Elektronenmikroskopische Untersuchungen des Polymer/Mineral ...
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<strong>Elektronenmikroskopische</strong> <strong>Untersuchungen</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Polymer</strong>/<strong>Mineral</strong> - Verbundmaterials<br />
Perlmutt<br />
Diplomarbeit<br />
von<br />
Katharina Gries<br />
Begutachtung:<br />
Prof. Dr. Monika Fritz<br />
Prof. Dr. Andreas Rosenauer<br />
Universität Bremen<br />
3. September 2007
Diese Arbeit wurde in den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Monika Fritz und<br />
Prof. Dr. Andreas Rosenauer in den Instituten für Biophysik und Festkörperphysik in<br />
der Universität Bremen angefertigt.<br />
Erklärung gemäß §24 (1), DPO vom 25.04.2001<br />
Ich versichere, dass ich die hier vorliegende Arbeit selbstständig und ohne unerlaubte<br />
Hilfe angefertigt habe. Ich habe keine anderen als die von mir angegebenen Quellen oder<br />
Hilfmittel benutzt. Alle wörtlich oder sinngemäß den Schriften anderer Autoren<br />
übernommenen Textstellen habe ich in entsprechender Weise kenntlich gemacht. Die<br />
Arbeit darf nach Abgabe nicht mehr verändert werden.<br />
Bremen, 3. September 2007<br />
(Katharina Gries)
INHALTSVERZEICHNIS I<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung 1<br />
2 Kristallographische und biologische Grundlagen 5<br />
2.1 Kristallographische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.1.1 Das Kristallgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2.1.2 Modifikationen <strong>des</strong> Kalziumkarbonats . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
2.2 Aufbau und Struktur <strong>des</strong> Seeohrs Haliotis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
2.2.1 Schalenaufbau und -wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
2.2.2 Perlmuttschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2.2.3 Aragonitanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
2.2.4 Organische Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
3 Grundlagen der experimentellen Methoden 13<br />
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
3.1.1 Elektronen als Welle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
3.1.2 Aufbau eines TEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
3.1.3 Linsenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
3.1.4 Bildentstehung im TEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
3.1.4.1 Beugungskontrast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
3.1.4.2 Phasenkontrast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
3.1.4.3 Z - Kontrast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.1.5 Experimentelles Vorgehen am TEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3.1.6 Chemische Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
3.1.6.1 Elektronenenergieverlustanalytik . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
3.1.6.2 Energiedispersive Röntgenanalytik EDX . . . . . . . . . . 32<br />
3.1.7 Elektronentomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
3.1.8 Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3.1.8.1 Präparation mittels Muldenschleifgerät und PIPS (preci-<br />
sion ion polishing system) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
3.1.8.2 Präparation mittels FIB (focused ion beam) . . . . . . . . 37<br />
3.1.8.3 Weitere Präparationsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
3.2 Raster-Elektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
3.3 Wachstumsexperimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />
4 Ergebnisse und Diskussion 41<br />
4.1 Untersuchung der Wachstumsfront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen . . . . . . . . . . . . 45<br />
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
II INHALTSVERZEICHNIS<br />
4.3.1 <strong>Mineral</strong>brücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
4.3.1.1 Tomographieuntersuchungen der <strong>Mineral</strong>brücken . . . . . 55<br />
4.3.1.2 HRTEM <strong>Untersuchungen</strong> an <strong>Mineral</strong>brücken . . . . . . . . 58<br />
4.3.2 Resultate der <strong>Untersuchungen</strong> an Nanoporen . . . . . . . . . . . . . 62<br />
4.3.2.1 Resultate der Z - Kontrast <strong>Untersuchungen</strong> . . . . . . . . . 62<br />
4.3.2.2 Resultate der chemischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
4.3.2.3 Tomographieuntersuchungen der Nanoporen . . . . . . . . 73<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick 83<br />
6 Anhang 87<br />
6.1 Liste der verwendeten Geräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
6.2 zu Abschnitt 4.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
Literatur 89
1 Einleitung<br />
Perlmutt, das Material, aus dem die innere, schimmernde Schicht (siehe Abb. 1) der<br />
Schalen vieler Schnecken und Muscheln aufgebaut ist, entsteht durch Biomineralisations-<br />
prozesse. Unter dem Begriff Biomineralisation versteht man die natürlichen Prozesse, bei<br />
denen lebende Organismen aus bioorganischen und anorganischen, kristallinen Stoffen<br />
Verbundmaterialien bilden, die im Nanometerbereich eine hohe Ordnung aufweisen.<br />
Beispiele für dabei verwendete <strong>Mineral</strong>ien sind Kalziumkarbonat CaCO3, Siliziumdioxid<br />
SiO2 und Hydroxylapatit. Kalziumkarbonat spielt bei der Bildung von Schnecken- und<br />
Muschelschalen und Korallen eine wesentliche Rolle; Siliziumdioxid tritt in Kieselalgen<br />
und einigen Bakterien auf und Hydroxylapatit macht einen großen Anteil <strong>des</strong> anorgani-<br />
schen Materials in Knochen aus.<br />
Durch die Kombination solcher <strong>Mineral</strong>ien mit organischen Stoffen wird ein Verbund-<br />
material gebildet, das sehr viel stabiler und elastischer ist als das Volumenmaterial <strong>des</strong><br />
<strong>Mineral</strong>s. Somit eignet sich ein solches Material vor allem für schützende und stützende<br />
Strukturen.<br />
(a) (b)<br />
Abb. 1: Schale einer Schnecke der Gattung Haliotis laevigata. (a) In der Innenseite der Schale<br />
liegende, schimmernde Perlmuttschicht. (b) Aus Calcit bestehende Außenseite der Schale.<br />
Der mineralische Anteil <strong>des</strong> Verbundmaterials Perlmutt besteht aus dem CaCO3 -<br />
Polymorph Aragonit. Dieses liegt in Form pseudohexagonaler [1] Plättchen (Durchmesser:<br />
(5 - 10)µm, Dicke: 500 nm) vor, die in organisches Material, die organische Matrix, einge-<br />
bettet sind. Der Aufbau <strong>des</strong> Perlmutts ist vergleichbar mit dem einer Ziegelsteinmauer:<br />
Die ” Steine“ bestehen aus Aragonit und der ” Mörtel“ aus organischem Material. Diese<br />
besondere Struktur <strong>des</strong> Perlmutt bestimmt sein mechanisches Verhalten in einem hohen<br />
Maße. Durch den Verbund <strong>des</strong> harten, jedoch brüchigen Aragonits mit dem weichen, aber<br />
elastischen organischen Material besitzt Perlmutt eine etwa drei Größenordnungen höhere<br />
Bruchfestigkeit als purer Aragonit [2]. Sein Elastizitätsmodul liegt zwischen 50 GPa und<br />
70 GPa ([3, 4]). Durch die Komposition von <strong>Mineral</strong> und organischen Schichten ist es der<br />
1
2 1 EINLEITUNG<br />
Natur gelungen ein Material zu erzeugen, das optimal als Schutz für den weichen Schne-<br />
ckenkörper dienen kann.<br />
Der interessante Aufbau <strong>des</strong> Perlmutts und die damit verbundenen besonderen Eigenschaf-<br />
ten <strong>des</strong> Verbundmaterials haben es schon früh zu einem Gegenstand wissenschaftlicher<br />
<strong>Untersuchungen</strong> gemacht.<br />
Ziel aller <strong>Untersuchungen</strong> ist die Gewinnung neuer Erkenntnisse über den Aufbau <strong>des</strong> Ma-<br />
terials und die Mechanismen der Entstehungsprozesse, bei denen so hochgradig geordnete<br />
Materialen wie Perlmutt erzeugt werden. Nur ein tiefer gehen<strong>des</strong> Verständnis von Aufbau<br />
und Wachstum kann eine spätere technische Nachahmung der Materialien hervorbrin-<br />
gen. In den künstlich erstellten Verbundmaterialien würden Vorzüge der Biomineralien<br />
wie Bruchfestigkeit, Ungiftigkeit und Korrosionsbeständigkeit zum Tragen kommen. Im<br />
Gegensatz zu der Fabrikation herkömmlicher Keramiken müssten außerdem keine hohen<br />
Drücke und Temperaturen aufgebracht werden. Die Produktion würde somit einfacher<br />
und kostengünstiger werden. Es existiert eine Vielzahl möglicher Anwendungen. Dazu<br />
zählen Dental- und Knochenimplantate [5], korrosionsresistente Beschichtungen für Ge-<br />
genstände, die langfristig Seewasser ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Schiffsrümpfe, sowie<br />
mehrlagige Beschichtungen für Wände, die nach Abtragung der obersten Lage eine sau-<br />
bere Oberfläche hinterlassen.<br />
Des Weiteren könnten <strong>Untersuchungen</strong> der Schalen freilebender Schnecken Aufschluss<br />
über Einflüsse der Umwelt auf das Schalenwachstum liefern. Veränderungen der Schale<br />
könnten als Indikator für Veränderungen <strong>des</strong> Ökosystems dienen.<br />
Bereits 1961 erschien eine umfangreiche Veröffentlichung von Wada [6], in der die mine-<br />
ralischen Bestandteile, die Struktur und das Wachstum der Schale behandelt wurden.<br />
In den letzten zwanzig Jahren kam es dann zu einer raschen Zunahme der<br />
Veröffentlichungen und der Arbeitsgruppen, die sich mit dem Material Perlmutt<br />
beschäftigen:<br />
• Die Publikationen von Currey ([7]), Jackson et al. ([2, 8]), Evans et al. ([4]), Bar-<br />
thelat et al. ([9, 10]) und D. und K. Katti ([3, 11, 12]) behandeln das mechanische<br />
Verhalten von Perlmutt.<br />
• In Perlmutt enthaltene Proteine und die Zusammensetzung der organischen Matrix<br />
wurden unter anderem in den Veröffentlichungen von Weiner ([13]), Blank et al.<br />
([1]) und Weiss et al. ([14]) behandelt.<br />
• Mit der Mikrostruktur <strong>des</strong> Perlmutts und dort speziell mit <strong>Mineral</strong>brücken<br />
beschäftigten sich Velázquez-Castillo et al. ([15, 16]) und Song et al. ([17, 18, 19]).<br />
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Mikrostruktur <strong>des</strong> Perlmutts der Seeohren Haliotis<br />
laevigata und Haliotis tuberculata untersucht.<br />
Seeohren, auch bekannt unter dem aus dem Englischen stammenden Begriff Abalone, sind<br />
Meeresschnecken, die in fast allen warmen Meeren heimisch sind. Sie gehören dem Stamm<br />
der Mollusca (Weichtiere) und der Klasse der Gastropoda (Schnecken) an. Der weiche
Körper der Molluske wird von der Schale vor Angreifern und Verletzungen geschützt. Sie<br />
ist über einen Muskel mit dem Körper verbunden und besteht aus einer äußeren Calcit-<br />
und der inneren Perlmuttschicht, die sich aus Aragonit und organischen Molekülen zu-<br />
sammensetzt. Die Schale ist ein gutes Beispiel für biogene Verbundmaterialien, bestehend<br />
aus kristallisierten, anorganischen Molekülen, die aus dem Seewasser stammen und orga-<br />
nischem Material, das von der Schnecke sekretiert wird.<br />
Je nach Schneckenart treten die Schalen in vielen verschiedenen Farben und Formen auf.<br />
Ihr prinzipieller Aufbau ist jedoch in allen Fällen sehr ähnlich. Im Fall der untersuchten<br />
Haliotis laevigata hat die Schale eine ovale, abgeflachte Gestalt und eine Länge zwischen<br />
etwa (13 - 17)cm.<br />
Die vorrangige Untersuchungsmethode ist die Transmissions-Elektronenmikrokopie, die<br />
aufgrund <strong>des</strong> hohen Auflösungsvermögens <strong>Untersuchungen</strong> einer Kristallstruktur im<br />
atomaren bzw. molekularen Bereich erlaubt. Die Auswertung mittels Feinbereichsbeu-<br />
gung erstellter Beugungsbilder erlaubt eine Aussage über die Orientierungen kristal-<br />
liner Probenbereiche, wie der Aragonitplättchen. Auf diese Weise kann die Korre-<br />
lation übereinander liegender Plättchen untersucht werden. Eine Analyse der kris-<br />
tallinen Struktur der <strong>Mineral</strong>brücken wird anhand hochauflösender Transmissions-<br />
Elektronenmikroskopie (HRTEM) durchgeführt. Zur Untersuchung der Nanoporen, die<br />
sich innerhalb der Aragonitplättchen befinden, werden verschiedene Methoden angewandt:<br />
Eine Analyse der chemischen Zusammensetzung der Nanoporen wird durch die Aufnah-<br />
me und Auswertung von EDX (energy dispersive X-ray) und EELS (electron energy loss<br />
spectroscopy) Spektren ermöglicht und die Durchführung von elektronentomographischen<br />
Messungen liefert Aufschluss über die Größe und die räumliche Verteilung der Nanoporen.<br />
3
2 Kristallographische und biologische Grundlagen<br />
2.1 Kristallographische Grundlagen<br />
In diesem Abschnitt werden kristallographische Grundlagen, die für das weitere<br />
Verständnis der Arbeit notwendig sind, erläutert. Des Weiteren werden die Kristallstruk-<br />
turen einiger Polymorphe <strong>des</strong> Kalziumkarbonats vorgestellt.<br />
2.1.1 Das Kristallgitter<br />
Die atomaren Bausteine eines Kristalls weisen in alle drei Raumrichtungen eine Fernord-<br />
nung auf. Zusammensetzen lässt sich ein Kristall aus den Elementarzellen. Diese stellen<br />
die kleinste Volumeneinheit dar, aus der durch wiederholtes Aneinanderfügen der gesamte<br />
Kristall erzeugt werden kann. Im Realraum wird die Elementarzelle eines Kristallgitters<br />
von den drei Basisvektoren a, b und c aufgespannt.<br />
Für viele <strong>Untersuchungen</strong> und besonders für das Verständnis der Bedeutung von Beu-<br />
gungsbildern ist es zweckmäßig, das reziproke Gitter einzuführen. Dieses wird durch die<br />
Vektoren a ∗ , b ∗ und c ∗ gegeben, die definiert sind über:<br />
a ∗ = b ×c<br />
a · ( b ×c)<br />
b ∗ =<br />
c ×a<br />
b · (c ×a)<br />
c ∗ = a × b<br />
c · (a × b)<br />
Ein allgemeiner Vektor g <strong>des</strong> reziproken Gitters hat die Form:<br />
5<br />
(1)<br />
(2)<br />
(3)<br />
g = ha ∗ + k b ∗ + lc ∗ . (4)<br />
h, k und l sind die Millerschen Indizes. Sie werden eingeführt um Netzebenen, d.h.<br />
Ebenen im Kristall, die mit Gitterpunkten besetzt sind, zu charakterisieren. Um die<br />
Millerschen Indizes zu erhalten, nimmt man die Kehrwerte der Maßzahlen der Ach-<br />
senabschnitte 1 . Die kleinsten ganzen Zahlen, die im gleichen Verhältnis zueinander<br />
stehen wie diese Kehrwerte, bilden die Millerschen Indizes hkl. Werden sie in eckigen<br />
Klammern dargestellt [hkl] beschreiben sie eine spezifische Richtung, in spitzen Klammer<br />
〈hkl〉 die Gesamtheit aller kristallographisch gleichwertigen Richtungen, in runden<br />
Klammern (hkl) eine spezifische Ebene und in geschweiften Klammern {hkl} die Schar<br />
