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Volltext - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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Von nun an musste ich auf meine Monatsfahrkarte, das Schwimmen und anderen<br />

„Luxus“ verzichten, um monatlich 50 von meinen 60 DM für den Anwalt auf die Seite<br />

legen zu können.<br />

Das Heim lag außerhalb der Stadt. Für den langen Fußmarsch ins Zentrum fehlte mir<br />

nun der Antrieb und die Energie. Zum Deutschkurs ging ich schon lange nicht mehr.<br />

Meine ganze Energie und meine Gedanken waren auf mein Schicksal konzentriert. Ich<br />

fing an zu rauchen. Eigentlich wusste ich, dass dies keine Lösung für meine Probleme<br />

war. Aber ich tat es trotzdem - vielleicht, weil fast alle Heimbewohner es auch taten.<br />

Anfangs sammelte ich die Kippen, die auf der Straße auf dem Boden lagen. Ich schnitt<br />

deren Filter und die Teile, die schon geraucht und verkohlt waren ab, dann rieb ich die<br />

Tabakreste raus aus den Kippen in eine Dose. Manchmal, wenn ich gerade irgendwo am<br />

Bau oder als Putzmann schwarz gearbeitet hatte und ein paar Mark übrig hatte, kaufte<br />

ich Billigtabak. Ich hing nur herum, rauchte, saß vor dem Fernseher und wartete, dass<br />

etwas passierte. Die Tage und Nächte zogen sich dahin. Es war langweilig und<br />

demotivierend, den ganzen Tag im Heim zu verbringen. Ich sah nur noch schwarz.<br />

Richtig schlafen konnte ich seit langem sowieso nicht mehr. Ich nickte nur noch von<br />

Zeit zu Zeit aus lauter Erschöpfung kurzzeitig ein.<br />

Endlich, nach einer langen Zeit von etwa einem Jahr seit Einlegen des Widerspruches,<br />

wurde ich zur zweiten Anhörung beim Verwaltungsgericht vorgeladen. Zwei Monate<br />

später hatte ich die zweite Ablehnung in der Hand - mit der Begründung, dass die im<br />

Widerspruch genannten Gründe nicht zulässig seien. Mit Hilfe meines Anwaltes legte<br />

ich erneut Widerspruch ein und verlangte, dass mein Fall beim Bundesamt für die<br />

Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wieder aufgenommen wird. Einer der<br />

Ablehnungsgründe waren meine für das Gericht fehlenden Identitätsnachweise. Ich<br />

nahm Kontakt auf mit Exil-Iranern der iranischen Nationalpartei. Sie bestätigten mir<br />

meine Mitarbeit im Iran und in Deutschland als aktiver Sympathisant der Partei und<br />

stellten mir einen Mitgliedsausweis aus. Diesen Ausweis gab ich dann zur Weiterleitung<br />

an das zuständige Gericht meinem Rechtsanwalt. Wieder folgte eine lange Zeit des<br />

Wartens, der Frustration. Mittlerweile lebte ich schon seit fast dreianderthalb Jahren in<br />

Deutschland, ohne mich und meine Pläne vorantreiben zu dürfen. Noch immer hatte ich<br />

weder Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnis. Ich besaß eine Duldung, die mir nur ein<br />

Dahinvegetieren erlaubte. Ich wurde noch depressiver, zog mich von allen Menschen<br />

um mich herum zurück, mied jeden Kontakt zu meinen Mitmenschen und geriet immer<br />

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