die mundart des fürstentums liechtenstein - eLiechtensteinensia
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Schreibung laut wird. Es scheint jedoch äusserst<br />
fraglich, ob es sinnvoll ist, der Mundart auch in der<br />
Schriftlichkeit den Weg der Ausdehnung weiter zu<br />
ebnen. Aus der Schweiz und dem benachbarten<br />
Ausland gibt es Stimmen, <strong>die</strong> davor warnen, mit<br />
dem Vordringen der Mundart in verschiedenste Bereiche<br />
gleichzeitig auch einer sprachlichen Isolation<br />
Vorschub zu leisten. 19<br />
Eine Untersuchung der<br />
schriftlichen Verwendung der Mundart findet in<br />
<strong>die</strong>ser Arbeit nur nebenbei statt. Daher wird im folgenden<br />
ohne weiteren Hinweis unter Mundartgebrauch<br />
immer <strong>die</strong> verbale Verwendung verstanden.<br />
Die Sprachproduktion ist, wie oben ausgeführt,<br />
abhängig von sozialen Faktoren. 20<br />
Die Varietätenwahl<br />
wird induziert durch aussersprachliche, nicht<br />
linguistische Rededeterminanten aus dem sozialen<br />
und situativen Bereich. Die Wissenschaft hat in den<br />
vergangenen Jahrzehnten Untersuchungsansätze<br />
geschaffen, <strong>die</strong> neben der Theorie der medialen<br />
Diglossie helfen, <strong>die</strong> Bedingungen von Sprachwahl<br />
und Sprachvariation und deren gesellschaftliche<br />
Determination zu erklären. Es sind <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Begriffe<br />
<strong>des</strong> Code-switching und der Domänen 21<br />
und <strong>die</strong><br />
damit verbundenen Theorien.<br />
2.3.<br />
CODE-SWITCHING<br />
Rund 98 Prozent von über 540 Befragten gaben auf<br />
<strong>die</strong> Frage: «Wie reagieren Sie, wenn Sie mit jemandem<br />
ins Gespräch kommen, der ausschliesslich<br />
Hochdeutsch spricht und den Liechtensteiner Dialekt<br />
schlecht versteht?» <strong>die</strong> Antwort, dass sie sich<br />
anpassen und Hochdeutsch sprechen. Grundsätzlich<br />
beherrschen alle Mundartsprecher Liechtensteins<br />
auch das Standarddeutsch. Teilnehmende<br />
Beobachtungen und Befragungen haben ergeben,<br />
dass viele auch dann gerne zum Standardcode<br />
wechseln, wenn sie wissen, dass der Kommunikationspartner<br />
den Dialekt Liechtensteins versteht,<br />
dass also ein Wechsel aus Verständigungsgründen<br />
nicht notwendig wäre. Die Bereitschaft der <strong>liechtenstein</strong>ischen<br />
Bevölkerung, Standard zu sprechen,<br />
DIE MUNDART DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN<br />
ROMAN BANZER<br />
ist sehr hoch, wenn Einheimische in sprachlichen<br />
Kontakt mit Personen kommen, von denen angenommen<br />
werden muss, dass sie <strong>die</strong> Mundart<br />
Liechtensteins nicht sprechen. Die Mundart Liechtensteins<br />
kennt hier den stehenden Ausdruck<br />
«nach der Schrift reden».<br />
Allgemein wird unter Code-switching <strong>die</strong> Fähigkeit<br />
der Sprecher verstanden, nach Anforderung<br />
der Sprechsituation aus einem Katalog mit mehreren,<br />
min<strong>des</strong>tens aber zwei Varietäten, eben jene zu<br />
wählen, <strong>die</strong> den geforderten situativ-sozialen Bedingungen<br />
maximal entspricht. Poplack/Sankoff 22<br />
unterscheiden verschiedene Arten <strong>des</strong> Code-switching,<br />
<strong>die</strong> allerdings auf <strong>die</strong> kanadische Gesellschaft<br />
zugeschnitten sind. Sie unterstellen beispielsweise<br />
auch fremde Einschübe (a) der Varietät<br />
A in <strong>die</strong> Varietät B dem Code-switching. Z.B.: «Also<br />
wenn i doo draa denk, dann sollte man meiner<br />
Meinung nach, scho ned a so dumm sii und nüüt<br />
tue.» Diese Fälle möchten wir nicht untersuchen,<br />
obwohl sie auch zum Code-switching gehören. Wir<br />
untersuchen jene Sprechsituationen, in denen der<br />
Sprecher, den Normen der Sprachwahl entsprechend,<br />
für eine längere Dauer - min<strong>des</strong>tens aber so<br />
lange, bis sich <strong>die</strong> Rededeterminanten verändern -<br />
Mundart oder Standard wählt. Natürlich kann der<br />
Wechsel innerhalb eines Gesprächs unvermittelt<br />
und wiederholt geschehen. Man denke als Beispiel<br />
etwa an ein Telephongespräch mit einem Hochdeutschsprechenden<br />
und <strong>die</strong> gleichzeitig stattfindenden<br />
Rückfragen an einen Mundartsprecher, der<br />
beim Gespräch anwesend ist. Den Auslösebedingungen<br />
für <strong>die</strong>sen Registerwechsel wurde in der<br />
Forschung viel Zeit gewidmet. Dabei muss beachtet<br />
werden, dass der Wechsel verschiedene Funktionen<br />
haben kann, nämlich <strong>die</strong> metaphorische und<br />
<strong>die</strong> situative. Die metaphorische Funktion <strong>die</strong>nt<br />
«...z.B. Wechsel von Humor zu Ernst, von Übereinstimmung<br />
zu Meinungsverschiedenheit, vom Unwesentlichen<br />
oder Zweitrangigen zum Wesentlichen<br />
oder Primären ...» (Fishman 1975, S. 43). Es<br />
wird sich in der Untersuchung zeigen, dass <strong>die</strong>se<br />
Funktion vor allem in den Schulen ihre Aufgaben<br />
hat und ganz bewusst eingesetzt wird. Dieser metaphorische<br />
Wechsel ist nach Fishman jedoch nur<br />
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