Juden in Kaunas - Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus
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E<strong>in</strong>satzgruppen der Sicherheitspolizei <strong>und</strong> des Sicherheitsdienstes der SS stachelten zunächst<br />
„e<strong>in</strong>heimische antisemitische Kräfte“ zu Mord <strong>und</strong> Totschlag an. E<strong>in</strong> Oberst des Heeres wurde,<br />
am 27. Juni 1941, <strong>in</strong> Kowno Augenzeuge e<strong>in</strong>es solchen Massakers. Als er an e<strong>in</strong>er Tankstelle<br />
vorbeikam, die „von e<strong>in</strong>er dichten Menschenmenge umlagert“ war, gab es „immer wieder<br />
aufbrausenden Beifall, Bravo-Rufe, Händeklatschen <strong>und</strong> Lachen“. Dann sah der Oberst<br />
den „Totschläger von Kowno“ <strong>in</strong> Aktion: Auf dem Vorplatz dieser Tankstelle stand e<strong>in</strong> mittelgroßer,<br />
blonder <strong>und</strong> etwa 25jähriger Mann, der sich gerade ausruhend auf e<strong>in</strong>en armdicken<br />
Holzprügel stützte, der ihm bis zur Brust reichte. Zu se<strong>in</strong>en Füßen lagen etwa 15 bis 20 Tote<br />
oder Sterbende ... Auf e<strong>in</strong>en kurzen W<strong>in</strong>k trat dann der Nächste schweigend vor <strong>und</strong> wurde<br />
auf die bestialischste Weise mit dem Holzknüppel zu Tode geprügelt, wobei jeder Schlag von<br />
begeisterten Zurufen seitens der Zuschauer begleitet wurde.<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche Aktion beobachtete e<strong>in</strong> Wehrmachtsphotograph <strong>in</strong> Kowno. E<strong>in</strong> junger Litauer,<br />
mit „e<strong>in</strong>er Brechstange bewaffnet“, habe r<strong>und</strong> 50 Menschen unter dem Beifall der Zuschauenden<br />
nache<strong>in</strong>ander „durch e<strong>in</strong>en oder mehrere Hiebe auf den H<strong>in</strong>terkopf“ getötet. „Von diesen<br />
Erschlagenen machte ich e<strong>in</strong>e Reihe Aufnahmen.“<br />
Mit den Aussagen von Tätern <strong>und</strong> Augenzeugen über die ersten <strong>Juden</strong>pogrome im Krieg bis<br />
h<strong>in</strong> zum millionenfachen Massenmord <strong>in</strong> den Vernichtungslagern der Nazizeit dokumentieren<br />
Ernst Klee <strong>und</strong> andere <strong>in</strong> ihrem gerade erschienenen Buch „Schöne Zeiten“ e<strong>in</strong>en bislang<br />
kaum bekannten Aspekt des Holocaust: Der <strong>Juden</strong>mord geschah „weith<strong>in</strong> <strong>in</strong> aller Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> wurde begafft“ (Klee).<br />
Mit zum Teil unveröffentlichten Photos belegt Klee überdies die brutale Vielfalt der Vernichtung<br />
– erschlagen, erschießen, vergasen. Die Amateurphotos <strong>und</strong> Selbstzeugnisse von Überzeugungstätern<br />
<strong>und</strong> neugierigen Wehrmachtsangehörigen zeigen e<strong>in</strong>e Gemütsmischung aus<br />
Mordlust <strong>und</strong> Selbstmitleid.<br />
„Schöne Zeiten“ überschrieb SS-Untersturmführer Kurt Franz, letzter Kommandant des Vernichtungslagers<br />
Trebl<strong>in</strong>ka (m<strong>in</strong>destens 700.000 Tote), e<strong>in</strong>e Seite se<strong>in</strong>es Photoalbums mit Bildern<br />
aus dem KZ. Es war jener Franz, der se<strong>in</strong>en H<strong>und</strong> mit den Worten „Mensch, faß den<br />
H<strong>und</strong>!“ auf Häftl<strong>in</strong>ge hetzte; der Gefangene „mißhandelte, boxte, prügelte <strong>und</strong> tötete, wenn es<br />
ihm Spaß machte“ (Urteil des Landgerichts Düsseldorf).<br />
Zu Wort kommen bei Klee Angehörige von Polizeie<strong>in</strong>heiten, die „natürlich gehörig aufgeräumt“<br />
haben: „e<strong>in</strong>mal Zigeuner <strong>und</strong> e<strong>in</strong> andermal <strong>Juden</strong>, Partisanen <strong>und</strong> sonstiges Ges<strong>in</strong>del“;<br />
das alles waren „Affenmenschen“.<br />
„Wir Männer des neuen Deutschland müssen hart mit uns selbst se<strong>in</strong>“, berichtete brieflich e<strong>in</strong><br />
Meister der Gendarmerie im Juni 1942 aus Kamenez Podolsk (Ukra<strong>in</strong>e) nach Hause, „um für<br />
unsere Nachkommen e<strong>in</strong> schöneres <strong>und</strong> ewiges Deutschland zu bauen.“<br />
„Machen wir uns doch nichts vor“, so e<strong>in</strong> Polizist über Kollegen, die an <strong>Juden</strong>-Massakern<br />
teilnahmen, „das war für die e<strong>in</strong> Fest, da gab es Gold <strong>und</strong> Geld.“<br />
Das mußten die Opfer, wie im September 1941 <strong>in</strong> der Schlucht von Babi-Jar bei Kiew, wo<br />
b<strong>in</strong>nen zwei Tagen 33.771 jüdische Männer, Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der erschossen wurden, selbst<br />
säuberlich sortieren. Auf gesonderten Haufen waren Gepäck, Wertsachen, Mäntel, Schuhe,<br />
Ober- <strong>und</strong> Unterbekleidung abzulegen. E<strong>in</strong> Augenzeuge: „Die entkleideten <strong>Juden</strong> wurden <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Schlucht geleitet, die die Ausmaße von etwa 150 Meter Länge, 30 Meter Breite hatte <strong>und</strong><br />
gut 15 Meter tief war ... Wenn sie am Rande der Schlucht ankamen, wurden sie von Beamten<br />
der Schutzpolizei ergriffen <strong>und</strong> auf bereits erschossene <strong>Juden</strong> gelegt, Dies g<strong>in</strong>g alles sehr<br />
schnell. Die Leichen wurden regelrecht geschichtet. Sowie e<strong>in</strong> Jude dalag, kam e<strong>in</strong> Schütze<br />
von der Schutzpolizei mit der Masch<strong>in</strong>enpistole <strong>und</strong> erschoß den Daliegenden durch Genickschuß<br />
... Sowie e<strong>in</strong> Jude durch e<strong>in</strong>en Schuß tot war, g<strong>in</strong>g der Schütze auf den Leibern der Erschossenen<br />
zum nächsten <strong>in</strong>zwischen h<strong>in</strong>gelegten <strong>Juden</strong> <strong>und</strong> erschoß diesen. So g<strong>in</strong>g das am<br />
laufenden Band, ohne Unterschied zwischen Männern, Frauen <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dern.“<br />
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