Der Jugoslawienkonflikt - Deutsche-Aussenpolitik.de
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dann an, sich zum 12. November aus <strong>de</strong>r multilateralen Embargoüberwachung zurückzuziehen<br />
und weiterhin keinen Austausch von Informationen zwischen <strong>de</strong>n eigenen und verbün<strong>de</strong>ten<br />
Geheimdiensten mehr zulassen zu wollen. 217 Clinton rechtfertigte seine Entscheidung als Folge<br />
<strong>de</strong>s Senatsbeschlusses vom August, in <strong>de</strong>m ab <strong>de</strong>m 15. November die Mittel für eine<br />
amerikanische Beteiligung an <strong>de</strong>r Überwachung gestrichen wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Bewertung <strong>de</strong>r ‘Lift and Strike’-Politik<br />
<strong>Der</strong> Versuch, <strong>de</strong>n Bosniern durch eine Aufhebung <strong>de</strong>s Waffenembargos zu ihrem in <strong>de</strong>r UNO-<br />
Charta verbürgten Recht auf Selbstverteidigung zu verhelfen, kann unter<br />
zivilmachti<strong>de</strong>altypischer Sicht nicht notwendigerweise kritisiert wer<strong>de</strong>n. Das ‘Lift and Strike’-<br />
Konzept mag undurchdacht und hilflos anmuten, immerhin wird in dieser Politik die<br />
Überzeugung erkennbar, nicht tatenlos zuzusehen, wie internationale Rechtsnormen<br />
systematisch und nachhaltig verletzt wer<strong>de</strong>n, wenn diplomatische Instrumente dauerhaft<br />
versagen und Zivilisierungsbemühungen <strong>de</strong>r internationalen Staatengemeinschaft nicht<br />
zustan<strong>de</strong> kommen. Dieses Bekenntnis zu einer wertgebun<strong>de</strong>nen Außenpolitik und <strong>de</strong>r darin<br />
erkennbare Sendungsgedanke (Zivilmachtkategorie 4.2) geht einher mit <strong>de</strong>r Gegenkategorie,<br />
wonach ein nachhaltiges Engagement <strong>de</strong>s Akteurs – in diesem Fall die Entsendung<br />
amerikanischer Bo<strong>de</strong>ntruppen als Teil <strong>de</strong>r UNPROFOR – ausgeschlossen wird, wenn vitale<br />
nationale Interessen nicht betroffen sind. Damit zeigt sich auch <strong>de</strong>utlich wie<strong>de</strong>r die Ambivalenz<br />
amerikanischer Zivilmachtpolitik: Die ‘Lift and Strike’-Option sollte ja gera<strong>de</strong> dazu dienen, ein<br />
stärkeres militärisches Eigenengagement <strong>de</strong>r USA zu umgehen. Einschränkend muß<br />
festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r Vorwurf, sich nicht zu einem früheren Zeitpunkt in einer<br />
multilateralen Koalition zu einer glaubwürdigen militärischen Antwort auf die serbische<br />
Aggression entschlossen zu haben, alle westlichen Verbün<strong>de</strong>ten gleichermaßen trifft. Auffällig<br />
wird hier auch, daß im Vergleich zur Bun<strong>de</strong>srepublik, aber auch zu an<strong>de</strong>ren NATO-Partnern,<br />
die USA ihre Präferenz für und ihr Vertrauen in militärische Konfliktlösungsmechanismen<br />
bereits sehr früh <strong>de</strong>monstriert haben. Diese Tatsache zusammen mit <strong>de</strong>r später erfolgten<br />
Wie<strong>de</strong>rbewaffnung <strong>de</strong>r bosnischen Muslime zur Schaffung eines regionalen<br />
Machtgleichgewichts zeugen letztlich von einer eher traditionell und militärisch orientierten<br />
Kultur <strong>de</strong>r Konfliktlösung. 218<br />
Diplomaten <strong>de</strong>r Vereinten Nationen bezeichneten die Entscheidung <strong>de</strong>r USA als Ursache für<br />
eine transatlantische Krise. Auf <strong>de</strong>r WEU-Außenministertagung vom 14. November wur<strong>de</strong> die<br />
amerikanische Politik als Bruch <strong>de</strong>r transatlantischen Allianz bezeichnet. De facto erkannten<br />
Kommentatoren allerdings, daß die Entscheidung keinerlei Auswirkungen auf die Versorgung<br />
<strong>de</strong>r Bosnier mit Waffen jedwe<strong>de</strong>r Art haben wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn nach Berichten <strong>de</strong>r NYT von Anfang<br />
November war das Embargo bereits seit längerer Zeit nicht mehr wirksam. Eine Sprecherin <strong>de</strong>s<br />
U.S.-Außenministeriums führte die jüngsten militärischen Erfolge <strong>de</strong>r bosnischen Armee auf<br />
illegale Waffenlieferungen zurück, die nach Angaben von Geheimdiensten und <strong>de</strong>s kroatischen<br />
Verteidigungsministers Susak aus Kroatien, Polen, Bulgarien und Rußland kämen. 219 Später<br />
wur<strong>de</strong> bekannt, daß die USA bereits seit April 1994 von illegalen Waffenlieferungen an die<br />
217 Vgl. dazu Bosnia-Hercegovina: Summary of the Debate On Unilateral Lifting of the Arms Embarg. CRS<br />
Report for Congress No. 95-477F by Steven Woehrel, Congressional Research Service, The Library of<br />
Congress, Washington, April 12, 1995, S. 6.<br />
218 An dieser Stelle wird nicht bewertet, ob eine begrenzt militärisch orientierte Konfliktlösungsstrategie<br />
letztlich nicht doch erfolgreich gewesen ist. Hier geht es lediglich um eine Evaluierung unter<br />
i<strong>de</strong>altypischen Gesichtspunkten!<br />
219 Vgl. Archiv <strong>de</strong>r Gegenwart vom 21. November 1994, S. 39497.