utung, eine winzige Erhebung.<br />
Es war kein Busen, es war noch nicht <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> wert, aber es war auch nicht<br />
mehr nichts. Simons Handflächen kribbelten. Plötzlich roch auch er die Kirschen.<br />
Vera öffnete die Augen und bemerkte seinen Blick.<br />
„Ja, ich weiß“, sagte sie. „Doof, nicht?“ Sie schüttelte sich <strong>de</strong>n Blütenschnee<br />
vom Shirt und verschränkte die Arme vor <strong>de</strong>r Brust.<br />
Simon zuckte die Schultern. „Ist doch normal, o<strong>de</strong>r?“<br />
„Ja schon, aber so früh. Und ich wollte doch lieber ein Junge sein.“ Vera<br />
sah ihn prüfend an, aber Simons Blicke wichen ihr aus. Angestrengt hörte er<br />
<strong>de</strong>m Gesang <strong>de</strong>r Vögel zu.<br />
„Das mit <strong>de</strong>m Jungen wird jetzt wohl nichts mehr“, sagte er endlich mit belegter<br />
Stimme. Vera kicherte.<br />
„Und du?“<br />
„Wie, und ich?“<br />
„Ja, ich meine … kriegst du auch schon Haare … du weißt schon?“<br />
„Du stellst wirklich komische Fragen heute!“ Er schubste sie probehalber ein<br />
bisschen an <strong>de</strong>r Schulter.<br />
„Nein, das ist eine wichtige Frage!“ Vera schubste zurück. „Weil das ungerecht<br />
ist! Bei euch Jungs sieht man ja nichts.“ Sie schubste heftiger und<br />
Simon wagte wie<strong>de</strong>r, sie anzusehen.<br />
„Trotz<strong>de</strong>m eine doofe Frage. Ich erzähl auch nichts.“<br />
„Du bist gemein!“ Sie kniff ihn ein bisschen in <strong>de</strong>n Oberarm. „Dann muss<br />
ich eben nachschauen, ob du schon …“<br />
Vera stürzte sich auf Simon und rang mit ihm, als sei sie nicht viele Monate<br />
weg gewesen und habe sich in <strong>de</strong>r Zeit so beunruhigend verän<strong>de</strong>rt. Simon<br />
überwältigte sie problemlos, weil er seit ihrem Abschied in die Höhe geschossen<br />
war und seine Schultern vielleicht doch schon ein bisschen breiter als die<br />
ihren waren. Aber in Veras Haar hingen diesmal noch Blütenküsse und Simon<br />
wühlte blind und verwirrt seine Nase in all dieses Haar-Blüten-Duft-Gemisch.<br />
Diesmal, als er ihren Oberkörper zu Bo<strong>de</strong>n drückte und über ihr war in <strong>de</strong>m<br />
eXperimenta 08 & 09/2008: Die Kunst Seite 8