der kristallographisch gleichwertigen Ebenen.<br />
1 Die Achsenabschnitte werden in Einheiten der Gitterkonstanten angegeben.
6 2 KRISTALLOGRAPHISCHE UND BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN<br />
Für den Netzebenenabstand d gilt:<br />
2.1.2 Modifikationen <strong>des</strong> Kalziumkarbonats<br />
d = 1<br />
. (5)<br />
|g|<br />
Da Schneckenschalen hauptsächlich aus Kalziumkarbonaten aufgebaut sind, ist es<br />
unumgänglich, sich mit diesem Material auseinanderzusetzen.<br />
Kalziumkarbonat CaCO3 tritt in einer Vielzahl von Polymorphen auf. Diese besitzen<br />
die gleiche chemische Struktur, jedoch unterschiedliche Anordnungen der Atome im<br />
Kristallgitter. Drei der CaCO3 - Polymorphe existieren in einer wasserfreien, kristallinen<br />
Form: Vaterit, Calcit und Aragonit. Des Weiteren gibt es zwei hydratisierte, kristalline<br />
Polymorphe, sowie eine amorphe Form <strong>des</strong> Kalziumkarbonats, die jedoch nicht weiter<br />
betrachtet werden.<br />
Vaterit besitzt eine hexagonale Einheitszelle [20] (Abb. 2 (2)) und ist von den drei<br />
erstgenannten Polymorphen thermodynamisch am instabilsten. In der Natur kommt<br />
es als geringer Anteil in manchen biomineralisierten Strukturen vor, jedoch nicht in<br />
geologischen Gesteinen [21].<br />
Calcit besitzt ein trigonales Kristallsystem (Abb. 2 (3)), weist eine Dichte von<br />
(2,6 - 2,8)g/cm 3 [22] auf (abhängig vom Grad der Verunreinigung), besitzt eine hohe<br />
Spaltbarkeit entlang der (10¯11)-Ebene 2 und ist thermodynamisch am stabilsten. Der<br />
Kristall besitzt doppelbrechende Eigenschaften. Calcit ist eines der in der Natur am<br />
weitest verbreiteten <strong>Mineral</strong>ien. Es ist der Hauptbestandteil von Kalkstein und Marmor<br />
und eine Komponente von magmatischen und Sediment-Gesteinen [20]. Zudem bestehen<br />
einige Schichten in den Schalen von Meeresschnecken aus Calcit. Ein anderes aus der Bio-<br />
logie stammen<strong>des</strong> Beispiel bilden die Kapseln von Seeigeln, die aus Calcit-Einkristallen<br />
aufgebaut sind.<br />
Aragonit hat ein Vorkommen in vulkanischem Gestein, entsteht als Ausfällung heißer<br />
Quellen oder im Meerwasser bei hohen Temperaturen (z.B. im Roten Meer) und ist<br />
außerdem ein wichtiger Bestandteil der Schalen vieler Muscheln und Schnecken. Es<br />
besitzt eine Dichte von 2.95 g/cm 3 [22], weist keine ausgezeichneten Spaltebenen auf und<br />
wird durch eine orthorhombische Einheitszelle (Abb. 2 (4)) beschrieben. Diese besitzt die<br />
Gitterkonstanten [23]: a = 0,5743 nm, b = 0,4962 nm, c = 0,7969nm.<br />
Die zugehörige Raumgruppe lautet: Pnma 62.<br />
Die Ortskoordinaten der Positionen der in der Einheitszelle von Aragonit enthaltenen<br />
nicht äquivalenten Atome [23] sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />
2 Die Ebene ist in der Miller Bravias Indizierung angegeben, die für hexagonale und trigonale Kris-<br />
tallsysteme Anwendung findet.
2.1 Kristallographische Grundlagen 7<br />
Der Netzebenenabstand lässt sich für ein orthorhombisches Kristallsystem aus<br />
d =<br />
q<br />
1<br />
h2 k2 l2<br />
a2 +<br />
b2 +<br />
c2 berechnen.<br />
Ca C O O<br />
x 0,75985 -0,0823 -0,09453 -0,08725<br />
y 0,25 0,25 0,25 0,47499<br />
z 0,41502 0,7619 0,92238 0,68013<br />
Tabelle 1: Ortskoordinaten der Positionen der nicht äquivalenten Atome in der Einheitszelle<br />
von Aragonit.<br />
Abb. 2: (1) Kristallachsen eines<br />
Bravaisgitters mit den Gitter-<br />
konstanten a, b und c und den<br />
Achsenwinkel α, β und γ.<br />
(2) Hexagonales Kristallsystem:<br />
a = b = c und α = β = 90 ◦ ,<br />
γ = 120 ◦ .<br />
(3) Trigonales Kristallsystem:<br />
a = b = c und α = β = γ = 90 ◦ ,<br />
8 2 KRISTALLOGRAPHISCHE UND BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN<br />
Abb. 3: Projektionen der Kristallstruktur von Aragonit für drei unterschiedliche Orientierun-<br />
gen. (a) Kristallstruktur in [100] - Richtung. (b) Kristallstruktur in [010] - Richtung. (c) Kristall-<br />
struktrur in [001] -Richtung.<br />
2.2 Aufbau und Struktur <strong>des</strong> Seeohrs Haliotis<br />
2.2.1 Schalenaufbau und -wachstum<br />
Die Abb. 4 zeigt den schematischen Aufbau einer Schneckenschale. Eine dünne Gewebe-<br />
schicht, das Mantelepithel, kleidet das Innere der Schale aus. Die Epithelzellen sekretieren<br />
die organischen Moleküle, die letztendlich den Prozess <strong>des</strong> Schalenwachstums einleiten und<br />
beeinflussen, in den extrapallialen Raum [24]. Dieser befindet sich zwischen Mantelepithel<br />
und Schale. Der Mantel ist fest mit dem Eingewei<strong>des</strong>ack verbunden und nimmt <strong>des</strong>sen<br />
Gestalt an. Die Form der Schale wird daher letztlich ebenfalls durch den Eingewei<strong>des</strong>ack<br />
bestimmt [26].<br />
Die äußerste Schicht der Schale bildet das Periostracum. Dies ist eine organische,<br />
(100 - 200)nm dünne Schicht [27], die einen Schutz vor der Abnutzung der Schale durch<br />
Erosion, also durch die Abtragung von Schalenmaterial durch Wasserströmungen, dar-<br />
stellt. Die folgende Schicht (Ostracum) besteht aus Calcitkristallen, besitzt eine Dicke<br />
von (0,5 - 3)mm und wird prismatischer Calcit genannt. Die innerste, schimmernde Schicht<br />
(Hypostracum) besteht aus Perlmutt und schließt sich relativ übergangslos an die Cal-<br />
citschicht an. Die Dicke dieser Schicht kann im Laufe <strong>des</strong> Lebens der Schnecke je nach<br />
Gattung bis zu einem Wert von 12 mm zunehmen. In unregelmäßigen Abständen tritt im<br />
Perlmutt außerdem eine aus grünem, organischem Material und Calcit bestehende Hete-<br />
roschicht auf.
2.2 Aufbau und Struktur <strong>des</strong> Seeohrs Haliotis 9<br />
Abb. 4: Schematische Darstellung eines Querschnitts durch Schale und Mantelepitel einer Mee-<br />
resschnecke (adaptiert aus [27]).<br />
Das Schalenwachstum beginnt mit der Sekretion von Proteinen, die die Ablagerung von<br />
Calcit und anschließend von Aragonit vermitteln und findet primär an den Außenrändern<br />
der Schale statt.<br />
2.2.2 Perlmuttschicht<br />
Das Verbundmaterial Perlmutt setzt sich aus Aragonitkristallen und verschiedenen organi-<br />
schen Materialien zusammen. Wie in der Einleitung erwähnt, liegen die Aragonitkristalle<br />
in Form pseudohexagonaler Plättchen vor. Diese besitzen eine Dicke von etwa 500nm und<br />
einen Durchmesser von (5 - 10)µm [27]. Die Plättchen sind lateral in Ebenen und verti-<br />
kal in Stapeln ( ” Münzstapel“) angeordnet (Abb. 5). Die Plättchennormale steht zugleich<br />
senkrecht zu der Schalenoberfläche.<br />
Abb. 5: SEM Aufnahme der<br />
Mikrotomschnittkante eines<br />
Perlmuttstückes, von dem<br />
einige Teile herausgebrochen<br />
sind. Das Perlmutt stammt<br />
aus der Schale der Schnecke<br />
Haliotis laevigata. Es ist<br />
die geschichtete Anordnung<br />
der Aragonitplättchen zu<br />
erkennen. Die Aufnahme<br />
wurde von Jacques Hawecker<br />
im Laboratorium für Elektro-<br />
nenmikroskopie, Karlsruhe<br />
erstellt.
10 2 KRISTALLOGRAPHISCHE UND BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN<br />
Die sogenannte organische Matrix umgibt die Plättchen. Zwischen den horizontalen<br />
Aragonitebenen liegt sie als etwa 30 nm dicke, interlamellare Schicht vor. In den lateralen<br />
Grenzbereichen zwischen den Plättchen bildet die organische Matrix wesentlich dünnere<br />
vertikale Wände. Es ist erstaunlich, dass sich Perlmutt aus etwa 95 Gewichtsprozent<br />
Aragonit und nur 5 Gewichtsprozent organischer Moleküle zusammensetzt ([24], [28])<br />
und sich dennoch sowohl die mechanischen als auch die chemischen Eigenschaften stark<br />
von denen <strong>des</strong> puren <strong>Mineral</strong>s Aragonit unterscheiden.<br />
2.2.3 Aragonitanteil<br />
Das Wachstumsprinzip der Aragonitplättchenstapel wird am deutlichsten an der Wachs-<br />
tumsfront erkennbar und ist in Abb. 6 schematisch dargestellt. Die Plättchenschichten<br />
werden dort nicht nacheinander gebildet, sondern es entstehen bereits neue Schichten,<br />
bevor die darunterliegenden Plättchen zu ihrer vollen Größe herangewachsen sind. Die<br />
Plättchen wachsen zuerst besonders in a - Richtung ([100]), bis die Plättchendicke von et-<br />
wa 500 nm erreicht wird, und breiten sich dann in b- und c-Richtung aus. Noch bevor die<br />
endgültige Breite erreicht wird, bilden sich weitere darüberliegende Aragonitplättchen.<br />
Abb. 7 (a) zeigt die Bruchkante einer ” flat pearl“ 3 . Der obere Teil der Abbildung zeigt die<br />
einzelnen, pyramidenförmigen Stapel, in denen die Plättchen zwar in der Höhe, jedoch<br />
noch nicht in der Breite voll ausgebildet sind.<br />
Abb. 6: Prinzip <strong>des</strong> Wachstumsmechanismusses der ” Münzstapel“. Die [100] -Richtung steht<br />
senkrecht auf der Wachstumsfront. In den Bildteilen (a) - (e) ist der zeitliche Ablauf <strong>des</strong> Wachs-<br />
tums dargestellt.<br />
3 Der Ausdruck ” flat pearl“ bedeutet soviel wie flache Perle. Sie besteht aus Perlmutt, das die typische<br />
” Ziegelsteinmauer“ - Struktur aufweist. Ihre Erzeugung wird in Abschnitt 3.3 näher erläutert.
2.2 Aufbau und Struktur <strong>des</strong> Seeohrs Haliotis 11<br />
(a) (b)<br />
Abb. 7: (a) SEM Aufnahme von der Bruchkante einer ” flat pearl“. (b) Aufsicht auf zwei<br />
” Münzstapel“ einer flat pearl“.<br />
”<br />
In dem unteren Teil sind die Aragonitplättchen bereits lateral zusammengewachsen. Dies<br />
wird ebenfalls in Abb. 7 (b), die zwei nah beieinander liegende Stapel zeigt, deutlich.<br />
Es existieren zwei Hypothesen, die versuchen die Biofabrikation <strong>des</strong> Perlmutts zu erklären<br />
und deren Aussagen schematisch in Abb. 8 dargestellt sind. Die Hypothese von Weiner<br />
[13] besagt, dass epitaktisches Wachstum auftritt. Chemie und Abstand der Atome der<br />
organischen Matrix wären demnach verantwortlich für die Nukleation und das Wachstum<br />
der anorganischen Kristalle in einer bestimmten Orientierung.<br />
Die andere von Schäffer et al. [28] aufgestellte Hypothese postuliert kontinuierliches<br />
Wachstum in die a - Richtung von einer Aragonitschicht in die nächste durch Poren in<br />
der interlamellaren, organischen Matrix. Dies ist ein Bereich, der im Rahmen dieser Ar-<br />
beit näher untersucht wird.<br />
Abb. 8: (a) Schematische Darstellung <strong>des</strong> epitaktischen Kristallwachstums auf der organischen<br />
Matrix. (b) Schematische Darstellung <strong>des</strong> Aragonitplättchenwachstums über <strong>Mineral</strong>brücken.
12 2 KRISTALLOGRAPHISCHE UND BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN<br />
2.2.4 Organische Matrix<br />
Die organische Matrix, in die die Aragonitplättchen eingebettet sind, besteht aus Polysac-<br />
chariden und Proteinen [29]. Man unterscheidet zwischen wasserlöslicher und -unlöslicher<br />
Matrix, abhängig von ihrer Löslichkeit in Wasser nach Demineralisation der Aragonit-<br />
kristalle. Wechselwirkungen zwischen Proteinen und anorganischen Ionen während <strong>des</strong><br />
Kristallwachstums bestimmen die Morphologie <strong>des</strong> sich bildenden CaCO3 - Kristalls. Stu-<br />
dien zeigen, dass lösliche polyanionische 4 Proteine die kristalline Phase der Schnecken-<br />
schale kontrollieren und einen abrupten Wechsel zwischen Calcit und Aragonit induzieren<br />
können [30].<br />
Nakahara stellte zudem die Behauptung auf, dass die organische Matrix noch vor den<br />
Aragonitplättchen entsteht, sich die Aragonitkristalle im Laufe <strong>des</strong> Wachstums in den<br />
Zwischenräumen der Matrix bilden [31] und somit die Matrix die Form der Plättchen<br />
bestimmt. Die wasserunlösliche Matrix macht den Hauptteil der interlamellaren Teile der<br />
organischen Matrix aus. Sie besteht hauptsächlich aus einer Kernschicht aus β - Chitin<br />
(ein langkettiges Polysaccharid), die von Proteinen umgeben ist [29].<br />
Die wasserlösliche Matrix setzt sich aus wasserlöslichen Proteinen zwischen den Plättchen<br />
zusammen. Diese Proteine sind, verglichen mit den unlöslichen Proteinen, mit sauren und<br />
polaren Aminosäuren angereichert [13]. Einen erheblichen Teil der Proteine der löslichen<br />
Matrix macht eine sich wiederholende Aminosäurensequenz aus, die in hohem Maße As-<br />
paraginsäure enthält [13]. Asparaginsäure besitzt eine freie Carboxylgruppe, die mit Kal-<br />
ziumionen wechselwirken kann. Durch diesen Rest könnten die Proteine einen Effekt auf<br />
die Kristallisation ausüben. Eine Rolle spielen dabei auch die Position und der Abstand<br />
der Carboxylgruppen in den Proteinen [32]. Zu den in der Gattung Haliotis identifizierten<br />
löslichen Proteinen zählen unter anderem Perlucin, Perlustrin und Perlwapin.<br />
4 polyanionisch (gr.): mehrfach negativ geladen
3 Grundlagen der experimentellen Methoden<br />
In den folgenden Abschnitten werden die Grundlagen der verwendeten Charakterisie-<br />
rungsmethoden vorgestellt. Die auf Transmissions-Elektronenmikroskopie basierenden<br />
Untersuchungsmethoden liefern Informationen über die Zusammensetzung und Struk-<br />
tur einer Probe. Sie sind daher geeignet, die Mikro - und Nanostruktur <strong>des</strong> Perlmutts<br />
näher zu erforschen. Zu diesen Methoden 5 zählen insbesondere EDX (energy dispersive<br />
X-ray) und EELS (electron energy loss spectroscopy), die eine Analyse der chemischen<br />
Zusammensetzung ermöglichen, sowie die Elektronentomographie, mit der dreidimensio-<br />
nale Strukturen in der Probe visualisiert werden können. Zur detaillierten Betrachtung<br />
der Wachstumsfront <strong>des</strong> Perlmutts eignet sich die Raster-Elektronenmikroskopie, mit der<br />
Probenoberflächen abgebildet werden können.<br />
Bei allen im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Untersuchungsmethoden wurde die Pro-<br />
be mit hochenergetischen Elektronen be- oder durchstrahlt. Dabei wird eine Reihe von<br />
Prozessen erzeugt. Diese sind teilweise in Abb. 9 dargestellt und werden in den jeweiligen<br />
Abschnitten Erwähnung finden.<br />
3.1 Transmissions -Elektronenmikroskopie<br />
Abb. 9: Schematische Darstellung<br />
der durch einfallende Elektronen<br />
erzeugten Prozesse. Im Transmissions-<br />
Elektronenmikroskop finden die<br />
elastisch gestreuten Elektronen und<br />
im Raster - Elektronenmikroskop<br />
die Sekundärelektronen bzw. die<br />
rückgestreuten Elektronen Verwen-<br />
dung. Inelastisch gestreute Elektronen<br />
werden für EELS-Messungen,<br />
Röntgenstrahlung wird für EDX -<br />
<strong>Untersuchungen</strong> benutzt.<br />
Die Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM) ist ein geeignetes Mittel um struktu-<br />
relle <strong>Untersuchungen</strong> an meist kristallinen Proben durchzuführen. Die Funktionsweise<br />
ähnelt der eines Lichtmikroskops. Das Auflösungsvermögen 6 eines Mikroskops ist abhängig<br />
von der Wellenlänge der verwendeten Strahlung [33]. Im TEM werden zur Abbildung<br />
5 Die Methoden werden im STEM (scanning transmission electron microscope)- Modus durchgeführt.<br />
6 Die Auflösung r ist über den Abstand zweier Punkte, die in dem Abbild <strong>des</strong> Objektes noch zu<br />
unterscheiden sind, bestimmt. Es gilt die Abbesche Beziehung r = λ<br />
sin α<br />
[33]. Der Winkel α ist der halbe<br />
Aperturwinkel und λ die Elektronenwellenlänge. Das Auflösungsvermögen wird durch den Einfluss von<br />
Linsenfehlern verringert.
