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Ausgabe 1/2012 - Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

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das sieht man jetzt schon ansatzweise – angesichts solcher<br />

Bedingungen lieber ins Ausland ausweichen. „Und dieses<br />

Potenzial verlieren wir dann für immer, denn die Jungen kommen<br />

nicht mehr zurück nach Österreich.“<br />

Noch aber ist Österreich in der klinischen Forschung erfolgreich.<br />

Rund 35 Prozent des gesamten Wissenschafts-Outputs<br />

kommt aus dem Bereich der Medizin. Allerdings, im Vergleich<br />

zu führenden Staaten auf dem Gebiet, etwa Schweden oder<br />

die Schweiz, beträgt der Abstand in der klinischen Forschung<br />

rund 30 Prozent, in der Mathematik nur sieben Prozent. Die<br />

Leader-Nationen investieren zumindest zweimal so viel in<br />

die Grundlagenforschung wie Österreich. In Schweden sind<br />

das 49 Euro pro Einwohner, in der Schweiz 39,5 Euro – in<br />

Österreich sind es gerade mal 18,5 Euro. Für klinische Forschung<br />

gibt es in Österreich überhaupt nur 50 Cent pro Kopf<br />

und Jahr. Zum Vergleich: Das Bundesland Steiermark unterstützt<br />

ihre Blasmusikkapellen mit einem Euro pro Einwohner<br />

pro Einwohner und Jahr. Das spricht für sich.<br />

CHRONISCH KRANK<br />

Aber nicht nur die MedUni, überhaupt das ganze heimische<br />

Gesundheitssystem scheint zu einem Dauerpatienten zu werden.<br />

Was läuft da seit Jahren falsch? Ein Hauptproblem sieht<br />

Kdolsky generell in der zu vielschichtig aufgebauten Spitalslandschaft<br />

Österreichs. Jedes Bundesland hat sein eigenes<br />

System – das reicht vom <strong>Dienst</strong>recht bis hin zu den Bezahlungsmustern.<br />

In diesem Zusammenhang diagnostiziert er<br />

auch diverse strukturelle Probleme. Eines davon: In Österreich<br />

gäbe es alle 20 bis 25 Kilometer ein Spital. Beispiel:<br />

Zwischen Wien und Judenburg gibt es auch noch in Mödling,<br />

Baden, Wiener Neustadt, Neunkirchen, Mürzzuschlag,<br />

Bruck, Leoben und Knittelfeld jeweils ein Krankenhaus. Was<br />

einst, sprich: in den 50er Jahren, noch Sinn machte, weil<br />

die Menschen nicht so mobil waren und daher die Wege<br />

zum nächsten Spital kürzer sein mussten, ist heute der pure<br />

wirtschaftliche Wahnsinn. Und der geht eindeutig auf das<br />

Konto der Politik. Kdolsky: „Es gibt niemanden aufgrund seines<br />

politischen Amtes, der die Kraft hat, hier endlich einmal<br />

einen Strich zu ziehen – ohne dafür später bestraft zu werden.<br />

Daher macht es auch keiner, und deshalb geschieht seit<br />

Jahrzehnten auch nichts.“ Dabei hat Österreich gleichwohl<br />

einen hohen Bedarf an Pflege und Remobilisationeinrichtungen.<br />

Umbauen, Umstrukturieren – das wären notwendige<br />

Lösungsansätze.<br />

Ein grundsätzliches Problem des dahinsiechenden Spitalssystems<br />

ist zudem, dass auch die Balance zwischen Spitals- und<br />

Ambulanzleistungen nicht stimmig sind. Und vielfach versagt<br />

das System auch aufgrund des Managementsystems. Kdolsky:<br />

„Viele Krankenhausmanager haben ein Topwissen, das sie<br />

sich in der Industrie oder in der Hotellerie angeeignet haben.<br />

Aber ein Krankenhaus ist nun mal kein Hotel oder Stahlwerk.<br />

Deshalb passieren auch so viele Fehlentscheidungen.“<br />

PROGNOSE<br />

Und wie schätzt Kdolsky die Zukunft des heimischen Gesundheitswesens<br />

generell ein? Unheilbar, todgeweiht – oder doch<br />

noch zu retten? „Nun, angesichts der sich zuspitzenden Situation<br />

im öffentlichen Gesundheitswesen steht zu befürchten,<br />

dass wir wirklich in Richtung Zweiklassenmedizin driften.<br />

Diejenigen, die ein bisschen mehr Geld haben, werden<br />

künftig vielleicht doch lieber eine Privatordination wählen,<br />

wo sie qualitativ und menschlich hochwertig behandelt werden<br />

können. Die Politik jedenfalls bereitet dafür derzeit den<br />

Boden bestens vor – leider, muss man sagen.“<br />

Aber noch gibt sich Richard Kdolsky nicht geschlagen. Auf<br />

gewerkschaftlicher Ebene gibt es noch viele Baustellen. Am<br />

Herzen liegt ihm etwa die Forderung nach einem Mindestlohn<br />

von 2000 Euro brutto für Jungärzte. „Die ist bis heute<br />

nicht lückenlos erfüllt.“ Und auch bei der Forderung nach<br />

der Facharztbeschäftigung von nicht weniger als 4000 Euro<br />

brutto ist man immer noch dran.<br />

Dranbleiben heißt es auch in Sachen Sparmaßnahmen rund<br />

ums AKH. Kdolsky: „Meine Erwartungshaltung ist dahingehend,<br />

dass die groß angekündigten Gespräche am runden<br />

Tisch und diverse Lösungsfindungsszenarien wohl erst dann<br />

stattfinden werden, wenn sie von der Belegschaft eingefordert<br />

werden. Was wir brauchen, sind durchdachte Vorgaben,<br />

die eingehalten und nicht nach Lust und Laune verändert<br />

werden, wie es in Österreich seit vielen Jahren so schlampig<br />

gehandhabt wird.“<br />

Foto: Alexander Wurditsch - Fotolia.com<br />

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gÖd | 1_<strong>2012</strong>

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