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Der Jugoslawienkonflikt - Deutsche-Aussenpolitik.de

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Sicherheitsexperten propagiert 202 und konturierte sich, als die bosnischen Serben im April 1993<br />

das Ultimatum zur Annahme <strong>de</strong>s Genfer Frie<strong>de</strong>nsplanes (Vance-Owen-Plan) verstreichen<br />

ließen. Zwar hatte Clinton sie schon während <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>ntschaftswahlkampfs gefor<strong>de</strong>rt, ‘lift<br />

and strike’ wur<strong>de</strong> allerdings zunächst nicht als offizielle Politik, son<strong>de</strong>rn über die Medien und<br />

in An<strong>de</strong>utungen („alle Optionen durch<strong>de</strong>nken“, „stärkere Maßnahmen“, „Möglichkeiten, die<br />

bis vor kurzem noch nicht akzeptabel waren“) lanciert. 203 <strong>Der</strong> innenpolitische Druck und die<br />

Dynamik <strong>de</strong>r Ereignisse reichten jedoch nicht aus, um Präsi<strong>de</strong>nt Clinton zu einem unilateralen<br />

Vorgehen zu bewegen. Zu<strong>de</strong>m gab es mit Generalstabschef Colin Powell und Außenminister<br />

Christopher auch eine starke Allianz gegen das Konzept. Somit blieb es zunächst bei einem<br />

„auf Konsensfindung durch Konsultationen beruhen<strong>de</strong>n multilateralen Ansatz.“ 204 Bevor man<br />

mit <strong>de</strong>m Konzept an die Öffentlichkeit ging, wollte man sich erst die Unterstützung <strong>de</strong>r<br />

Europäer sichern. Anfang Mai 1993 reiste ein wohl nur halbherzig entschlossener<br />

Außenminister Christopher nach Europa, um die Verbün<strong>de</strong>ten zu konsultieren. Am 6. Mai traf<br />

er in Brüssel NATO-Generalsekretär Wörner und die 16 NATO-Botschafter. Während seiner<br />

Treffen wies das serbische Parlament in Pale <strong>de</strong>n Vance-Owen-Plan endgültig zurück. Die<br />

Europäer, allen voran Franzosen und Englän<strong>de</strong>r, erkannten, daß Amerika nicht bereit war, <strong>de</strong>n<br />

‘lift and strike’-Plan durch eine eigene Führungsrolle zu ergänzen 205 und lehnten <strong>de</strong>n Vorschlag<br />

am 10. Mai ab. Lediglich die Bun<strong>de</strong>srepublik unterstützte Christophers Anliegen. Bei<strong>de</strong> Seiten<br />

warfen sich gegenseitig <strong>de</strong>struktives Verhalten vor. In Europa for<strong>de</strong>rte man mit <strong>de</strong>r Beteiligung<br />

amerikanischer Bo<strong>de</strong>ntruppen eine gerechtere Teilung <strong>de</strong>r Risiken, die USA lamentierten über<br />

die Zögerlichkeit <strong>de</strong>r Alliierten. 206 In Washington herrschte Frustration über ein irrationales<br />

Verständnis <strong>de</strong>r Europäer vom Krieg als Mittel <strong>de</strong>r Politik: für die EG schien je<strong>de</strong>s Resultat<br />

<strong>de</strong>s internationalen Konfliktmanagements gut, solange es nur auf friedlichem Wege und ohne<br />

<strong>de</strong>n Einsatz von Gewalt zu erreichen war. 207 Nach <strong>de</strong>r gescheiterten Christopher-Reise wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r ‘lift and strike’-Ansatz von <strong>de</strong>r Clinton-Administration auf Eis gelegt, nach<strong>de</strong>m im Juni ein<br />

weiterer Versuch, <strong>de</strong>n UNO-Sicherheitsrat zu einer Aufhebung <strong>de</strong>s Waffenembargos zu<br />

bewegen, fehlgeschlagen war. 208 In <strong>de</strong>r Folge gab es zahlreiche Spekulationen über die<br />

Entschlossenheit <strong>de</strong>r Administration und die Ernsthaftigkeit <strong>de</strong>r Bemühungen Außenminister<br />

Christophers, die Europäer wirklich für ihren Vorschlag zu gewinnen. Es blieb am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Eindruck amerikanischer Halbherzigkeit und Unentschlossenheit. 209 Die Schwächen <strong>de</strong>s ‘lift<br />

and strike’-Ansatzes 210 zusammen mit <strong>de</strong>n falschen Signalen, die durch eine am En<strong>de</strong><br />

unglaubwürdige Gewaltandrohung an die Serben ausgesen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n 211 machten die<br />

amerikanische Initiative am En<strong>de</strong> kontraproduktiv für <strong>de</strong>n Vermittlungsprozeß. Hier zeigt sich,<br />

daß die Kategorie 1.1 (initiator) nur dann wirklich positiv im Sinne <strong>de</strong>s Zivilmachtgedankens<br />

wirken kann, wenn eine Führungsrolle auch entschlossen umgesetzt und durch an<strong>de</strong>re<br />

202 Vgl. beispielsweise Albert Wohlstetter, Bosnien ist nicht Geschichte, son<strong>de</strong>rn Zukunft, in: FAZ, 10. August<br />

1993.<br />

203 Vgl. für Quellen dieser ominösen An<strong>de</strong>utungen Paulsen, 1995, S. 129f.<br />

204 Paulsen, 1994, S. 18.<br />

205 Vgl. Cohen, 1995, S. 282<br />

206 Vgl. Schild, 1996, S. 27ff.<br />

207 Vgl. für diesen Vorwurf <strong>de</strong>n Literaturbericht von Marten van Heuven, Un<strong>de</strong>rstanding the Balkan Breakup,<br />

in: Foreign Policy, Nr. 103, Summer 1996, S. 175-188, hier S. 179.<br />

208 Vgl. Albright: Do Not Deny Weapons to Sarajevo Government, USPIT, No. 69, July 2, 1993, S. 9-10.<br />

209 Vgl. die Darstellung bei Paulsen, 1995, S. 132-137.<br />

210 Maull, 1995, S. 110 hat auf die Probleme Neutralität vs. Parteiergreifung hingewiesen.<br />

211 Cohen, 1995, S. 284.

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