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Volltext - TOBIAS-lib - Universität Tübingen

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ging fort. So dass ich die Leitungsfunktion übernehmen durfte. Der Umgang meiner nun<br />

überwiegend neuen Kollegen mit mir war ebenso immer respektvoll und freundlich. Es<br />

gab eine Frau, die ihre Doktorarbeit bei uns schrieb. Ich hatte das Gefühl, dass das für<br />

sie aber ein bisschen schwer war, unter meiner Führung zu stehen. Wir konnten nicht<br />

gut miteinander arbeiten. Ich musste mir immer in Erinnerung rufen, dass es überall<br />

solche und solche gibt. «Entweder stimmt die Chemie oder eben nicht», musste ich mir<br />

immer wieder einreden. Das war ziemlich anstrengend. Ich kann aber wirklich nicht<br />

sagen, dass die Spannungen zwischen mir und dieser Frau wegen meiner Nationalität<br />

waren. Es gibt halt gute und schlechte Dinge im Leben. Allgemein ging und geht es bei<br />

uns also nicht darum, aus welchem Land man kommt, oder welche Hautfarbe man hat.<br />

Das heißt in der Tat, dass das keine Rolle spielt. Ich gehe deshalb sehr gerne meiner<br />

Arbeit nach. Ich lerne sehr viel dort. Das ist sehr bereichernd für mich. Früher gab es<br />

Sprachverbände. Jetzt gibt es Integrationskurse.<br />

Hin und wieder spielte ich mit dem Gedanken, meine Arbeit zu wechseln. Das war am<br />

Anfang, denke ich. Ich wollte von dort weggehen. Aber im Laufe der Zeit und<br />

mittlerweile habe ich mich irgendwie an den Ort gewöhnt, und meine Arbeitstelle ist ein<br />

zweites zuhause für mich. Meine Arbeit bedeutet mir sehr viel. Und ich sehe einen Sinn<br />

darin. Es hat sich eine große Leidenschaft entwickelt, so das ich nun bleiben möchte,<br />

vor allem aber deshalb, weil mein Sohn auch größer geworden ist und ich keine<br />

Probleme mehr mit seiner Betreuung habe.<br />

Auf jeden Fall habe ich ein gutes Gefühl zu meiner Arbeit. Ich denke auch nicht, dass es<br />

derzeit so viele Arbeitsplätze gibt, dass man mich überall willkommen heißt, vor allem<br />

in meinem Alter. Derzeit beschäftigt mich eher das Problem der Arbeitslosigkeit in<br />

Deutschland.<br />

Manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen und geriet in leichte Depressionen. Ich<br />

dachte an die vergangene Zeit und an die Flüchtlinge, die nicht mal das Recht hatten zu<br />

sein, wie sie wollten. Ich hatte Glück, dass ich mir schon seit meinem Erlebnis beim<br />

Sozialamt neue Bewältigungsstrategien angeeignet hatte. Ich hatte gelernt, keine<br />

Schwäche zu zeigen, nicht nachzugeben und mich zu beweisen und zu behaupten. Ich<br />

musste stark sein, ich musste allen beweisen, dass auch ein Flüchtling, ja ein Iraner in<br />

der Lage ist, sich positiv zu entwickeln. Nur so könnte ich - wenn überhaupt -<br />

irgendeinem Mitmenschen helfen, dachte ich in derartigen Situationen und war in der<br />

Lage, mich schnell zusammenzunehmen - wenn auch sporadisch. Ich hatte Lust, mich<br />

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