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Der Jugoslawienkonflikt - Deutsche-Aussenpolitik.de

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unausweichlichen <strong>de</strong>utschen Dominanz“ 63 gesehen. Von <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik wur<strong>de</strong> also zu<br />

Beginn <strong>de</strong>s Konflikts gleichermaßen Gestaltungswille wie außenpolitische Sensibilität und<br />

Zurückhaltung erwartet. Dieser Erwartungskonflikt, in <strong>de</strong>m die vereinte Bun<strong>de</strong>srepublik ihre<br />

außenpolitische Rolle neu bestimmen muß, ist für das Verständnis <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Außenpolitik in<br />

<strong>de</strong>r Jugoslawienkrise von zentraler Be<strong>de</strong>utung. Mit <strong>de</strong>r Jugoslawienkrise wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik nach <strong>de</strong>m Golfkonflikt zum zweiten mal sicherheitspolitische Entscheidungen<br />

abverlangt, die die politische Elite und die Öffentlichkeit vor ungewohnte Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

stellten. Dabei hatte man während <strong>de</strong>r Golfkrise <strong>de</strong>n hohen Erwartungen <strong>de</strong>r Partner und<br />

Verbün<strong>de</strong>ten an eine verantwortungsvollere Rolle <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik nur unzureichend<br />

entsprechen können. Auch diesen Hintergrund gilt es bei einer Betrachtung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Jugoslawienpolitik mitzuberücksichtigen.<br />

In <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik wur<strong>de</strong> die Krise im ehemaligen Jugoslawien bereits sehr früh als ernstes<br />

Problem erkannt. 64 Für diese beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit – vergleicht man die anfänglich eher<br />

gelassenen Reaktionen in Frankreich, Großbritannien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n USA – ist die exponierte<br />

geostrategische Position <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik mitverantwortlich. Als ein Auseinan<strong>de</strong>rbrechen<br />

unvermeidlich erscheint, sprechen Deutschlands indirekte Interessen für eine „managed<br />

dissolution.“ 65 Das hohe Gewaltpotential konnte Auswirkungen auf die Stabilität in Ostmitteleuropa<br />

haben und damit eine Gefahr für die Bun<strong>de</strong>srepublik in ihrer „uncomfortable<br />

geopolitical position“ 66 darstellen. In <strong>de</strong>r durch einen Bürgerkrieg zu erwarten<strong>de</strong>n<br />

Migrationswelle sah die Bun<strong>de</strong>sregierung nicht nur eine ernsthafte Gefahr, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

Externalisierung <strong>de</strong>r Kosten <strong>de</strong>s serbischen Aggressionskrieges auf die europäische<br />

Staatengemeinschaft. Eine ungestrafte Verletzung elementarer Prinzipien <strong>de</strong>r KSZE-<br />

Schlußakte durch die serbische Aggressionspolitik be<strong>de</strong>utete einen Vertrauensverlust <strong>de</strong>r<br />

multilateralen Institutionen, auf die Deutschland seine außenpolitische Handlungsfreiheit und<br />

Gestaltungspotentiale aufbaut. 67 Weiterhin spielte auch <strong>de</strong>r Einfluß <strong>de</strong>r etwa 500.000 in<br />

Deutschland leben<strong>de</strong>n Kroaten und Slowenen eine wichtige Rolle für die bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utsche<br />

Jugoslawienpolitik in dieser ersten Phase. 68<br />

Zunächst favorisierte die Bun<strong>de</strong>sregierung – wie an<strong>de</strong>re westliche Partner auch – <strong>de</strong>n<br />

Zusammenhalt Jugoslawiens. <strong>Der</strong> Erhalt <strong>de</strong>r staatlichen Einheit wur<strong>de</strong> aber in Bonn, an<strong>de</strong>rs als<br />

in Washington, nicht zum außenpolitischen Dogma erhoben. Bereits im Juli 1991 <strong>de</strong>utete<br />

Bun<strong>de</strong>skanzler Kohl eine Abkehr von <strong>de</strong>r bisherigen, auf Einheit zielen<strong>de</strong>n Politik an. Die<br />

Einheit Jugoslawiens könne nicht mit Waffengewalt aufrecht erhalten wer<strong>de</strong>n. Alle Prinzipien<br />

<strong>de</strong>r KSZE, also auch das Selbstbestimmungsrecht, seien zu beachten. 69 Bei <strong>de</strong>r Frage einer<br />

möglichen Anerkennung sei die Bun<strong>de</strong>sregierung allerdings auf eine Zusammenarbeit mit allen<br />

EG-Partnern angewiesen und müsse „die Interessen <strong>de</strong>r Nachbarn und Freun<strong>de</strong> sehen,“ 70 die<br />

separatistische Strömungen in ihren Staaten hätten. Regierungssprecher Vogel betonte, eine<br />

63 Uwe Nerlich, Sicherheitsinteressen <strong>de</strong>s vereinigten Deutschland, in: Wolfgang Heydrich et al. (Hrsg.),<br />

Sicherheitspolitik Deutschlands: Neue Konstellationen, Risiken, Instrumente. Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1992, S.<br />

787-796, hier S. 792.<br />

64 Vgl. dazu Michael Libal, Germany and Yugoslavia 1991-1992. The Issues, Draft, Center for International<br />

Affairs, Harvard University, Cambridge, MA 1996; und <strong>de</strong>rs., 1994, S. 234ff.<br />

65 Libal, Draft, 1996, S. 5.<br />

66 Libal, Draft, 1996, S. 6<br />

67 Maull, 1995, S. 118f.<br />

68 Vgl. zum Einfluß <strong>de</strong>r jugoslawischen Volksgruppen in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Newhouse, 1992, S. 1191.<br />

69 Vgl. NZZ, 3. Juli 1991.<br />

70 Zitiert nach FAZ, 2.Juli 1991.

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