14 3 Grundlagen<br />
stark beschleunigte Elektronen mit einer Wellenlänge 7 im Pikometerbereich verwendet<br />
(siehe Abschnitt 3.1.1). Diese geringe Wellenlänge der Elektronen ermöglicht im Vergleich<br />
zur Lichtmikroskopie ein gesteigertes Auflösungsvermögen und somit <strong>Untersuchungen</strong> der<br />
Kristallstruktur im atomaren Bereich. Zudem können mittels Elektronenbeugung Aussa-<br />
gen über die Orientierung bestimmter Probenbereiche getroffen werden.<br />
Die Elektronen, die eine Probe transmittieren, können entweder elastisch und/oder in-<br />
elastisch gestreut werden. Bei der elastischen Streuung werden die Elektronen an den<br />
Coulombpotentialen der Probenatome gestreut und verändern dabei ihre Richtung, je-<br />
doch nicht den Betrag ihres Impulses. Da die Masse <strong>des</strong> Atomkernes weitaus größer als<br />
die <strong>des</strong> Elektrons ist, wird sich die Lage <strong>des</strong> Kernes bei der Streuung nicht verändern.<br />
Der Streuwinkel der Elektronen ist abhängig von der Kernladungszahl und dem Abstand<br />
zwischen Strahlelektron und Kern. Bei inelastischer Streuung verlieren die einfallenden<br />
Elektronen einen Teil ihrer kinetischen Energie, der an die Probe übertragen wird. Dieser<br />
bewirkt z.B. die Anregung von Phononen oder die Ionisation einzelner Atome [33]. Die<br />
Wirkung inelastischer Streuung spielt im Zusammenhang mit chemischer Analytik (Ab-<br />
schnitt 3.1.6.1) eine wesentliche Rolle.<br />
Damit eine optimale Abbildung erhalten werden kann, muss die untersuchte Probe so dünn<br />
sein, dass die Mehrzahl der transmittierten Elektronen nur einmal gestreut wird. Eine zu<br />
dünne Probe erzeugt ein kontrastarmes Bild, da nur wenige Elektronen <strong>des</strong> Primärstrahls<br />
gebeugt werden. Ist die Probe zu dick, so können einige Elektronen mehrfach gestreut<br />
werden und die Probe unter einem hohen Winkel verlassen. Diese Elektronen werden von<br />
den Blenden abgefangen und tragen daher nicht zur Abbildung bei. Die Intensität der<br />
Abbildung wird folglich gering. Die optimale Probendicke ist von der Art <strong>des</strong> Material,<br />
d.h. von den in ihm enthaltenen Elementen, abhängig.<br />
3.1.1 Elektronen als Welle<br />
Für die Elektronenmikroskopie ist von zentraler Bedeutung, dass die Elektronen nicht nur<br />
als Teilchen, sondern auch als Wellen betrachtet werden können. Da dies eine Grundlage<br />
der folgenden Abschnitte darstellt, wird an dieser Stelle eine kurze Herleitung der Wel-<br />
lenlänge der Elektronen vorgestellt.<br />
Es war Louis de Broglie, der postulierte, dass alle Teilchen, somit auch Elektronen, Wel-<br />
leneigenschaften besitzen und er war es auch, der die Gleichung<br />
λ = h<br />
p<br />
für die Wellenlänge λ aufstellte (p=Impuls <strong>des</strong> Teilchens, h=Plancksche Konstante).<br />
Möchte man einen Ausdruck für die Wellenlänge der Elektronen im TEM erhalten, so<br />
muss beachtet werden, dass sich die Elektronen dort mit der Geschwindigkeit v ≈ 0, 6c<br />
7 In der Quantenmechanik wird der Zustand eines Teilchens (z.B. eines Elektrons) durch eine Wellenfunktion<br />
|ψ〉 beschrieben. Diesem Teilchen können daher Welleneigenschaften (Wellenlänge, Frequenz)<br />
zugeordnet werden.<br />
(6)
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 15<br />
fortbewegen. Eine relativistische Korrektur muss daher berücksichtigt werden.<br />
Die von der Kathode emittierten Elektronen werden von der Potentialdifferenz U be-<br />
schleunigt und erhalten die kinetische Energie<br />
Die kinetische Energie ergibt sich außerdem über:<br />
Ekin = U · e. (7)<br />
Ekin = ETotal − ERuhe<br />
⇒ ETotal = Ekin + mc 2<br />
Mit ETotal: Gesamtenergie, ERuhe: Ruheenergie <strong>des</strong> Teilchens, m: Ruhemasse <strong>des</strong> Elek-<br />
trons.<br />
Die relativistische Energie eines Teilchens ergibt sich zu:<br />
(8)<br />
(9)<br />
E 2 Total = p2 c 2 + m 2 c 4 . (10)<br />
Einsetzen von Gl. (6), (7) und (9) in diese Gl. (10) liefert nach Umformung die Wellenlänge<br />
der Elektronen:<br />
λ = <br />
h<br />
2Ume(1 + eU<br />
2mc2) . (11)<br />
Dieser Ausdruck unterscheidet sich von dem relativistisch unkorrigierten nur durch den<br />
Term (1 + eU<br />
2mc 2). Für eine Beschleunigungsspannung U=200 kV besitzen die Elektronen<br />
die Wellenlänge λ ≈ 2,51 pm.<br />
3.1.2 Aufbau eines TEM<br />
Die Abb. 10 zeigt eine schematische Darstellung <strong>des</strong> Aufbaus eines TEM. Das verwendete<br />
TEM CM20 UT arbeitet mit einer LaB6 (Lanthan Hexaborid)-Kathode. Diese wird<br />
durch Anlegen eines elektrischen Stroms auf etwa 2700 K geheizt, wodurch die Energie<br />
der sich im Material befindlichen Elektronen erhöht wird und sie emittiert werden.<br />
Der Wehneltzylinder, der gegenüber der Kathode um etwa 100 V negativ vorgespannt<br />
ist, bündelt die Elektronen am Ort der Anode [33]. Über die zwischen Kathode und<br />
Anode anliegende Spannung werden die Elektronen beschleunigt. Am CM20 UT ist eine<br />
maximale Beschleunigungsspannung von 200 kV einstellbar.<br />
Die Elektronenbahnen werden im weiteren Verlauf durch das Mikroskop von elek-<br />
tromagnetischen Linsen und von Blenden beeinflusst. Eine elektromagnetische Linse<br />
besteht aus einer stromdurchflossenen Spule, umgeben von einem speziell geformten<br />
Polschuh. Dieser wird aus Materialien mit einer hohen magnetischen Permeabilität,<br />
z.B. Weicheisen oder Fe-Co - Legierungen, gefertigt, um die Feldstärke in dem Zentrum<br />
der Spule zu erhöhen [34]. In der Mitte der Spule treten durch eine kleine Öffnung<br />
im Polschuh die magnetischen Feldlinien aus. An dieser Stelle wirkt nun ein lokales,<br />
rotationssymmetrisches, stark inhomogenes Magnetfeld, das für die Ablenkung und
16 3 Grundlagen<br />
Fokussierung <strong>des</strong> Elektronenstrahls genutzt wird. Elektronen, die sich mit der Ladung e<br />
und einer Geschwindigkeit v annähernd parallel zur optischen Achse durch solch ein<br />
Magnetfeld B bewegen, erfahren die Lorentzkraft F = e(v × B). Da diese Kraft senkrecht<br />
zum Geschwindigkeitsvektor der Elektronen wirkt, werden die Elektronen auf einer<br />
Schraubenbahn zur optischen Achse gelenkt [33]. Es kommt daher bei unterschiedlichen<br />
Vergrößerungsstufen, d.h. bei verschiedenen Anregungsstärken der Linsen, zu Drehungen<br />
<strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>. Die Inhomogenität <strong>des</strong> Magnetfel<strong>des</strong> der Linsen bewirkt eine Ablenkung<br />
der Elektronen in Richtung der optischen Achse und hat somit einen fokussierenden Effekt.<br />
Abb. 10: Schematischer Aufbau eines Transmissions- Elektronenmikroskops. (a) Abbildungs-<br />
modus für den Fall einer Hellfeldabbildung, (b) Beugungsbildmodus.<br />
Hinter der Anode folgt ein System aus zwei Kondensorlinsen, das zum einen eine Fo-<br />
kussierung <strong>des</strong> divergenten Elektronenstrahls und zum anderen eine Einstellung <strong>des</strong><br />
Strahldurchmessers und somit der Größe <strong>des</strong> ausgeleuchteten Probenbereichs erlaubt. Die<br />
C2 - Blende begrenzt die Trajektorien der Elektronen und beschränkt somit die Anzahl<br />
der die Probe erreichenden und zur Bildentstehung beitragenden Elektronen.<br />
Die Probe befindet sich zwischen der zweiteilig ausgeführten Objektivlinse (daher die
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 17<br />
Bezeichnung ” ultra twin“ oder UT), die eine erste Vergrößerung produziert. In der hin-<br />
teren Brennebene der Objektivlinse, die ebenfalls die Ebene <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> ist, liegt<br />
die Objektivblende. Mit ihr können Reflexe aus dem Beugungsbild zur Abbildung aus-<br />
gewählt werden (siehe Abschnitt 3.1.4.1). Die darauf folgende SAD (selected area diffrac-<br />
tion)-Blende liegt in der hinteren Bildebene der Objektivlinse und lässt eine Auswahl<br />
bestimmter Probenbereiche bzw. der diese Bereiche transmittierenden Elektronen zu. Im<br />
Beugungsmodus kann dann das Beugungsbild <strong>des</strong> selektierten Probengebietes untersucht<br />
werden. Diese Art der Beugung wird Feinbereichsbeugung genannt. Je nach Anregung<br />
der Zwischenlinse befindet sich die hintere Brennebene oder die hintere Bildebene der<br />
Objektivlinse in der Gegenstandsweite der Zwischenlinse. Durch Veränderung dieser An-<br />
regung lässt sich zwischen Beugungsmodus und Abbildungsmodus wechseln. Zudem führt<br />
die Zwischenlinse ebenso wie die im Aufbau noch folgende Projektivlinse zu einer weite-<br />
ren Bildvergrößerung. Das Endbild kann auf einem Fluoreszenzschirm sichtbar gemacht<br />
werden oder je nach Ausstattung <strong>des</strong> TEM auf Fotonegativen oder ” imaging plates“ ge-<br />
speichert oder über eine CCD (charge coupled device)-Kamera aufgenommen werden.<br />
Der gesamte Aufbau befindet sich im Hochvakuum (10 −7 Pa - 10 −10 Pa), um Streuung an<br />
den in der Luft enthaltenen Atomen und Molekülen zu vermeiden.<br />
3.1.3 Linsenfehler<br />
Ebenso wie bei Glaslinsen treten auch bei elektromagnetischen Linsen Linsenfehler auf,<br />
die weitgehend korrigiert bzw. minimiert werden müssen, um optimale Abbildungsbe-<br />
dingungen zu erhalten. Die im TEM einflussreichsten Fehler sind im Folgenden aufgeführt.<br />
Sphärische Aberration<br />
Elektronenstrahlen, die eine Linse in äußeren Zonen durchqueren, werden stärker<br />
gebrochen, besitzen also eine geringere Brennweite als Strahlen, die innere Bereiche der<br />
Linse passieren. Ein Punkt wird folglich als Scheibchen abgebildet, das einen Radius von<br />
r = MCSβ 3 aufweist [34]. M ist die Vergrößerung, β der Winkel zwischen Elektronenbahn<br />
und optischer Achse und CS die sphärische Aberrationskonstante.<br />
Abb. 11: Schematische Darstel-<br />
lung der sphärischen Aberration.<br />
Die Elektronenstrahlen, die die<br />
Linse in äußeren Zonen durch-<br />
queren, werden stärker gebro-<br />
chen als die Strahlen, die innere<br />
Bereiche der Linse passieren.
18 3 Grundlagen<br />
Diese besitzt für die Objektivlinse im CM20 bei einer Beschleunigungsspannung von<br />
200 kV den Wert 0,5 mm. Über das Einfügen von Blenden kann β und somit r ein-<br />
geschränkt werden. Eine weitreichendere Korrektur der sphärischen Aberration ist<br />
am CM20 jedoch nicht möglich. Die Abb. 11 zeigt eine schematische Darstellung <strong>des</strong><br />
Entstehens der sphärischen Aberration.<br />
Astigmatismus<br />
Nicht-rotationssymmetrische Linsen besitzen keinen Brennpunkt, sondern zwei Brenn-<br />
linien, die abhängig von den Richtungen der beiden Hauptkrümmungen der Linse sind.<br />
Dies wird in Abb. 12 verdeutlicht. Bei elektromagnetischen Linsen wird Astigmatismus<br />
durch nicht-rotationssymmetrische Linsenfelder erzeugt. Eine weitere Ursache können<br />
Aufladungen der Polschuhe oder der Probe sein. Eine Korrektur <strong>des</strong> Astigmatismusses<br />
kann im TEM über Oktopollinsen erfolgen.<br />
Abb. 12: Schematische Darstellung<br />
<strong>des</strong> Astigmatismusses. Durch die nicht -<br />
rotationssymmetrische Form der Linse<br />
entstehen zwei Brennlinien, die abhängig<br />
von den Richtungen der beiden Haupt-<br />
krümmungen der Linse sind.<br />
Chromatische Aberration<br />
Linsen besitzen für unterschiedliche Wellenlängen unterschiedliche Brechkraft. Wie in<br />
Abb. 13 dargestellt wird ein Punkt daher als Scheibchen abgebildet. Die Wellenlänge<br />
der Elektronen ist von der angelegten Beschleunigungsspannung abhängig. Unterschied-<br />
liche Wellenlängen können also durch Schwankungen der Beschleunigungsspannung und<br />
<strong>des</strong> Objektivlinsenstromes, sowie durch Energieverluste der transmittierenden Elektro-<br />
nen innerhalb der Probe erzeugt werden. Durch die Verwendung einer Kathode mit einer<br />
möglichst schmalen Energieverteilung der austretenden Elektronen und durch die Verwen-<br />
dung einer dünnen Probe kann der Bereich der auftretenden Wellenlängen eingeschränkt<br />
werden.<br />
Abb. 13: Schematische Darstel-<br />
lung der chromatischen Aberra-<br />
tion. Da Linsen für unterschied-<br />
liche Wellenlängen unterschiedli-<br />
che Brechkraft besitzen, wird ein<br />
Punkt als Scheibchen abgebildet.
