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In eigener Sache... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 19 Juli 2013<br />

Was wäre dem noch hinzuzufügen? Sie stand in der Tat bis<br />

zuletzt mitten im Leben und niemand, der diese Souveränität<br />

ausstrahlende, unverwechselbare Gestalt im Berliner<br />

Ortsteil Friedenau auf der Straße traf, wird unbeeindruckt<br />

geblieben sein. <strong>In</strong> den letzten Jahren schwanden ihre körperlichen<br />

Kräfte, das Gehen machte zusehends Schwierigkeiten,<br />

sie war auf Hilfe,<br />

schließlich auch auf einen<br />

Rollstuhl angewiesen.<br />

Nach einem Sturz in ihrer<br />

Wohnung im Januar 2012<br />

blieb sie gelähmt, woran<br />

auch eine Operation nichts<br />

zu ändern vermochte. Aufopferungsvoll<br />

von ihren<br />

Töchtern und deren Familien<br />

gepflegt, ist sie im<br />

Berliner Pflegeheim Tertianum<br />

am Gründonnertag<br />

2013 gestorben. <strong>In</strong> ihrem<br />

Zimmer stand die Postkarte eines Bildes, das sie schon zu<br />

Weihnachten 1939 als Weihnachtskarte verschickt hatte<br />

und das ihr, wegen der „stillen Hoffnung“, die es ausstrahle,<br />

immer sehr viel bedeutet hatte: Die Madonna mit dem<br />

Alfred Beckmann<br />

(1925 – 2012)<br />

Am 20. Dezember 2012 ist in Stuttgart Alfred Beckmann<br />

gestorben.<br />

Vielleicht erinnern sich nur noch wenige Mitglieder des<br />

ARV an ihn, weil er in den letzten zehn Jahren aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht mehr an unseren Treffen<br />

teilnehmen konnte.<br />

Er wurde Anfang der 90er Jahre, zusammen mit seiner<br />

Frau Gisela, Mitglied des <strong>Verein</strong>s und begleitete seitdem<br />

bis zuletzt dessen Vorhaben und Arbeit immer mit<br />

großer Aufmerksamkeit und besonderer persönlicher<br />

Anteilnahme. Denn er hatte eine hohe Achtung vor der<br />

Selbsttreue und Haltung meines Vaters während der<br />

Nazi-Zeit, mit wachsender Wertschätzung seines gesamten<br />

Lebenswerkes, vielleicht auch deswegen, weil<br />

er selbst eine Nazi-Jugendzeit mit Kriegserfahrung und<br />

russischer Gefangenschaft hinter sich hatte.<br />

Wir waren uns schon 1959 begegnet, als ich gerade erst<br />

- aus Berlin kommend - als Bibliothekarin der Stadtbibliothek<br />

Esslingen a.N. eine "Zweigstelle" auf dem Zollberg,<br />

zuerst konzipiert, dann eingerichtet und zuletzt<br />

eröffnet hatte. - Der Zollberg war damals von der alten,<br />

17<br />

schlafenden Kind von Andrea Mantegna. Die Trauerfeier<br />

fand am 8. April in der Dorfkirche Berlin-Dahlem unter<br />

großer Beteiligung von Vertretern vieler jener Familien<br />

und Namen statt, die den Widerstand geprägt haben. Die<br />

Urne ist beigesetzt am Gedenkkreuz in Imshausen. Hier<br />

hatte sie, wie sie erzählte, einst mit Adam von Trott lange<br />

gestanden. Er habe gesagt,<br />

dass ihm das Bild der von<br />

ihm geliebten Landschaft<br />

noch lange vor Augen stehen<br />

und ihm nach seiner<br />

Rückkehr nach Berlin helfen<br />

werde. Auf dem Rückweg in<br />

das Gutshaus habe er dann<br />

unvermittelt letzte Dinge<br />

angesprochen, so dass ihr<br />

die Bedeutung dieses Tages<br />

schon damals sehr bewusst<br />

gewesen sei. Es sei Adam<br />

von Trott ganz wichtig gewesen,<br />

dass seine mühevoll gewonnenen Einsichten und<br />

Erfahrungen nicht verloren gingen.<br />

hpt<br />

traditionsreichen schwäbischen Reichsstadt als neues<br />

Wohngebiet für viele zugewanderte Flüchtlinge aus den<br />

ehemaligen deutschen Ostgebieten bebaut worden. Und<br />

es gefiel mir sehr, dass man mir die Aufgabe anvertraute,<br />

die Menschen dort von jung bis alt für ihre jeweiligen<br />

Neigungen und <strong>In</strong>teressen mit Büchern zu versorgen..<br />

Und eines Tages standen die Beckmanns vor mir. Er:<br />

riesengroß und kräftig neben seiner zierlichen Frau.<br />

Beide Berliner reinsten Wassers - und mir ging das<br />

Herz auf.<br />

Was dann folgte waren ganz klare und dezidierte Fragen<br />

nach den neuesten literarischen und zeitgeschichtlichen<br />

Büchern. Das wurde spannend für mich, und ich<br />

hatte viel Gewinn davon.<br />

Wir wurden Freunde, auch über die Esslinger Zeit hinaus,<br />

als ich nach München ging und sie nach Stuttgart<br />

zogen. Der Kontakt - auch besuchsweise und ansonsten<br />

korrespondierend und gegen Ende immer häufiger telefonierend<br />

- riss nie ab. Alfreds lebhaftes und oft auch<br />

sehr kritisches <strong>In</strong>teresse an der fortlaufenden bundesrepublikanischen<br />

Politik blieb uns auch weiterhin als<br />

gemeinsames Thema, ebenso, wie bemerkenswerte<br />

Opern- und Theateraufführungen in der BRD, oder Ausstellungen<br />

und auch immer wieder wichtige literarische<br />

Neuerscheinungen. Zuletzt noch vor allem "Dossier<br />

K." von Imre Kertész, das ihn tief bewegte, und Günter<br />

Grass‘ "Beim Häuten der Zwiebel". Als er mir von<br />

der Wirkung des letzteren auf seine eigenen Jugendund<br />

Kriegserinnerungen erzählte, bat ich ihn, ob er mir<br />

diese nicht mal aufschreiben könne, denn davon hätte

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