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Mordbefehl und Todesmarsch. Das Hamelner Zuchthaus in den ...

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Wärtern obenan, <strong>den</strong>n der kannte die Ordnung <strong>und</strong> würde als alter Erfahrung die wenigsten<br />

Schwierigkeiten machen.“ 18<br />

...<br />

Die Wachtmeister kamen aus der Armee. Es waren sogenannte „Zwölfender“, also<br />

Unteroffiziere, die zwölf Jahre gedient hatten <strong>und</strong> deshalb e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch darauf hatten,<br />

im öffentlichen Dienst e<strong>in</strong>gestellt zu wer<strong>den</strong>. Wer für die allgeme<strong>in</strong>e Verwaltung, für die<br />

Bahn, für die Post nicht geeignet war, kam <strong>in</strong> <strong>den</strong> Strafvollzug. E<strong>in</strong>e Lebensauffassung, die<br />

durch die Kaserne geprägt war, dazu Unwissenheit <strong>und</strong> Faulheit, das waren die Charakteristika<br />

der Männer, <strong>den</strong>en wir nun für Jahre <strong>und</strong> Jahre ausgeliefert waren.<br />

...<br />

Die Vorgesetzten dieser Uniform tragen<strong>den</strong> Wachtmeister waren die leiten<strong>den</strong> Beamten der<br />

Anstalt: an der Spitze Anstaltsdirektor Dr. Engelhart, dann se<strong>in</strong>e Stellvertreter, der<br />

Polizei<strong>in</strong>spektor, der für die allgeme<strong>in</strong>e Sicherheit <strong>und</strong> für die Beurteilung der Häftl<strong>in</strong>ge<br />

zuständig war <strong>und</strong> der Anstaltsarzt. Direktor Engelhart gehörte der Abst<strong>in</strong>enzlervere<strong>in</strong>igung<br />

„Blau-Kreuz“ an; ich sah ihn bei Vorführungen nur mit tief <strong>in</strong> die Stirn gezogenem Hut über<br />

die Akte gebeugt, ohne daß er mir je <strong>in</strong>s Gesicht gesehen hätte. Ich lernte ihn als e<strong>in</strong>en<br />

bösartigen, heuchlerischen Mann kennen, der mich bewußt schikanierte.<br />

...<br />

Insgesamt war diese Nahrung für e<strong>in</strong>en jungen Menschen wie mich viel zu wenig. Ich<br />

hungerte. Ich hungerte so sehr, daß ich zeitweise frühmorgens, bevor das Stück Brot kam,<br />

mich am Tisch festhalten mußte, um aufrecht stehen zu können. Zu alledem kam die strenge<br />

Isolierung. Es gab zwar Werkstätten im Gefängnis wie Schusterei <strong>und</strong> Tischlerei. Für mich<br />

aber bestand Isolierhaft.“ 19<br />

Carlebach berichtet auch, daß anläßlich des Erntedankfestes im Zellenbau e<strong>in</strong> Radioapparat<br />

aufgestellt wurde, über <strong>den</strong> die Hitlerrede übertragen wurde. „Am Tag bevor Hitler sprach,<br />

wurde die Tür me<strong>in</strong>er Zelle aufgerissen, <strong>und</strong> wutschnaubend stand Gefängnispfarrer Bormann<br />

vor mir. Ich hätte beim E<strong>in</strong>rücken vom Spaziergang aus der Ferne e<strong>in</strong>e drohende<br />

Handbewegung gegen <strong>den</strong> R<strong>und</strong>funkapparat gemacht. Ich hätte also Adolf Hitler - 24<br />

St<strong>und</strong>en, bevor er im Radio zu hören war - im voraus aus der Ferne bedroht.“ 20<br />

Ab 1. November 1935 wird das <strong>Hamelner</strong> Gefängnis zum <strong>Zuchthaus</strong>. Die Dauer der Strafen,<br />

die die nationalsozialistische Justiz verhängte, hatte sich außeror<strong>den</strong>tlich verlängert. Im<br />

<strong>Zuchthaus</strong> Hameln wer<strong>den</strong> die Außenmauern erhöht. Es kommt zu e<strong>in</strong>em Austausch der<br />

Häftl<strong>in</strong>ge. <strong>Zuchthaus</strong>häftl<strong>in</strong>ge aus anderen preußischen Anstalten ziehen e<strong>in</strong>.<br />

Für die Jahre von 1937 bis 1944 liegt der Erfahrungsbericht von Rudi Goguel vor. Wegen<br />

illegaler Tätigkeit für die KPD 1935 <strong>in</strong> Düsseldorf zu 10 Jahren <strong>Zuchthaus</strong> verurteilt,<br />

verbr<strong>in</strong>gt er die langen Jahre 1937 bis 1944 <strong>in</strong> Hameln.<br />

18 Carlebach, Am Anfang stand e<strong>in</strong> Doppelmord, S. 153-156.<br />

19 Emil Carlebach, Am Anfang stand e<strong>in</strong> Doppelmord, S. 153-156.<br />

20 Carlebach, a.a.O., S. 160.<br />

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