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 19<br />
Koma<br />
Koma tritt auf, wenn der Elekronenstrahl schräg auf die Linse einfällt und somit schräg<br />
zur optischen Achse steht. Hinter der Linse werden diese Strahlen abseits der optischen<br />
Achse gebündelt. Da der Einfluss der sphärischen Aberration zum Tragen kommt, erfolgt<br />
diese Bündelung jedoch asymmetrisch. Die Bildpunkte werden daher als ” Scheibchen“ mit<br />
einer Art Schweif abgebildet. Abb. 14 stellt den Einfluss der Koma auf den Strahlengang<br />
graphisch dar. Korrigiert werden kann dieser Linsenfehler weitestgehend durch Justierung<br />
<strong>des</strong> Elektronenstrahls auf die optische Achse.<br />
3.1.4 Bildentstehung im TEM<br />
Abb. 14: Schematische Darstel-<br />
lung der Koma. Schräg auf<br />
die Linse einfallende Elektro-<br />
nenstrahlen werden abseits der<br />
optischen Achse asymmetrisch<br />
gebündelt.<br />
Ein TEM kann im Wesentlichen in zwei Grundeinstellungen betrieben werden: zum einen<br />
kann die Probe von einer ebenen Welle transmittiert werden (Abschnitte 3.1.4.1 und<br />
3.1.4.2), zum anderen kann ein konvergenter Elektronenstrahl über die Probe geras-<br />
tert werden (Abschnitt 3.1.4.3). Beiden Möglichkeiten liegt zugrunde, dass den Elektro-<br />
nen Welleneigenschaften und somit eine Wellenlänge zugeordnet werden können. Wie<br />
zu Beginn <strong>des</strong> Abschnitts 3.1 erwähnt, bestimmt die Wellenlänge der Elektronen das<br />
Auflösungsvermögen im TEM. Diese wird jedoch durch den Einfluss der Linsenfehler<br />
beschränkt. Am bedeutensten ist dabei der Einfluss der sphärischen Aberration. In Ab-<br />
schnitt 3.1.4.2 wird dieser Zusammenhang zwischen Auflösungsvermögen und sphärischer<br />
Aberration beschrieben.<br />
In dem vorangehenden Abschnitt 3.1.4.1 wird insbesondere die Entstehung eines Beu-<br />
gungsbil<strong>des</strong>, sowie der Einfluss einer Verkippung der Probe auf dieses Bild erläutert.<br />
Der Abschnitt 3.1.4.3 beschäftigt sich schließlich mit der Z - Kontrast Mikroskopie, bei der<br />
die unter einem großen Winkel gestreuten Elektronen zur Abbildung verwendet werden.<br />
3.1.4.1 Beugungskontrast<br />
Beugungskontrast tritt bei kristallinen Proben auf und kann durch Einfügen der Objek-<br />
tivblende in den Strahlengang produziert werden. Es wird dabei lediglich ein Strahl zur<br />
Abbildung verwendet. Je nach Wahl <strong>des</strong> selektierten Strahls (Primärstrahl oder gebeugter<br />
Strahl) unterscheidet man zwischen Hell- und Dunkelfeldabbildungen. Die experimentelle<br />
Erstellung dieser Abbildungen wird am Ende dieses Abschnitts erläutert. Zuvor wird die<br />
dem zugrunde liegende Elektronenbeugung behandelt.
20 3 Grundlagen<br />
Elektronenbeugung an Kristallen<br />
In diesem Abschnitt wird die Beugung einer ebenen Elektronenwelle an einem perfekten<br />
Kristall in kinematischer Näherung behandelt. Bei dieser Näherung wird angenommen,<br />
dass zum einen alle Streuprozesse elastisch sind und zum anderen keine Sekundärbeugung<br />
der einmal gebeugten Elektronenwellen stattfindet. Für qualitative Aussagen ist diese<br />
Vereinfachung ausreichend, quantitative Aussagen zur Elektronenbeugung können jedoch<br />
nur unter Berücksichtigung der dynamischen Streutheorie getroffen werden. Im Rahmen<br />
der vorliegenden Arbeit ist die Verwendung der kinematischen Näherung ausreichend.<br />
Beugungsbilder stellen im Wesentlichen die Fouriertransformierte <strong>des</strong> Kristallgitters dar.<br />
Eine Auswertung dieser Bilder kann im Falle kristalliner Proben daher Informationen über<br />
Kristallstruktur, Netzebenenabstände und Orientierung der Probe liefern.<br />
Abb. 15: Schematische Darstel-<br />
lung der Braggbeugung. Mit d<br />
ist der Abstand der Netzebenden<br />
bezeichnet. Die Elektronen-<br />
strahlen sind als graue Linien<br />
eingezeichnet.<br />
Die Erzeugung eines Beugungsbil<strong>des</strong> kann anhand der<br />
Braggbedingung, die in Abb. 15 schematisch dargestellt<br />
ist, erläutert werden. Parallele Strahlen, die unter einem<br />
Winkel θ auf eine Netzebenenschar fallen, werden an die-<br />
ser gebeugt. Zu einem sichtbaren Reflex kommt es dann,<br />
wenn zwei an benachbarten Netzebenen (mit dem Net-<br />
zebenenabstand d) reflektierte Strahlen konstruktiv mit-<br />
einander interferieren.<br />
Dies ist erfüllt, wenn der Gangunterschied zwischen den<br />
Strahlen ein ganzzahliges Vielfaches n der Wellenlänge λ<br />
ist. Die Braggbedingung lässt sich wie folgt formulieren:<br />
nλ = 2d sin θ. (12)<br />
Im TEM tragen die Netzebenen zum Beugungsbild bei,<br />
die annähernd parallel zu den einfallenden Elektronen-<br />
strahlen liegen. Für die (001)-Ebenen <strong>des</strong> Aragonits, die<br />
einen Netzebenenabstand von d = 0, 7969 nm aufweisen,<br />
ergibt sich für n = 1 der Beugungswinkel θ001 = 0, 1797 ◦ .<br />
Für kleine Winkel θ gilt sin θ ≈ θ. Gl. (12) vereinfacht<br />
sich zu:<br />
nλ = 2dθ. (13)<br />
Der Winkel θ erscheint ebenfalls in einem anderen Zusammenhang (dargestellt in Abb. 16)<br />
und kann über<br />
tan2θ = R<br />
L<br />
(14)<br />
beschrieben werden. 2θ kennzeichnet den Winkel zwischen gebeugtem und ungebeugtem<br />
Strahl. L ist der Abstand zwischen Probe und Bildspeichermedium, die sogenannte Ka-<br />
meralänge, und R ist der Abstand eines Reflexes zu dem ungebeugten Primärstrahl.
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 21<br />
Abb. 16: Vereinfachte Dar-<br />
stellung <strong>des</strong> Strahlenganges<br />
im Elektronenmikroskop zur<br />
Herleitung der Grundformel.<br />
Die Elektronenstrahlen sind<br />
als graue Linien eingezeich-<br />
Die Kameralänge L ist wesentlich größer als der Abstand R. θ nimmt somit kleine Werte<br />
net.<br />
an. Für kleine Winkel θ lässt sich Gl. (14) wiederum vereinfachen zu<br />
2θ = R<br />
. (15)<br />
L<br />
Aus Gl. (13) und Gl. (15) ergibt sich für Beugungsreflexe erster Ordnung (n=1) die<br />
Grundformel<br />
λL = Rd. (16)<br />
Der Term λL wird Kamerakonstante genannt und ist geräteabhängig. Über Gl. (16)<br />
können aus den Positionen der Reflexe im Beugungsbild die zugehörigen Netzebenen-<br />
abstände d errechnet werden.<br />
Die Gl. (16) ist eine Skalargleichung, in der die skalare Wellenlänge anstatt <strong>des</strong> Wellen-<br />
vektors steht. Die Braggbedingung in vektorieller Notation erhält man unter Ausnutzung<br />
der folgenden Zusammenhänge. Eine einfallende und eine gebeugte Welle werden durch<br />
die Wellenvektoren k und k ′ beschrieben. Im Falle elastischer Beugung gilt <br />
|k| = <br />
|k ′ |. Die<br />
Vektorbeziehung zwischen den beiden Wellenvektoren lautet:<br />
k − k ′ = q. (17)<br />
Mit q ist der Streuvektor bezeichnet. Eine geometrische Umsetzung der vektoriellen<br />
Braggbedingung liefert die Ewaldkonstruktion der Beugung.<br />
Ewaldkonstruktion<br />
Die Ewaldkonstruktion wird eingeführt, um die Frage zu klären, welche der unendlich vie-<br />
len Netzebenenscharen <strong>des</strong> Gitters die Braggbedingung erfüllen. Zu diesem Zweck wird in<br />
das reziproke Gitter der Wellenvektor k der einfallenden Welle eingezeichnet. Die Spitze<br />
<strong>des</strong> Vektors zeigt auf einen der reziproken Gitterpunkte. Um den Anfangspunkt von k<br />
wird ein Kreis mit dem Radius <br />
|k ′ | gezogen. Im dreidimensionalen Raum entsteht eine<br />
Kugel, die Ewaldkugel. Die Ebenen, deren reziproke Gitterpunkte von der Ewaldkugel ge-<br />
schnitten werden, erfüllen die vektorielle Braggbedingung (17). Abb. 18 macht deutlich,
22 3 Grundlagen<br />
dass in diesem Fall q = g ist. Der Vektor g wurde in Gleichung (4) definiert und ist ein<br />
reziproker Gittervektor.<br />
Diese Betrachtungen gelten für unendlich ausgedehnte Proben. Im Folgenden wird<br />
berücksichtigt, dass reale Proben eine endliche Ausdehnung besitzen. Das Potential <strong>des</strong><br />
endlichen Kristalls ergibt sich aus dem Produkt <strong>des</strong> Potentials <strong>des</strong> unendlichen Kristalls<br />
und der Kristallfunktion D(r):<br />
Vf(r) = V (r)D(r).<br />
Die Kristallfunktion nimmt innerhalb <strong>des</strong> Kristall den Wert 1 und außerhalb den Wert 0<br />
an. Die Fouriertransformierte <strong>des</strong> Potentials Vf(r) lautet:<br />
Vf(q) = F[V (r)D(r)]. (18)<br />
Das Potential V (r) <strong>des</strong> unendlich ausgedehnten Kristalls besitzt die Periodizität <strong>des</strong> zu-<br />
grunde liegenden Bravaisgitters und kann als diskrete Fourierreihe dargestellt werden [34]:<br />
V (r) = <br />
g<br />
Vge 2πigr .<br />
Die Fouriertransformierte dieses Potentials lautet:<br />
V (q) = <br />
Vgδ(q − g). (19)<br />
g<br />
Sie ist eine diskrete Funktion, die lediglich am Ort der reziproken Gitterpunkte ungleich<br />
Null ist.<br />
Für einen realen, endlich ausgedehnten Kristall, bei dem die Kristallfunktion<br />
berücksichtigt wird, erhält man aus Gl. (18) den Zusammenhang:<br />
Vf(q) =<br />
<br />
= <br />
g<br />
D(r) · <br />
Vg<br />
<br />
g<br />
Vg e 2πigr e −2πiqr dr<br />
D(r)e −2πi(q−g)r dr<br />
= <br />
Vg ˜ D(q − g). (20)<br />
g<br />
Der Unterschied zu Gl. (19) besteht darin, dass die reziproken Gitterpunkte bei Einbe-<br />
ziehung der Kristallfunktion D(r) eine ausgedehnte Form annehmen.<br />
Berücksichtigt man, dass die Dicke z0 der Probe wesentlich kleiner als die laterale Aus-<br />
dehnung ist, so lautet die reziproke Kristallfunktion:<br />
˜D(q − g) =:<br />
=<br />
D(s) ˜<br />
+∞<br />
e<br />
−∞<br />
−2πisxx +∞<br />
dx e<br />
−∞<br />
−2πisyy z<br />
+ 02<br />
dy<br />
− z e<br />
0<br />
2<br />
−2πiszz dz<br />
= z0δ(sx)δ(sy)sinc(πszz0) (21)
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 23<br />
Der Vektor s = q − g wird als Anregungsfehler bezeichnet und gibt die Abweichung von<br />
der Braggbedingung an. Abb. 17 zeigt die Auftragung der Kardinalsinusfunktion gegen<br />
die z-Komponente <strong>des</strong> Anregungsfehlers. Diese Funktion beschreibt die Ausdehnung der<br />
reziproken Gitterpunkte entlang der z-Richtung, also der Probennormalen.<br />
Abb. 17: Graphische Auftra-<br />
gung von sinc(πszz0) gegen die<br />
Komponente sz <strong>des</strong> Anregungs-<br />
fehlers s. Für z0 wurde der Wert<br />
20 nm verwendet. Diese Funktion<br />
beschreibt die Ausdehnung der<br />
reziproken Gitterpunkte entlang<br />
der z -Richtung, also der Proben-<br />
normalen.<br />
Die in diesem Fall stabförmigen Strukturen der Gitterpunkte werden reziproke Git-<br />
terstäbe bzw. im englischen ” relrods“ (reciprocal lattice rods) genannt. In Abb. 18 sind<br />
die ” relrods“ als graue Linien eingezeichnet.<br />
Abb. 18: Schematische Darstellung der Ewaldkonstruktion. Tatsächlich besitzt die Ewaldkugel<br />
einen sehr viel größeren Radius und damit eine weitaus geringere Krümmung. Im rechten Bild-<br />
teil ist der links markierte Bereich vergrößert dargestellt. Die ” relrods“ sind als graue Linien<br />
eingezeichnet.<br />
Eine wichtige Konsequenz der Endlichkeit realer Proben und <strong>des</strong> Erscheinens der<br />
” relrods“ ist das Auftreten von Beugung, sogar dann, wenn die Braggbedingung nicht<br />
exakt erfüllt ist. Der Betrag <strong>des</strong> Anregungsfehlers s gibt den Abstand von dem reziproken<br />
Gitterpunkt zur Ewaldkugel entlang der Hauptachse <strong>des</strong> ” relrod“ an. Die Intensität der<br />
Beugungspunkte ist dabei abhängig von diesem Abstand [34].<br />
In Abb. 18 ist zu erkennen, dass das reziproke Gitter aus Ebenen reziproker Gitterpunkte<br />
aufgebaut ist. Aufgrund ihrer Krümmung schneidet die Ewaldkugel mehrere dieser Ebe-<br />
nen, die als Lauezonen nullter, erster, zweiter und höherer Ordnung bezeichnet werden.<br />
Ein Beugungsbild zeigt die Projektion der von der Ewaldkugel geschnittenen ” relrods“.
24 3 Grundlagen<br />
Die Reflexe einer Lauezone liegen im Beugungsbild auf Kreisen, den Lauekreisen. Bei<br />
einer Verkippung der Probe steht k nicht länger senkrecht auf der nullten Lauezone, die<br />
daher von der Ewaldkugel in einem kreisförmigen Bereich geschnitten wird. Die Punkte,<br />
die auf diesem Kreis liegen, werden stark angeregt und erscheinen im Beugungsbild<br />
hell. Das Zentrum dieses Lauekreises markiert den Verkippungswinkel der Probe. Im<br />
Englischen wird der Ausdruck ” centre of laue circle“ verwendet. Daher stammt das<br />
geläufige Akronym COLC, das im Folgenden zur Benennung <strong>des</strong> Zentrums der Lauekreise<br />
genutzt wird.<br />
Abb. 19: Schematische Darstel-<br />
lung der Ewaldkonstruktion für<br />
eine um den Winkel α gekippte<br />
Probe.<br />
Aus der Messung <strong>des</strong> Radius R <strong>des</strong> COLC aus einem Beugungsbild kann die Verkippung<br />
der Probe bezüglich der Zonenachse bestimmt werden, wie in Abb. 19 schematisch dar-<br />
gestellt wird. Der Vektor r befindet sich im reziproken Raum.<br />
Über den Zusammenhang<br />
sinα = |r|<br />
| k|<br />
lässt sich der Verkippungswinkel der Probe bestimmen. Der Betrag <strong>des</strong> Wellenvektors<br />
ergibt sich aus | k| = 1<br />
λ<br />
pungwinkel erhält man schließlich aus:<br />
(22)<br />
R<br />
und der reziproke Vektor ist gegeben durch |r| = . Den Verkip-<br />
λL<br />
α = arcsin R<br />
. (23)<br />
L<br />
Der Wert α gibt lediglich die Gesamtverkippung der Probe an, liefert jedoch keine Aussage<br />
über die Richtung der Verkippung.<br />
Im Falle der Perlmuttquerschnittproben kommt es nicht zu einer Verkippung der gesamten<br />
Probe, sondern die Plättchen sind relativ zu einem genau in Zonenachse orientierten<br />
Referenzplättchen verdreht. Abb. 20 zeigt die unterschiedlichen Kippmöglichkeiten der<br />
Plättchen, aus denen sich die Gesamtverkippung zusammensetzt, und ihren Einfluss auf<br />
die Lage <strong>des</strong> COLC im Beugungsbild. In der Darstellung wurde als Zonenachse 〈001〉<br />
gewählt und das Plättchen um die [100]-, [010]- und [001]-Richtung gekippt. Bei der<br />
Kippung um [100] und [010] treten Lauekreise auf. Eine Drehung <strong>des</strong> Plättchens um<br />
die Zonenachse hat eine Rotation <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> zur Folge, aus der der zugehörige<br />
Kippwinkel direkt bestimmbar ist.
