Mordbefehl und Todesmarsch. Das Hamelner Zuchthaus in den ...

Häftlinge, davon 55 Häftlinge nach der Befreiung durch die amerikanischen Truppen am 7.
April 1945. Im Zeitraum vom 1. 9. 1939 - 31. 8. 1945 werden in den Unterlagen des
Standesamtes Hameln insgesamt 305 Todesfälle im Zuchthaus registiert. 43
Am Mittwoch, dem 4. April (drei Tage vor Ostern), werden die Einwohner von der
bevorstehenden Sprengung der Weserbrücken in Kenntnis gesetzt. Die Stadt ist in
Verteidigungszustand versetzt worden. Die amerikanischen Soldaten sollen an der Weserlinie
aufgehalten werden.
Bielefeld für den 3. und 4. April 1945 (Dienstag und Mittwoch nach Ostern)
„Dann rummelt es hinter dem Klüt. Es ist Nacht, und ich liege zusammengekauert auf dem
Boden und döse. Im Halbschlaf höre ich ein paar dumpfe Schläge ganz weit in der Ferne. Ich
beachte sie kaum. Aber bald wiederholen sie sich.
Jetzt hören wir es deutlich. Geschützfeuer, Panzerabwehr. Von drüben, vom jenseitigen Ufer
der Weser kommt es, noch weit zwar im Lipper Land. Wir können uns nicht täuschen. Das ist
keine Illusion. Das ist die Front! ...
Ein Gerücht geht um unter uns. Die Stadt soll in Verteidigungszustand gesetzt werden, heut
nacht sollen die Weserbrücken in die Luft gehen. Da bricht eine Panik unter uns aus.
Vierhundert Mann, wehrlos, zur Widerstandslosigkeit verdammt, wandelnde Leichname mehr
als lebendige Wesen. Was wird man mit uns jetzt anfangen? Der Volkssturm ist rausgezogen,
die Transportfähigen sind abmarschiert. Ein paar hundert Todeskandidaten auf den
Lazarettsälen, und ein paar hundert Übriggebliebene, zusammengefegt aus allen
Schlupflöchern Europas - was wird man mit uns jetzt machen?
Wird man uns mit in die Luft jagen, wird man uns vergiften, an die Wand stellen oder uns mit
Mann und Maus unter Artilleriefeuer begraben? An diesem Abend tun wir kein Auge zu. Die
Franzosen sitzen wieder mit mir auf derselben Zelle. Wir sehen von unserem Zellenfenster aus
auf der anderen Seite der Weser den endlosen Strom der Flüchtenden vor der feindlichen
Front. Autos, Karren, Pferdewagen, Soldaten in Trupps und Haufen von Zivilisten, mit
Handwägen und Fahrrädern, dazwischen Wehrmachtsfahrzeuge, Kradmelder, Panzer und
Panzerspähwagen. Und immer wieder dazwischen aufleuchtend das Rote Kreuz, Sankas und
Lkw.s.“ 44
43 239 der Verstorbenen waren Deutsche, 66 waren Ausländer. Die Zahl der Todesfälle steigt seit 1940
kontinuierlich an. 1945 erreicht sie eine dramatische Höhe. Die Zahl der Todesfälle bezogen auf die Jahre war
wie folgt:
1940 4
1941 4
1942 16
1943 27
1944 82
1945 172.
Unter den 66 verstorbenen Ausländern waren 21 Niederländer, 16 Belgier, 15 Franzosen, 4 Tschechoslowaken, 2
Dänen, 2 Luxemburger, 1 Österreicher, 1 Pole, 1 Jugoslawe, 1 Sowjetrusse, 1 Litauer.
Bei den Todesursachen überwiegen mit Abstand Herzschwäche und andere Herzerkrankungen mit 65 Prozent,
danach Lungen- und Bronchialerkrankungen sowie Lungen-Tbc mit 36,1 Prozent und Darmkatarrhen und
Durchfällen mit 31,8 Prozent (Mehrfachnennungen sind häufig).
Die Auswertung der Totenscheine hat Dr. Dammaschke, Hameln, vorgenommen.
44 Bielefeld, S. 69.
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