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 25<br />
Abb. 20: Die unterschiedlichen Verkippungsrichtungen der Plättchen und ihr Einfluss auf<br />
das Beugungsbild. Eine Kombination dieser Verkippungsmöglichkeiten ergibt die Gesamtver-<br />
kippung. (a) Unverkipptes Referenzplättchen, (b) um [100] gekipptes Plättchen, (c) um [010]<br />
gekipptes Plättchen, (d) um [001] gekipptes Plättchen.<br />
Hell- und Dunkelfeldabbildung<br />
Eine Auswahl <strong>des</strong> Primärreflexes mit der Objektivblende lässt lediglich alle ungebeugten<br />
Strahlen die Objektivblende passieren (Abb. 21 (a)). Bereiche der Probe, in denen schwa-<br />
che Beugung auftritt, erscheinen in der Abbildung hell, daher stammt der zugehörige<br />
Begriff Hellfeldabbildung. Analog dazu ist die Dunkelfeldabbildung. Dabei wird die Objek-<br />
tivblende verschoben und ein anderer Reflex <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> selektiert (Abb. 21 (b)).<br />
Auf diese Weise tragen nur die an der entsprechenden Netzebenenschar gebeugten Strah-<br />
len zur Abbildung bei. Probenbereiche, in denen schwache Beugung stattfindet, erschei-<br />
nen nun dunkel. Da ein gebeugter Strahl sehr viel stärker mit der Probe wechselwirkt als<br />
ein ungebeugter, liefert der Dunkelfeldmodus Informationen über bestimmte kristallogra-<br />
phische Orientierungen. Eine andere Methode den Dunkelfeldmodus umzusetzen besteht<br />
darin, den Elektronenstrahl vor dem Auftreffen auf die Probe zu kippen und die Objek-
26 3 Grundlagen<br />
tivblende zu zentrieren (Abb. 21 (c)). Diese Methode hat den Vorteil, dass der gebeugte<br />
Elektronenstrahl sich auch hinter der Probe auf der optischen Achse befindet und die<br />
Auswirkungen der Linsenaberrationen verringert wird. Die Verkippung <strong>des</strong> Strahls kann<br />
durch Magnetspulen realisiert werden.<br />
Abb. 21: Vereinfachte Darstellung <strong>des</strong> Strahlenganges in (a) Hellfeldabbildung, (b) Dunkel-<br />
feldabbildung und (c) zentrierter Dunkelfeldabbildungen.<br />
3.1.4.2 Phasenkontrast<br />
Bei der Erzeugung <strong>des</strong> Phasenkontrastes spielt die Objektivblende keine Rolle. Vielmehr<br />
wird diese möglichst groß gewählt, so dass im Gegensatz zum Beugungskontrast viele<br />
Strahlen zur Abbildung verwendet werden. Bei Proben, die lediglich einige Atomlagen<br />
dünn sind (Probendicke < 5 nm), wird die Amplitude der transmittierenden Elektronen-<br />
welle durch Streuverluste kaum geschwächt. Statt<strong>des</strong>sen überwiegen Phasenverschiebun-<br />
gen, die die Elektronenwellen in dem Objekt erfahren. In der hochauflösenden Elektro-<br />
nenmikroskopie, bei der sehr dünne Probenbereiche verwendet werden, dominiert also der<br />
Phasenkontrast.<br />
Im Folgenden wird der Einfluss <strong>des</strong> Mikroskops auf die Elektronenwellenfunktionen,<br />
während die Elektronen sich durch die Mikroskopsäule bewegen, erläutert. Die Aber-<br />
rationen wirken zum Beispiel auf die Amplitude und Phase der Wellenfunktion der aus<br />
der Linse austretenden Elektronen.<br />
Eine auf die Probe eintreffende, ebene Elektronenwelle Ψ0 erfährt eine Wechselwirkung<br />
mit dem elektrostatischen Potential <strong>des</strong> Objektes. Die Phasenverschiebung η(r) der Welle<br />
wird durch die atomaren Streuzentren der Probe modifiziert. Die austretende Elektronen-<br />
welle Ψe wird folgendermaßen definiert: Ψe = Ψ0e iη(r) .<br />
Im idealen Fall passiert die Welle Ψe die Objektivlinse ohne Abbildungsfehler und wird<br />
anschließend in der hinteren Brennebene zu einem Beugungsbild fokussiert. Das Beu-<br />
gungsbild ist die Fouriertransformierte der Austrittswellenfunktion Ψe. Läuft die Welle<br />
im Anschluss daran wieder auseinander, so erhält man in der Bildebene der Objektivlinse<br />
eine ebene Projektion der Wellenfunktion Ψip, die der inversen Fouriertransformation <strong>des</strong>
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 27<br />
Beugungsbil<strong>des</strong> entspricht.<br />
Die Intensität in der Bildebene ist über<br />
Ψip = F −1 [F[Ψe]] = Ψe<br />
I = |Ψe| 2 = ΨeΨ ∗ e = |Ψ0| 2 e iη(r) e −iη(r) = |Ψ0| 2 = konstant<br />
gegeben. Die Intensität ist also in der Bildebene konstant. Dies bedeutet, dass unter den<br />
vorgegebenen Bedingungen keine Informationen im Bild enthalten sind.<br />
In einem realen System müssen die Einflüsse von Aberration und Defokus berücksichtigt<br />
werden. Es wird sich zeigen, dass diese beiden Faktoren notwendig sind, um Informationen<br />
aus einem Bild zu erhalten.<br />
Eine Änderung <strong>des</strong> Stromes durch die Objektivlinse hat eine Änderung der Gegenstands-<br />
ebene um den Wert ∆f zur Folge. Man bezeichnet ∆f als den Defokus. Er gibt die<br />
Abweichung vom Gaußschen Fokus an. Ist ∆f < 0 bzw. > 0 spricht man vom Unter-<br />
bzw. Überfokus. Aufgrund <strong>des</strong> zusätzlichen bzw. fehlenden Durchlaufens der Distanz ∆f<br />
kommt es zu einer Phasenverschiebung<br />
Zudem wird eine Phasenverschiebung<br />
χ∆f(q) = πλ∆fq 2 .<br />
χsph(q) = π<br />
2 CSλ 3 q 4<br />
durch sphärische Aberration verursacht, da zwischen den Wellenfronten einer aberrations-<br />
behafteten und einer idealen Welle ein Wegunterschied herrscht.<br />
Die gesamte Phasenverschiebung ist:<br />
χges(q) = πλ∆fq 2 + π<br />
2 CSλ 3 q 4 .<br />
Die durch Aberration und Defokus erzeugte Phasenverschiebung wird durch Einbinden<br />
der Punktverwaschungsfunktion P(r) berücksichtigt. Die Wellenfunktion in der Bildebene<br />
ist dann definiert als:<br />
(24)<br />
ΨIP(r) = Ψe(r) ⊗ P(r). (25)<br />
Die Einführung von P(r) beschreibt das ” Ausschmieren“ eines Objektpunktes im Bild<br />
durch die Wirkung der Abbildungsfehler 8 . Unter Ausnutzung <strong>des</strong> Multiplikationstheorems<br />
ist Gl. (25) darstellbar als:<br />
ΨIP(r) = F −1 [Ψe(q)P(q)] = F −1 [Ψe(q)e iχ(q) ].<br />
P(q) = e iχ(q) ist die kohärente Übertragungsfunktion und enthält die Phasenverschiebung<br />
χ(q).<br />
8 Für eine ideale Linse reduziert sich die Punktverwaschungsfunktion zu einer Dirac Deltafunktion.<br />
P(q) ist dann gleich Eins und man erhält erneut den Zusammenhang Gl. (24).
28 3 Grundlagen<br />
In Abb. 22 ist der Imaginärteil<br />
(= sin{χ(q)}) der kohärenten Übertra-<br />
gungsfunktion gegen die Raumfrequenz q<br />
aufgetragen. Da der Imaginärteil dieser<br />
Funktion einen Sinus enthält, kommt<br />
es zu einer Oszillation der Funktion.<br />
Dies entspricht wiederum einer Kon-<br />
trastumkehr. Ein möglichst großer<br />
Raumfrequenzbereich mit annähernd<br />
gleichem Kontrast führt zu einer guten<br />
Punktauflösung. Im Scherzer Defokus wird<br />
das breiteste Band von Raumfrequenzen<br />
ohne Vorzeichenwechsel und damit ohne<br />
Kontrastumkehr übertragen. Die Punkt-<br />
auflösung ist in diesem Fall maximal.<br />
HRTEM (high resolution transmission<br />
electron microscopy)-Bilder, die im<br />
Scherzer Defokus aufgenommen wurden,<br />
Abb. 22: Auftragung <strong>des</strong> Imaginärteils der<br />
kohärenten Übertragungsfunktion (= sinχ(q))<br />
für ∆fscherzer = −42,43 nm, CS = 0,5mm und<br />
λ=2,5 pm. Im Scherzer Defokus ∆fscherzer wird<br />
das breiteste Band von Raumfrequenzen q ohne<br />
Vorzeichenwechsel und damit ohne Kontrastum-<br />
kehr übertragen.<br />
sind direkt interpretierbar, da die projizierten Positionen der Atome relativ zueinander<br />
durch kontrastreiche Gebiete wiedergegeben werden. Der Scherzer Defokus ist über<br />
∆fscherzer = −1, 2 √ CSλ gegeben [35].<br />
Im CM20 erhält man den Wert ∆fscherzer = −42, 43 nm bei CS = 0, 5 mm und λ=2,5 pm.<br />
Aus dem inversen Wert der Raumfrequenz an der Stelle <strong>des</strong> Nulldurchganges von sinχ(q)<br />
erhält man das Punktauflösungsvermögen<br />
ρS = 0, 7λ 3<br />
4C 1<br />
4<br />
S<br />
<strong>des</strong> Mikroskops [33]. Für das CM20 ergibt sich der Wert ρS ≈ 2, 08 ˚A.<br />
3.1.4.3 Z-Kontrast<br />
Für Elektronen, die an einem Kern gestreut werden, gilt die Rutherfordsche Streuformel.<br />
Diese besagt, dass der differenzielle Streuquerschnitt ( dσ<br />
dΩ )ϑ (Zahl der in das Raumwinkel-<br />
element dΩ gestreuten Teilchen pro Stromdichte der einfallenden Teilchen) proportional<br />
2 1 zu Z<br />
sin 4 ( ϑ<br />
2<br />
ist [36]. Z ist die Ordnungszahl <strong>des</strong> streuenden Atomkerns und ϑ der Streuwin-<br />
)<br />
) → 1. Die Zahl der unter einem großen Winkel<br />
kel. Für einen Winkel ϑ → 90 ◦ geht sin 4 ( ϑ<br />
2<br />
gestreuten Elektronen ist daher von Z 2 abhängig. Es muss jedoch beachtet werden, dass<br />
die Rutherfordsche Streuformel nur von der elastischen Streuung am Kern und nicht an<br />
einem Atom ausgeht. Laut Kuckuk [36] ist eine Zunahme <strong>des</strong> differentiellen Streuquerschnitts<br />
mit Z 7<br />
4 für unter großem Winkel gestreute Elektronen realistischer.<br />
In der Z - Kontrast Mikroskopie werden diese unter großem Winkel gestreuten Elektro-<br />
nen in einem Raster-Transmissions-Elektronenmikroskop (STEM: scanning transmissi-<br />
on electron microscope) zur Abbildung genutzt. Der Elektronenstrahl wird dabei über
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 29<br />
die Objektivlinse auf die Probe fokussiert und darüber gerastert. Anders als in einem<br />
SEM (scanning electron microscope) durchqueren die Elektronen die Probe und wer-<br />
den dahinter detektiert. Zur Signalaufnahme wird ein HAADF (high angle annular dark<br />
field)-Detektor verwendet. Eine schematische Darstellung der Anordnung ist in Abb. 23<br />
gezeigt. Die Intensität <strong>des</strong> detektierten Signals ist wie soeben beschrieben stark von der<br />
Ordnungszahl Z der Probenatome abhängig.<br />
Abb. 23: Schematische Dar-<br />
stellung der Anordnung zur<br />
Erzeugung einer Z -Kontrast<br />
Aufnahme. Im STEM-<br />
Modus wird der konvergente<br />
Elektronenstrahl über die<br />
Probe gerastert. Das Signal<br />
der unter großem Winkel<br />
gestreuten Elektronen wird<br />
mit einem HAADF -Detektor<br />
aufgenommen.<br />
Da die unter großem Winkel gestreuten Elektronen detektiert werden, erscheinen Proben-<br />
bereiche mit massereichen Atomen in der Abbildung heller. Analog erscheinen Bereiche,<br />
die leichte oder keine Atome enthalten dunkler. In [37] wird außerdem erläutert, dass<br />
Streuung unter einem großen Winkel von inkohärenter, thermisch diffuser Streuung domi-<br />
niert wird. Es herrscht daher keine Phasenbeziehung zwischen den inkohärenten Streuwel-<br />
len. Dies bedeutet unter anderem, dass die Streuintensität keine periodische Abhängigkeit<br />
von der Probendicke und dem Defokus besitzt [33]. Es kommt also zu keiner Kontrastum-<br />
kehr. Mit Z - Kontrast erstellte Bilder sind folglich direkter interpretierbar als die auf<br />
Phasenkontrast beruhenden.<br />
3.1.5 Experimentelles Vorgehen am TEM<br />
Für den Großteil der transmissions-elektronenmikroskopischen <strong>Untersuchungen</strong> wurde<br />
ein CM20 UT der Firma Philips verwendet, welches bei einer Beschleunigungsspannung<br />
von 200 kV betrieben wurde. Das Vakuum im Bereich der Probe kann über eine Kühlfalle<br />
verbessert werden. Dafür wurden die außen am Mikroskop zugängigen Kupferdrähte mit<br />
flüssigem Stickstoff gekühlt.<br />
Über eine Variation <strong>des</strong> ” spotsize“ - Wertes lässt sich die Anregung der C1 - Kondensorlinse<br />
regeln. Je höher der “spotsize“ - Wert gewählt wird, <strong>des</strong>to geringer ist die Elektronen-<br />
strahlintensität. Bei den Messungen wurde eine ” spotsize“ von drei oder vier gewählt,<br />
um Strahlschädigungen an den untersuchten Perlmuttproben nach Möglichkeit ein-<br />
zudämmen. Die Objektivblende wurde nur bei Bedarf (Hell-, Dunkelfeldaufnahmen,
30 3 Grundlagen<br />
Fokussieren der Beugungsbilder) in den Strahlengang eingefügt und ihre Größe je nach<br />
Anwendungszweck gewählt. Bei der Aufnahme von Beugungsbildern wurde die kleinste<br />
wählbare SAD - Blende eingesetzt. Vor den eigentlichen <strong>Untersuchungen</strong> der Proben ist<br />
stets eine gründliche Justage <strong>des</strong> Mikroskops notwendig, um einige der Linsenfehler<br />
zu minimieren und eine optimale Auflösung zu erhalten. Die Justage bestand aus<br />
mehreren Schritten, denen eine Sättigung der LaB6 - Kathode voranging. Dem folgte<br />
eine Justage der Elektronenquelle und in manchen Fällen der TEM-Säule. Während<br />
der <strong>Untersuchungen</strong> an der Probe wurde diese oftmals um die Halterachse gekippt.<br />
Um in diesem Fall nicht die betrachtete Probenstelle auf dem Schirm zu verlieren,<br />
war es erforderlich, die Probe auf die euzentrische Höhe zu bringen. Dies geschah per<br />
Hand und musste beim Wechsel der betrachteten Stelle eventuell korrigiert werden.<br />
Die Fokussierung der Probe erfolgte ebenfalls manuell durch Regelung <strong>des</strong> Stromes der<br />
Objektivlinse und musste beim Verschieben oder Verkippen der Probe nachgebessert<br />
werden. Des Weiteren erfolgten einige kleinere Justagen, die z.B. bewirkten, dass der<br />
Elektronenstrahl tatsächlich parallel zu der optischen Achse verlief, um den Einfluss<br />
der Koma zu minimieren. Die Aufnahme von Hochauflösungsbildern konnte nur nach<br />
einer eingehenden Korrektur <strong>des</strong> Astigmatismusses der Objektivlinse erfolgen. Zu diesem<br />
Zweck wurde eine amorphe Probenstelle gesucht. Bei den Perlmuttproben erschien oft<br />
das organische Material zwischen den Aragonitplättchen amorph und konnte für die<br />
Justage verwendet werden. Mittels eines Computerprogramms konnte die Fouriertrans-<br />
formierte <strong>des</strong> amorphen Bereichs <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>, das Diffraktogramm, dargestellt werden.<br />
Zur Korrektur <strong>des</strong> Objektivlinsenastigmatismusses wurden die Objektivlinsenströme<br />
verändert, bis das Diffraktogramm rotationssymmetrisch 9 wurde.<br />
Als Bildspeichermedien fungieren im Fall <strong>des</strong> CM20 ” imaging plates“. Diese sind mit einer<br />
Schicht aus kleinen Kristallen versehen, die lokal hochenergetische Strahlung speichern<br />
können. Die Kristalle, bestehend aus dotiertem Barium Fluorbromid, werden von den<br />
auftreffenden Elektronen in einen semistabilen Zustand angeregt. Um die Informationen<br />
später wieder auslesen zu können, wird ein spezieller Scanner verwendet. Dieser beleuch-<br />
tet die ” imaging plates“ mit rotem Laserlicht, welches wiederum die Kristalle anregt<br />
und eine Abgabe der gespeicherte Informationen in Form blauer Lumineszenz bewirkt<br />
[38]. Der Anteil <strong>des</strong> blauen Lichtes ist direkt abhängig von der auf das ” imaging plate“<br />
eingefallenen Elektronenanzahl. Nach einer vierzigminütigen Beleuchtung mit weißem<br />
Licht sind alle angeregten Zustände und somit alle Informationen von den ” imaging<br />
plates“ entfernt. Sie können nun erneut zur Bildspeicherung verwendet werden.<br />
9 Da die Raumfrequenzen im amorphen Material mit gleicher Häufigkeit vorkommen.
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 31<br />
3.1.6 Chemische Analytik<br />
In diesem Abschnitt werden einige Methoden behandelt, die eine Untersuchung der che-<br />
mischen Zusammensetzung einer Probe ermöglichen. Ebenso wie Z - Kontrast Untersu-<br />
chungen werden diese Messungen im STEM-Modus durchgeführt.<br />
3.1.6.1 Elektronenenergieverlustanalytik<br />
EELS<br />
Eine Möglichkeit, Informationen über die chemische Zusammensetzung einer Probe zu<br />
erhalten, ist die Elektronenenergieverlustspektroskopie (EELS: electron energy loss spec-<br />
troscopy). Sie liefert die Energieverteilung der Elektronen, die mit der Probe wechsel-<br />
gewirkt haben. Die Signalintensität I wird gegen den Energieverlust E aufgetragen. Das<br />
Spektrum zeigt gewöhnlich einen kontinuierlich abfallenden ” Hintergrund“, der von Spek-<br />
trallinien überlagert wird. Bei E =0eV tritt das höchste Maximum <strong>des</strong> Spektrums auf.<br />
Dieses wird ” zero - loss peak“ genannt und beinhaltet ungestreute Elektronen und Elektro-<br />
nen, die zwar mit der Probe wechselgewirkt haben, jedoch ohne signifikanten Energiever-<br />
lust 10 . Der übrige Teil <strong>des</strong> Spektrums umfasst Elektronen, die einen Energieverlust durch<br />
Interaktion (inelastische Streuung) mit der Probe erfahren haben [39]. Die erscheinenden<br />
Spektrallinien sind charakteristisch für den Auftritt bestimmter inelastischer Streuprozes-<br />
se oberhalb einer Energie E, die zu einer Ionisation innerer Schalen der Atome führen.<br />
Diese Ionisationsenergie ist signifikant für die unterschiedlichen Elemente und gibt daher<br />
Auskunft über die Zusammensetzung der Probe.<br />
In einem EELS-Spektrum, das an einer ausreichend dünnen Probenstelle aufgenommen<br />
wurde, entspricht je<strong>des</strong> spektrale Merkmal einem anderen Anregungsprozess [40]. In dicke-<br />
ren Proben wird ein transmittiertes Elektron jedoch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit<br />
mehr als einmal inelastisch gestreut. Der Energieverlust <strong>des</strong> Elektrons ist damit die Sum-<br />
me der einzelnen Verluste. Da der Anteil der inelastisch gestreuten Elektronen mit der<br />
Probendicke ansteigt, beinhaltet das EELS-Spektrum Informationen über die Dicke t der<br />
Probe [41]. Sie lässt sich bestimmen über<br />
t = λln( IT<br />
). (26)<br />
I0 ist die Intensität unter dem ” zero - loss peak“, IT ist die Gesamtintensität in dem<br />
Spektrum und mit λ ist die mittlere freie Weglänge 11 bezeichnet. Diese gibt die<br />
durchschnittliche Distanz an, die ein Elektron zwischen zwei Wechselwirkungsprozessen<br />
zurücklegt und ist abhängig von der Zusammensetzung der Probe. Für Streuung bei<br />
TEM Spannungen befinden sich die Werte für λ in einer Größenordnung von einigen<br />
10Beispielsweise beträgt der Energieverlust bei Elektron-Phonon- Streuung lediglich 100meV oder<br />
weniger [39].<br />
11 Der Buchstabe λ ist die konventionelle Bezeichnung für die mittlere freie Weglänge und darf nicht<br />
mit der Wellenlänge verwechselt werden.<br />
I0
32 3 Grundlagen<br />
zehn Nanometern.<br />
Energiegefiltertes TEM<br />
Bei der energiegefilterten Transmissions-Elektronenmikroskopie (EFTEM: energy filtered<br />
transmission electron microscopy) werden nur Elektronen einer bestimmten Energie bzw.<br />
eines bestimmten Energieverlustes 12 zur Bildentstehung zugelassen. Wird ein Energiever-<br />
lustbereich gewählt, der der Ionisationsenergie eines Elements entspricht, so kann auf diese<br />
Weise die Verteilung <strong>des</strong> Elementes in der Probe im Bild sichtbar gemacht werden. Es muss<br />
berücksichtigt werden, dass die Ionisationskante von dem kontinuierlich abfallenden, spek-<br />
tralen Hintergrund, der durch andere Energieverluste erzeugt wurde, überlagert wird. Um<br />
ein Bild zu erhalten, in dem tatsächlich nur die charakteristische Verlustintensität darge-<br />
stellt ist, muss der Hintergrund abgezogen werden. Dazu wird zunächst ein EFTEM Bild<br />
bei einem Energieverlust, der kurz vor der Ionisationskante <strong>des</strong> betrachteten Elements<br />
liegt, aufgenommen und anschließend von einem Bild, das mit einem Energiefilter im<br />
Bereich der Ionisationskante erstellt wurde, subtrahiert. Diese Elementverteilungsbilder<br />
(engl. elemental mapping) liefern einen ersten Eindruck über die Verteilung eines Ele-<br />
ments in der Probe. Das Bild kann jedoch zusätzlich durch Beugungskontrast beeinflusst<br />
sein [40]. Dieser entsteht durch das Einfügen von Blenden, welches durch das Abfangen<br />
gebeugter Elektronen eine Veränderung <strong>des</strong> detektierten Anteils elastisch gestreuter Elek-<br />
tronen zur Folge hat. Eine Methode den Beugungskontrast zu minimieren besteht darin,<br />
die Intensität an der Ionisationskante durch eine davor liegende Intensität zu dividieren.<br />
Man erhält dann ein sogenanntes ” jump ratio“ Bild. Dieses liefert ein Intensitätsbild, wel-<br />
ches näherungsweise die Konzentration (Atome pro Volumen) <strong>des</strong> untersuchten Elements<br />
widerspiegelt.<br />
3.1.6.2 Energiedispersive Röntgenanalytik EDX<br />
Ein weiteres Verfahren zur Materialanalyse stellt die energiedispersive Röntgenanalytik<br />
(EDX: energy dispersive X-ray) dar. Die Probe wird mit energiereichen Elektronen<br />
bestrahlt und emittiert charakteristische Röntgenstrahlung. Die einfallenden Elektronen<br />
stoßen Elektronen aus den inneren Schalen der Atome der untersuchten Probe. Diese<br />
entstandenen Lücken werden mit Elektronen aus höher liegenden Schalen aufgefüllt.<br />
Dabei wird Röntgenstrahlung, deren Energie der Energiedifferenz der beteiligten Elektro-<br />
nenschalen entspricht, abgegeben. Diese Strahlung ist charakteristisch für je<strong>des</strong> Element<br />
und kann genutzt werden, um die Elementzusammensetzung der Probe zu bestimmen.<br />
Ein EDX-Spektrum enthält Linien bestimmter Energien, deren Höhe die Zahl der<br />
detektierten Röntgenquanten über die Messzeit angibt. Sie werden nach den Energie-<br />
nivieaus, auf die angeregte Elektronen nach der Abgabe <strong>des</strong> Röntgenquants zurückfallen,<br />
benannt. Abb.24 zeigt in einer schematischen Darstellung die Beziehung zwischen<br />
Elektronenschalen (Energieniveaus) und Spektrallinien.<br />
12 Dies entspricht einem bestimmten Ausschnitt <strong>des</strong> EELS-Spektrums
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 33<br />
Abb. 24: Schematische Dar-<br />
stellung der Beziehung zwi-<br />
schen Elektronenschalen und<br />
Spektrallinien<br />
Die Analysemethoden EELS und EDX ergänzen sich in vielen Fällen. Mittels EELS<br />
lassen sich eher leichtere Elemente nachweisen. Der Hauptanwendungsbereich von EDX<br />
befindet sich dagegen im Bereich der Elemente mittlerer und hoher Ordnungszahlen.<br />
Da niederenergetische Röntgenquanten in der Probe und in dem Fenster <strong>des</strong> Detektors<br />
reabsorbiert werden können, können mittels EDX die leichteren Elemente mit einer<br />
geringeren Genauigkeit nachgewiesen werden.<br />
Zur Untersuchung mittels EDX (und auch EELS und Z - Kontrast) wurde dieselbe, ana-<br />
log zu Abschnitt 3.1.8.2 mittels FIB (focused ion beam) präparierte Querschnittsprobe<br />
verwendet. Alle Messungen wurden am IFAM (Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik<br />
und Angewandte Materialforschung) in Bremen durchgeführt. Die Beschleunigungsspan-<br />
nung betrug 200 kV. Die Bilder wurden über eine CCD - Kamera aufgenommen und direkt<br />
digital gespeichert. Im Falle der EDX- und EELS-Messungen konnten am Computerbild-<br />
schirm bestimmte Probenbereiche ausgewählt und das zugehörige Spektrum gespeichert<br />
werden.<br />
3.1.7 Elektronentomographie<br />
Die Abbildungen, die mittels Transmissions-Elektronenmikroskopie erhalten werden, zei-<br />
gen lediglich eine zweidimensionale Projektion der durchstrahlten Probe. Es können nur<br />
schwer Aussagen über die Form und Struktur von Objekten wie z.B. Nanoporen gemacht<br />
werden. Elektronentomographie ermöglicht es, aus zweidimensionalen Aufnahmen dreidi-<br />
mensionale Rekonstruktionen ausgewählter Strukturen zu erstellen. Dazu wird eine Reihe<br />
von Bildern bei jeweils unterschiedlichen Kippwinkeln der Probe im TEM- oder STEM-<br />
Modus aufgenommen. Zur Signalaufnahme wird ein HAADF (high angle annular dark<br />
field)-Detektor verwendet. Je nach Dicke der Probe ist der Verkippungswinkel beschränkt<br />
auf zumeist ±70 ◦ .<br />
Zur Rekonstruktion muss zuerst die gegenseitige Verschiebung 13 der Bilder einer Serie<br />
abgeglichen werden. Dies kann mit einer geeigneten Software oder, wenn die Geometrie<br />
der Proben es erfordert, manuell geschehen. Über eine Rückprojektionsmethode, die in<br />
Abb. 25 und 26 verdeutlicht wird, werden die Bildprojektionen unter Berücksichtigung<br />
13 Die Verschiebung der Bilder entsteht durch Probendrift.
34 3 Grundlagen<br />
<strong>des</strong> eingestellten Winkels in den Objektraum transferiert. Durch die Superposition der<br />
rückprojizierten Bilder bei unterschiedlichen Winkeln erhält man eine gute Vorstellung<br />
von der Form <strong>des</strong> untersuchten Objektes.<br />
Abb. 25: Schematische Darstellung der tomographischen Datenaufzeichnung und Rekonstruk-<br />
tion. (a) Es werden für möglichst viele verschiedene Verkippungswinkel der Probe Projek-<br />
tionen aufgenommen. (b) Die einzelnen Projektionen werden in ein gemeinsames Volumen<br />
rückprojiziert. Adaptiert aus [42].<br />
Abb. 26: Bildprojektionen<br />
werden unter Berücksich-<br />
tigung <strong>des</strong> Kippwinkels der<br />
Probe in den Objektraum<br />
transferiert.<br />
Bei der Rekonstruktion der Tomographiedaten treten zwei Fehlerquellen auf, die im<br />
Folgenden erläutert werden.<br />
Fehlender ” Keil“<br />
Abb. 27 zeigt die schematische Seitenansicht einer von Elektronen durchstrahlten Probe.<br />
Die Probe ist für verschiedene Verkippungswinkel eingezeichnet. Die Beschränkung <strong>des</strong><br />
maximalen Kippwinkels auf ±70 ◦ führt zu einem ” Keil“, der keine Informationen liefert.<br />
Diese Dateneinbuße wird besonders bei Strukturen, die parallel zu der Probennormalen<br />
stehen, bemerkbar. Sie werden nicht oder nur ansatzweise in der Bildrekonstruktion
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 35<br />
wiedergegeben. Des Weiteren kann eine streifenförmige Kontrastveränderung in rekon-<br />
struierten Bildern erzeugt werden.<br />
Abb. 27: Seitenansicht einer<br />
von Elektronen durchstrahlten<br />
Probe. Die Probe ist für drei ver-<br />
schiedenen Verkippungen darge-<br />
stellt: 0 ◦ , 30 ◦ und 70 ◦ . Der feh-<br />
lende ” Keil“ wird durch den<br />
maximalen Kippwinkel α be-<br />
stimmt.<br />
Ungleichverteilung der Datenpunkte im Fourierraum<br />
Bei der Rückprojektion tritt ein weiterer Informationsverlust auf. Rekonstruktionen durch<br />
Rückprojektion sind immer mit einer Verstärkung der niedrigen Frequenzen und dem Ver-<br />
lust der feineren Objektdetails verbunden. Dies geht mit der ungleichen Verteilung der<br />
Raumfrequenzen in den Projektionen einher [43]. Abb. 28 macht deutlich, dass die Annah-<br />
me einer gleichmäßigen Verteilung <strong>des</strong> Fourierraumes in jeder Projektion zu einer hohen<br />
Verteilungsdichte der Datenpunkte nahe <strong>des</strong> Zentrums <strong>des</strong> Fourierraumes führt. Es tritt<br />
eine Unterverteilung der höheren Raumfrequenzen <strong>des</strong> Objektes auf. Dieser Einfluss auf<br />
die Rekonstruktion kann durch Einsatz von gewichteten Filtern im Fourierraum minimiert<br />
werden. Diese sind radiale lineare Funktionen, die im Mittelpunkt <strong>des</strong> Fourierraumes Null<br />
und an <strong>des</strong>sen Rand maximal sind. Man führt dann eine gewichtete Rückprojektion durch.<br />
Abb. 28: (a) Verteilung der Da-<br />
tenpunkte im Fourierraum. Es<br />
befinden sich viele Datenpunkte<br />
bei niedrigen Ortfrequenzen. Ho-<br />
he Ortfrequenzen hingegen wei-<br />
sen eine geringere Dichte an Da-<br />
tenpunkten auf. Durch die Un-<br />
terverteilung höherer Frequenzen<br />
kommt es zu einer Unschärfe <strong>des</strong><br />
Bil<strong>des</strong>. (b) Originalbild. (c) Über<br />
die Rückprojektionsmethode re-<br />
konstruiertes Bild von (b). Adap-<br />
tiert aus [43].
36 3 Grundlagen<br />
Da bei Tomographiemessungen die Probe in einem großen Winkel verkippt wird, ist es<br />
unbedingt notwendig, in der FIB (focused ion beam, siehe Abschnitt 3.1.8.2) genügend<br />
Probenmaterial zu entfernen und eine möglichst ausgedehnte Lamelle zu erhalten, damit<br />
die Probe auch bei großen Winkeln noch durchstrahlt werden kann. Um dennoch ei-<br />
ne ausreichende Stabilität der Probe zu gewährleisten, wurde die Lamelle gestuft geätzt.<br />
Schließlich betrug die Breite 100µm, die Tiefe etwa 20µm und die Dicke lag in den dünnen<br />
Bereichen zwischen (50 − 120)nm. Diese Abmessungen ermöglichten eine Kippung von<br />
±70 ◦ . Die Zonenachse der präparierten Querschnittsprobe lautete 〈001〉.<br />
Am IFAM (Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialfor-<br />
schung) wurde die Probe mit einer Suspension, die 10 nm große Goldpartikel enthielt,<br />
behandelt, so dass einige der Partikel an der Probenoberfläche anhafteten. Die Goldparti-<br />
kel markieren zum einen die Probenoberfläche, zum anderen sind sie erforderlich, um die<br />
Bilder einer aufgenommenen Serie aufeinander abzugleichen. Die Tomographiemessungen<br />
wurden an einem Tecnai F20 X-Twin mit einer Beschleunigungsspannung von 200 kV<br />
von Dr. Christian Kübel (IFAM, Bremen) in Eindhoven durchgeführt. Die erhaltenen<br />
Daten konnten mit dem Programm imod ([44]) eingelesen und ausgewählte Bereiche als<br />
dreidimensionale Simulationen dargestellt werden.<br />
3.1.8 Probenpräparation<br />
In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen Methoden vorgestellt, die angewandt<br />
wurden, um Proben für TEM <strong>Untersuchungen</strong> zu präparieren.<br />
Prinzipiell wurden aus der Schneckenschale von Haliotis laevigata drei unterschiedli-<br />
che Proben präpariert: zwei senkrecht zueinander stehende Querschnittsproben ( ” cross-<br />
section“) der Schneckenschale und eine Aufsichtsprobe ( ” plane-view“). Ziel bei der<br />
Präparation war es, Proben zu erhalten, die lediglich einige zehn Nanometer dick sind.<br />
Dies ist eine nötige Vorraussetzung für die Durchstrahlung mit Elektronen.<br />
Die Schalen der Haliotis laevigata stammten von Fred Glasbrenner (Abalone Exports,<br />
Laverton North, Victoria, Australia) und wurden bei 4 ◦ C gelagert.<br />
Die Schneckenschale wurde zuerst mit einer Bürste und Wasser von grobem Schmutz<br />
befreit. Anschließend wurde mit einem Sandstrahler die Calcitschicht entfernt. Mit ei-<br />
nem Hammer wurden einige Teile <strong>des</strong> so präparierten Perlmutts der Schale abgeschlagen,<br />
so dass ein möglichst ebenes, etwa (2×2)cm großes Perlmuttstück erhalten wurde. Mit<br />
einer Diamantdrahtsäge wurden nun daraus mehrere etwa 1cm lange und 2mm breite<br />
Streifen zurechtgesägt. Da diese Streifen aufgrund der Krümmung der Schneckenscha-<br />
le und einiger Einschlüsse, die zu Erhebungen auf der Schaleninnenseite führten, noch<br />
keine glatten Oberflächen besaßen, wurden sie nassgeschliffen. Je nach Art der Probe,<br />
die erhalten werden sollte, wurden Siliziumstreifen mit einem Epoxidkleber auf ( ” cross-<br />
section“) bzw. seitlich an ( ” plane-view“) die Perlmuttstreifen geklebt. Zum Aushärten<br />
<strong>des</strong> Klebers wurden Probe und angeklebte Siliziumstreifen bei 150 ◦ C auf eine Herdplat-<br />
te gelegt. Des Weiteren waren Perlmuttstreifen und Silizium in einen Halter eingespannt,
3.1 Transmissions-Elektronenmikroskopie 37<br />
der die beiden Materialien während <strong>des</strong> Aushärtens <strong>des</strong> Klebers zusammenpresste. Die so-<br />
weit bearbeiteten Silizium-Perlmuttstreifen wurden mit der Diamantdrahtsäge in mehrere<br />
300µm dicke Scheibchen zersägt. Diese Scheibchen wurden einzeln mit einem Wachskleber<br />
auf Tripodhaltern befestigt. Über verstellbare Füße konnte der Tripodhalter waagerecht<br />
zur Schleifebene eingestellt werden. Das Dünnen der Scheibchen erfolgte über ein Nass-<br />
schleifverfahren, bei dem Diamantläppfolien unterschiedlicher, abnehmender Körnungen<br />
verwendet wurden. Für das grobe Herunterschleifen der Probe wurden Körnungen zwi-<br />
schen 30µm und 1µm verwendet. Anschließend erfolgte eine beidseitige Politur mit einer<br />
Körnung von 0,5µm. Die Dicke der Probe wurde über eine digitale Messuhr bestimmt.<br />
Zudem konnte ausgenutzt werden, dass Silizium ab einer Dicke von etwa 20 µm in einem<br />
Durchlichtmikroskop rötlich erscheint. Damit war die ungefähre Dicke ermittelbar, ohne<br />
die empfindliche Probe mechanisch zu beanspruchen.<br />
Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Möglichkeiten der weiteren Verarbeitung be-<br />
schrieben.<br />
3.1.8.1 Präparation mittels Muldenschleifgerät und PIPS (precision ion<br />
polishing system)<br />
Auf beide Seiten der geschliffenen Perlmuttscheibchen wurde ein Kupferring mit einer<br />
runden Öffnung (Durchmesser: 1,5 mm) aufgeklebt. Hierzu wurde erneut Epoxidkleber<br />
verwendet und der Verbund auf der Herdplatte bei 150 ◦ C ausgehärtet. Mit einem Mul-<br />
denschleifgerät wurde von beiden Seiten eine sphärische Vertiefung in die Mitte der Probe<br />
geschliffen, so dass die Probendicke dort etwa 20µm betrug. Während <strong>des</strong> Schleifens wur-<br />
den Diamantpasten mit Körnungen zwischen 15µm und 3µm verwendet. Poliert wurde<br />
mit einer Körnung von 0,25µm.<br />
In der PIPS wurde die Mitte der Vertiefung mit Argonionen (Beschleunigungsspannung<br />
5keV) unter Einfallswinkeln von ±5 ◦ beschossen, bis ein kleines Loch entstand. Die Probe<br />
rotierte dabei horizontal ((3 - 6)rpm), um eine möglichst gleichmäßige Ausdünnung zu<br />
gewährleisten.<br />
Die Ränder <strong>des</strong> Loches besaßen eine Dicke von wenigen zehn Nanometern und waren<br />
somit mit Elektronen durchstrahlbar. Der Vorteil dieser Präparationsmethode war, dass<br />
großflächige, dünne Bereich entstanden. Die sehr dünnen (und somit für Hochauflösung<br />
interessanten) Stellen dieser Bereiche waren jedoch im Elektronenstrahl <strong>des</strong> TEM nicht<br />
stabil und brachen, bevor Aufnahmen und die zugehörigen Einstellungen vorgenom-<br />
men werden konnten. Um mechanisch stabilere Proben zu erstellen, wurde eine zweite<br />
Präparationsmethode durchgeführt.<br />
3.1.8.2 Präparation mittels FIB (focused ion beam)<br />
Ein Kupferring mit einem Spalt von (2×1)mm bzw. (2×0,5)mm wurde mit einer Rasier-<br />
klinge halbiert und so mit Epoxidkleber auf das geschliffene Perlmuttscheibchen geklebt,<br />
dass sich in der Mitte das Halbringes eine möglichst ebene Kante der Probe befand.
38 3 Grundlagen<br />
Anschließend wurden Ring und Perlmutt zum Aushärten <strong>des</strong> Klebers bei 150 ◦ C auf die<br />
Herdplatte gelegt. Zur weiteren Präparation wurde ein DualBeam-System verwendet,<br />
bei dem sowohl ein Ionenstrahl (FIB-System) als auch ein Elektronenstrahl (SEM) zum<br />
Einsatz kommen. Das FIB-System arbeitet mit einem stark fokussierten Galliumionen-<br />
strahl. Dieser kann bei niedrigem Strahlfluss zur Abbildung 14 und bei hohem Strahlfluss<br />
zur punktgenauen Abtragung <strong>des</strong> Probenmaterials verwendet werden.<br />
Abb. 29: SEM Aufnahme einer mittels FIB präparierten Lamelle in einer Perlmuttquerschnitts-<br />
probe.<br />
Die letztgenannte Eigenschaft wurde zur Präparation einer etwa 50 nm dünnen Lamelle<br />
(Abb. 29) in der Perlmuttprobe genutzt. Das integrierte SEM (scanning electron micros-<br />
cope) arbeitet mit Sekundärelektronen, die beim Aufprall der auf die Probe einfallenden<br />
Elektronen emittiert werden. Es wurden eine Beschleunigungsspannung von 5 kV und<br />
ein Strom von 0,4 nA eingestellt. Um eine allzu starke Aufladung der Perlmuttprobe zu<br />
vermeiden, wurde sie beidseitig mit einer etwa 5 nm dicken Goldschicht bedampft. Dies<br />
erhöhte die Leitfähigkeit der Probe.<br />
In der evakuierten Kammer <strong>des</strong> DualBeam-Systems stand die Probe parallel zum Elektro-<br />
nenstrahl und in einem Winkel von 52 ◦ zum Ionenstrahl. Nach Einstellung <strong>des</strong> Arbeitsab-<br />
stan<strong>des</strong>, der euzentrischen Höhe, <strong>des</strong> Fokusses und nach Korrektur <strong>des</strong> Astigmatismusses<br />
im SEM-Modus wurde die Probe um 52 ◦ gekippt und stand somit parallel zum Ionen-<br />
strahl (siehe Abb. 30). Dieser wurde bei einer Spannung von 30 kV betrieben. Bei einem<br />
Strom von 10 pA war eine Abbildung mit dem Ionenstrahl möglich, bei der es noch zu<br />
keiner starken Materialabtragung <strong>des</strong> Perlmutts kam. Ebenfalls im DualBeam-System<br />
integriert ist ein Gasinjektionssystem, mit dem es möglich ist, Platin auf der Probe zu<br />
deponieren. Dies geschieht auf dem Probenbereich, der beim Ätzen ausgespart werden soll<br />
14 Eine Abbildung ist immer möglich, jedoch nimmt mit steigendem Strahlfluss die Probenschädigung<br />
durch den Ionenstrahl zu.
3.2 Raster-Elektronenmikroskopie 39<br />
Abb. 30: Schematische<br />
Darstellung der Ionen - und<br />
Elektronenstrahlrichtungen<br />
in dem DualBeam -System.<br />
Die Probe wurde um 52 ◦<br />
verkippt.<br />
und später die Oberkante der zu untersuchenden Lamelle bildet. Die Platinschicht dient<br />
als Schutz und soll verhindern, dass die Lamellenoberkante beim Ätzvorgang beschädigt<br />
wird.<br />
Mit einem hohen Ionenstrahlstrom von 20 nA wurde anschließend großräumig das<br />
überschüssige Probenmaterial abgetragen. Mit geringeren Strömen von 1nA - 3nA wurde<br />
die Lamelle soweit nachgeätzt, bis sie etwa eine Dicke von 50 nm und eine möglichst glatte<br />
Oberfläche aufwies.<br />
3.1.8.3 Weitere Präparationsmethoden<br />
Neben der Präparation einer TEM Probe mittels PIPS und FIB wurden weitere Me-<br />
thoden getestet, die auf einer mechanischen bzw. nasschemischen Behandlung der Probe<br />
basierten.<br />
• Präparation mittels Ultramikrotom:<br />
Die Erzeugung dünner Schnitte mit dem Ultramikrotom misslang, da die Perlmutt-<br />
schnitte zu porös waren und zerbrachen.<br />
• Behandlung mit EDTA:<br />
Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) ist ein Komplexbildner, der stabile<br />
1:1 - Komplexe mit Kationen, die min<strong>des</strong>tens eine Ladungszahl von +2 besitzen,<br />
erzeugt. EDTA ist somit geeignet, Verbindungen mit den Ca 2+ - Ionen der Arago-<br />
nitplättchen einzugehen und so zu einem Abbau der Plättchen zu führen. Die Be-<br />
handlung einer geschliffenen 20µm dicken Probe mit einer 40 mM EDTA-Lösung<br />
entfernte zwar die Aragonitplättchen, die organische Matrix bleib jedoch bestehen.<br />
Eine Nachbehandlung mit (1,5 - 3,5)%igem Natriumhypochlorid (NaOCl) zur Ent-<br />
fernung <strong>des</strong> organischen Materials führte zur Ablösung <strong>des</strong> gedünnten Probenbe-<br />
reichs. Die Verwendung <strong>des</strong> nasschemischen Ätzverfahrens zur Erzeugung einer TEM<br />
Probe schlug fehl.<br />
3.2 Raster -Elektronenmikroskopie<br />
Ebenso wie in einem TEM werden in einem Raster-Elektronenmikrokop (SEM: scanning<br />
electron microscope) Elektronen an einer Kathode emittiert, beschleunigt und durch ein<br />
System aus elektromagnetischen Linsen fokussiert. Die Beschleunigungsspannung ist mit
40 3 Grundlagen<br />
einem Wert von 5 kV jedoch wesentlich geringer. Die Probe kann eine makroskopische<br />
Dicke aufweisen, da sie im SEM nicht von den Elektronen durchstrahlt wird. Vielmehr<br />
wird über das Linsensystem der Elektronenstrahl auf die Probe fokussiert und über sie<br />
hinweg gerastert. Dabei werden an der Probenoberfläche Elektronen rückgestreut und<br />
in oberflächennahen Schichten Sekundärelektronen erzeugt. Sekundärelektronen entste-<br />
hen, wenn die einfallenden hochenergetischen Elektronen schwach gebundene Elektronen<br />
aus den äußeren Atomhüllen herausschlagen. Bei Proben, die eine geringe Leitfähigkeit<br />
aufweisen, kann es zu Aufladungen kommen, die wiederum zu einer Streuung <strong>des</strong> Elek-<br />
tronenstrahls führen können. Ist die Energie der einfallenden Elektronen zu gering, so<br />
werden nur wenige Sekundärelektronen produziert und die Probe lädt sich stellenweise<br />
negativ auf. Umgekehrt kann es bei einer zu hohen Energie zu einer positiven Aufladung<br />
kommen. Um diese Effekte zu vermindern ist es notwendig, eine dünne Edelmetallschicht<br />
(z.B. Gold) auf die Probe zu dampfen. In dem verwendeten SEM wurden lediglich die<br />
Sekundärelektronen detektiert. Die Anzahl der erzeugten und schließlich detektierten Se-<br />
kundärelektronen ist abhängig von der Beschaffenheit der Probe. Ein Detektor bestimmt<br />
für jeden Punkt auf der Probe aus der Anzahl der emittierten Sekundärelektronen einen<br />
Helligkeitswert, der auf einem Computerbildschirm dargestellt werden kann. So lässt sich<br />
direkt ein Graustufenbild der Probenoberfläche betrachten.<br />
3.3 Wachstumsexperimente<br />
Um das Anfangsstadium <strong>des</strong> Wachstums der Aragonitplättchen <strong>des</strong> Perlmutts untersuchen<br />
zu können, wurden sogenannte ” flat pearls“ erzeugt. Diese weisen im Gegensatz zu den<br />
gelieferten Schneckenschalen eine unbeschädigte Wachstumsfront auf. Zur Herstellung von<br />
” flat pearls“ wurden mit der Diamantdrahtsäge 500 µm dicke Siliziumwafer auf eine Größe<br />
von (0,5×0,5)cm zurecht gesägt. Mit Aceton wurden die Siliziumplättchen gründlich ge-<br />
reinigt und mit einer Pinzette vorsichtig zwischen das Mantelepitel und die Schale der<br />
Meeresschnecken geschoben. Die vier zur Verfügung stehenden Schnecken gehören der<br />
Art Haliotis tuberculata an und leben bei 15 ◦ C in einem Aquarium.<br />
Da die Schnecken das Silizium als Fremdkörper wahrnehmen, der eventuell zu Verletzun-<br />
gen <strong>des</strong> Körpers führen könnte, versuchen sie es entweder durch Muskelkraft abzustoßen<br />
oder es mit einer Calcit- und darauf folgenden Perlmuttschicht zu überwachsen. Analog<br />
zur Entstehung einer gewöhnlichen runden Perle, wird so eine flache Perle, eine sogenann-<br />
te ” flat pearl“ erzeugt.<br />
Nach 2 Wochen wurden die bewachsenen Wafer aus den Schnecken entfernt, mit Millipore<br />
Wasser abgespühlt und anschließend mit Stickstoff trocken geblasen. Eine Lagerung der<br />
” flat pearls“ erfolgte bei 4◦ C in 50 ml sterilfiltriertem Seewasser, das mit 50µl Natriumazit<br />
versetzt war. Das Natriumazit erfüllte die Aufgabe Mikroorganismen zu hemmen.<br />
Zur Untersuchung im SEM wurden die so erzeugten ” flat pearls“ mit Gold bedampft.
4 Ergebnisse und Diskussion<br />
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der verschiedenen <strong>Untersuchungen</strong> vorgestellt<br />
und diskutiert. Abschnitt 4.1 behandelt die Untersuchung <strong>des</strong> Aufbaus der Wachstums-<br />
front einer ” flat pearl“. Im folgenden Abschnitt 4.2 wird die Korrelation übereinander<br />
liegender Aragonitplättchen untersucht. Die gewonnenen Ergebnisse führen im Rahmen<br />
der Mikrostrukturanalyse von Perlmutt (Abschnitt 4.3) zu der Untersuchung der Mine-<br />
ralbrücken (Abschnitt 4.3.1). Einen weiteren Bestandteil der Mikrostrukturanalyse macht<br />
die Untersuchung der Nanoporen (Abschnitt 4.3.2) aus.<br />
4.1 Untersuchung der Wachstumsfront<br />
Die Abb. 31 (a) zeigt eine SEM Aufnahme der Wachstumsfront einer ” flat pearl“, auf<br />
der die einzelnen Aragonitplättchenstapel deutlich als helle Flecke zu erkennen sind. In<br />
dem Bildteil (b) ist ein Ausschnitt <strong>des</strong> Diffraktogramms <strong>des</strong> gelb umrandeten Bildberei-<br />
ches dargestellt. Die Bildteile (c) und (d) zeigen die Intensitätsverteilungen entlang der<br />
waagerechten und der senkrechten Linie in dem Diffraktogramm.<br />
Abb. 31: (a) SEM Aufnahme der Wachstumsfront einer ” flat pearl“. (b) Diffaktogramm <strong>des</strong><br />
gelb umrandeten Bereiches in (a). (c) Intensitätsverteilungen entlang der in (b) eingezeichneten<br />
Linien.<br />
41
42 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Aus dem Abstand der Maxima dieser Verteilungen lässt sich der mittlere Abstand<br />
zwischen den Spitzen der Aragonitplättchenstapel abschätzen. Man erhält aus (c) einen<br />
Abstand von 9,13µm ±0, 5 µm und aus (d) einen Abstand von 8,78µm ±0, 5 µm.<br />
Der Mittelwert dieser beiden Abstände ist 8,96µm ±0, 5 µm. Der Fehler ergibt sich<br />
durch eine geschätzte Ungenauigkeit bei der Bestimmung der Lage der Maxima in<br />
(c) und (d). Im Rahmen dieses Fehlers ist die Verteilung der Plättchenstapel an der<br />
Wachstumsfront isotrop. Der mittlere Abstand der Stapelspitzen entspricht der Breite<br />
der Aragonitplättchen, die somit bei 8,96µm ±0, 5 µm liegt. Dieser Wert befindet sich in<br />
dem in der Literatur ([27]) genannten Bereich von (5 - 10)µm.<br />
Abb.32 zeigt SEM Aufnahmen der Wachstumsfront einer ” flat pearl“ bei höheren Ver-<br />
größerungen. Die annähernd hexagonale Facettierung der Aragonitplättchen ist deutlich<br />
zu erkennen. Viele der Stapel weisen nicht nur eine, sondern zwei Spitzen auf. Zwischen<br />
den Plättchenstapeln ist eine Schicht zu erkennen, die wahrscheinlich aus organischem<br />
Material besteht und in der FIB durch kurzen Beschuss mit Galliumionen aufreißt.<br />
Abb. 32: (a) SEM Aufnahme der Wachstumsfront einer ” flat pearl“. Die Pfeile markieren<br />
einige Aragonitplättchenstapel, auf denen an zwei unterschiedlichen Stellen ein neues Plättchen<br />
entsteht. (b) Vergrößerte Darstellung zweier benachbarter Stapel. Auf dem linken Stapel sind<br />
zwei sich bildende Plättchen erkennbar.
4.1 Untersuchung der Wachstumsfront 43<br />
In Abb. 33 ist ein auf diese Weise entstandenes Loch in der organischen Schicht abgebil-<br />
det, das Einblicke auf die darunter liegenden Aragonitplättchen gewährt.<br />
Abb. 33: (a) und (b) SEM Aufnahmen der Wachstumsfront einer ” flat pearl“. Die hellen Flecken<br />
auf der Probenoberfläche stammen von der Bedampfung mit Gold. Die Löcher in der organischen<br />
Schicht entstanden durch Einwirkung <strong>des</strong> Ionenstrahls in der FIB.<br />
Nakahara et al. zeigte in [45] und [46] anhand von TEM <strong>Untersuchungen</strong> an der Wachs-<br />
tumsfront einer Perlmuttprobe, dass mehrere vorgefertigte Schichten der organischen<br />
Matrix existieren, in die die Aragonitplättchen hineinwachsen. In den durchgeführten<br />
SEM <strong>Untersuchungen</strong> der Wachstumsfront konnten diese Schichten nicht ausgemacht<br />
werden. Es scheint lediglich in einem Abstand von etwa fünf Aragonitplättchen<br />
(= ca. 2,65µm) unter der organischen Schicht eine weitere Schicht zwischen den<br />
Plättchenstapeln aufgespannt zu sein. In [46] sind neben den TEM Aufnahmen ebenfalls<br />
SEM Bilder der Perlmuttwachstumsfront veröffentlicht. Auf diesen ist ebenso wie in<br />
den in Abb. 33 gezeigten Aufnahmen hauptsächlich eine dickere organische Schicht zu<br />
erkennen, jedoch keine vorgefertigte Matrix, deren Schichten zwischen den einzelnen<br />
Aragonitplättchen liegen. Möglicherweise sind die Schichten der Matrix kollabiert und<br />
bilden nun in einem größeren Abstand zueinander liegende, etwas dickere, organische<br />
Schichten.<br />
Da die dargestellten SEM Aufnahmen keine Informationen über die Höhe der sich<br />
bildenden Aragonitplättchenstapel liefern, wurde mit der FIB ein Querschnitt eines<br />
Plättchenstapels an der Wachstumsfront präpariert. Ein solcher Schnitt ist in Abb. 34<br />
gezeigt. Anhand dieser Aufnahme ist zu erkennen, dass die oberen 16 Plättchen <strong>des</strong><br />
Stapels noch nicht vollständig ausgebildet sind.
44 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 34: SEM Aufnahme<br />
eines Querschnitts eines Ara-<br />
gonitplättchenstapels an der<br />
Wachstumsfront.
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen 45<br />
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen<br />
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, wie die Orientierungen<br />
übereinander gewachsener Aragonitplättchen miteinander korreliert sind.<br />
Zu diesem Zweck wurde zunächst die in Abb. 35<br />
gezeigte TEM Aufnahme einer Perlmuttquer-<br />
schnittsprobe erstellt. Dabei wurde eine Objektiv-<br />
blende gewählt, die nur einen Teil der Elektronen<br />
passieren ließ. Auf diese Weise entstand ein Bild,<br />
in dem Probenbereiche, die zonenachsennah orien-<br />
tiert waren, dunkler erschienen. Die unterschied-<br />
lichen Intensitäten der Aragonitplättchen in die-<br />
sem Bild sind also abhängig von der kristallogra-<br />
phischen Orientierung der Probenbereiche. In der<br />
Abb. 35 sind einige der Plättchen dunkler als an-<br />
dere. Die meisten der Aragonitplättchen erschei-<br />
nen in der Aufnahme jedoch in einer ähnlichen<br />
Graustufe. Dies scheint wiederum zu bedeuten,<br />
dass der Großteil der Plättchen ähnlich orientiert<br />
ist und nur einige Plättchen (die dunkleren) ei-<br />
Abb. 35: TEM Aufnahme einer Perl-<br />
muttquerschnittsprobe.<br />
ne stärker abweichende Orientierung aufweisen. Metzler et al. [47] untersuchte mittels<br />
X-PEEM 15 die Schale der Haliotis rufescens (rote Abalone). Dabei wurde deutlich, dass<br />
sich in den Plättchenstapeln Domänen mit relativ gleichbleibender Orientierung befin-<br />
den. Die Orientierung der Aragonitplättchen bleibt dabei im Schnitt lediglich über zehn<br />
und maximal über 40 Plättchenschichten erhalten. Eine quantitative Untersuchung der<br />
Orientierungen innerhalb einer Domäne wurde in der Veröffentlichung jedoch nicht vor-<br />
genommen. Eine Bestimmung der relativen Orientierung der Plättchen eines Stapels ist<br />
mittels Analyse von Feinbereichsbeugungsbildern möglich.<br />
Bestimmung der Plättchenorientierung mittels Feinbereichsbeugung<br />
Die Aufnahme von Beugungsbildern mittels Feinbereichsbeugung ermöglicht die Bestim-<br />
mung der Orientierung bestimmter Probenbereiche, in diesem Fall der Aragonitplättchen.<br />
In der Abb. 36 sind experimentell erstellte und simulierte Beugungsbilder eines Aragonit-<br />
kristalls dargestellt. Für in 〈001〉 - und 〈010〉 - Zonenachse orientierten Aragonit entstehen<br />
Beugungsbilder mit einer rechteckigen Anordnung der Reflexe. Bei einer Orientierung in<br />
〈100〉 - Zonenachse weisen die Reflexe eine nahezu hexagonale Anordnung auf 16 .<br />
Im Folgenden werden die Beugungsbilder zweier Querschnittsproben diskutiert. Es wur-<br />
16 An dieser Stelle sei erneut erwähnt, dass in dieser Arbeit für Aragonit die Raumgruppe Pnma ver-<br />
wendet wird. Die Richtung [100] steht daher parallel zu der Plättchennornalen.
46 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 36: (a) Experimentell erstellte (b) und simulierte Beugungsbilder von Aragonit für ver-<br />
schiedene Zonenachsen mit Indizierung einiger Reflexe (die Indizes befinden sich oberhalb der<br />
zugehörigen Reflexe.)<br />
de jeweils ein Aragonitplättchen in Zonenachse orientiert. Dieses erhält die Bezeichnung<br />
Referenzplättchen. Ohne die Proben weiter zu verkippen, wurden von dem Referenz-<br />
plättchen und den übrigen Plättchen <strong>des</strong> zugehörigen Stapels Beugungsbilder aufgenom-<br />
men. Schließlich ergab sich eine Serie von Beugungsbildern von einem Stapel übereinander
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen 47<br />
Abb. 37: Beugungsbilder verschiedener Aragonitplättchen der Probe QP für (a) : 1,8 ◦ ,<br />
(b) : 0,1 ◦ , (c) : 1,1 ◦ , (d) : 3,4 ◦ . Aus der Lage <strong>des</strong> COLC in den Bildern lassen sich die<br />
Verkippungswinkel der Plättchen relativ zu dem Referenzplättchen bestimmen.<br />
gewachsener Aragonitplättchen. Auf diese Weise wurden bis zu 18 übereinander<br />
liegende Plättchen untersucht. In der Abb. 37 sind einige Beispiele für solche<br />
Abb. 38: Übersicht der hin-<br />
sichtlich ihrer gegenseitigen Ori-<br />
entierung untersuchten Arago-<br />
nitplättchen der Probe QP.<br />
Beugungsbilder und in Abb. 38 der dazugehörige Pro-<br />
benbereich gezeigt. Die Beugungsbilder sind logarith-<br />
misch dargestellt, um auch schwache Reflexe deutlich zu<br />
machen. Allerdings wird dadurch auch die diffuse Hin-<br />
tergrundintensität verstärkt. Die übereinander liegenden<br />
Plättchen sind der Reihe nach durchnummeriert. Im Falle<br />
der in Abb. 38 abgebildeten Probe ist das Referenz-<br />
plättchen das mit der Nummer fünf versehene Plättchen<br />
der Serie. Plättchen Nummer 14 befindet sich außerhalb<br />
<strong>des</strong> in Abb. 38 gezeigten Probenbereiches und ist daher<br />
dort nicht eingezeichnet.<br />
Die Messungen wurden an zwei unterschiedlich<br />
präparierten Perlmuttquerschnittsproben durchgeführt.<br />
Die im Weiteren als QP (Q:Querschnittsprobe, P:PIPS)<br />
bezeichnete Probe wurde mittels PIPS präpariert. Es
48 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
lagen große (etwa 10 µm lange), ausreichend dünne (
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen 49<br />
Abb. 39: Schematische Darstellung<br />
zweier Aragonitplättchenstapel. Die<br />
grau bzw. weiß unterlegten Plättchen<br />
weisen jeweils eine ähnliche Orientie-<br />
rung auf.<br />
(a) (b)<br />
Abb. 40: (a) Schematische Darstellung eines Aragonitplättchens. Eine Kombination der Verkip-<br />
pung um die Achsen 1 und 2 ist über den Verkippungswinkel gegeben. Der Rotationswinkel be-<br />
schreibt eine Verkippung entlang der Achse 3. Die Durchstrahlungsrichtung liegt parallel zu der<br />
Achse 3. (b) Winkelverteilungen übereinander liegender Plättchen der mittels PIPS präparierten<br />
Querschnittsprobe QP. Das Referenzplättchen trägt die Nummer 5. (i) Verkippungswinkelver-<br />
teilung. (ii) Rotationswinkelverteilung.
50 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 41: Winkelverteilungen<br />
übereinander liegender Plättchen der<br />
mittels FIB präparierten Querschnitts-<br />
probe QF. Das Referenzplättchen trägt<br />
die Nummer 6.<br />
(i) Verkippungswinkelverteilung,<br />
(ii) Rotationswinkelverteilung.<br />
Da die Aragonitplättchen eines Stapels also ineinander verschachtelt auftreten, ist es<br />
möglich, dass bei der Untersuchung einer Stapelsequenz auch Plättchen angrenzender<br />
Plättchenstapel auftreten können. In der Serie der aufgenommenen Beugungsbilder<br />
können somit ein oder mehrere Bilder einer anderen Zonenachse vorgekommen sein.<br />
Die Kippwinkel der übrigen Plättchen bezüglich <strong>des</strong> jeweiligen Referenzplättchens<br />
betrugen maximal 4, 1 ◦ ± 0, 3 ◦ bzw. 4, 2 ◦ ± 0, 3 ◦ und lagen somit für beide untersuchten<br />
Proben im gleichen Wertebereich. In dem Bereich bis zu diesen Maximalwerten scheinen<br />
die Kippwinkel statistisch verteilt zu sein.<br />
Bei der Verteilung der Rotationswinkel <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> fällt auf, dass für die jeweilige<br />
Probe die Rotation bevorzugt in eine Richtung (z.B. gegen den Uhrzeigersinn) auftritt.<br />
Im Falle der Probe QP erscheinen nur negative Rotationswinkel in einem Bereich von<br />
−3, 4 ◦ bis 0 ◦ , die einer Drehung <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> gegen den Uhrzeigersinn relativ zum<br />
Beugungsbild <strong>des</strong> Referenzplättchens entsprechen. Für die Probe QF treten Drehungen
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen 51<br />
in beide Richtungen auf, jedoch überwiegt die Rotation <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> im Uhrzei-<br />
gersinn. Die Winkel variieren hier zwischen −1, 5 ◦ und 7, 7 ◦ . Während der Aufnahmen<br />
wurden keinerlei Einstellungen <strong>des</strong> Mikroskops geändert, welche die auftretende Ungleich-<br />
verteilung der Rotationswinkel erklären könnten. Da lediglich zwei Verkippungsserien<br />
aufgenommen wurden, sind keine statistischen <strong>Untersuchungen</strong> möglich, die die Annahme<br />
stützen könnten, dass die Rotationswinkel eine Vorzugsrichtung aufweisen.<br />
Wie bereits beschrieben, geben die Werte der Kippwinkel nicht die Richtung der Verkip-<br />
pung an. Um die Richtung und die Größenordnung der Verkippungen möglichst deutlich<br />
zu veranschaulichen, wurde die folgende Darstellungsart gewählt. Die COLC-Positionen<br />
der Beugungsbilder und die zugehörigen Lauekreise aufeinander folgender Plättchen<br />
wurden in eine Simulation <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> <strong>des</strong> jeweiligen Referenzplättchens ein-<br />
gezeichnet (siehe Abb. 42). Zu diesem Zweck wurde ein von Knut Müller verfasstes<br />
MATLAB Programm verwendet. Außerdem wurden zwei bestimmte Reflexe je<strong>des</strong><br />
Beugungsbil<strong>des</strong> mit eingetragen.<br />
(a) Probe QP (b) Probe QF<br />
Abb. 42: Darstellung der Verteilung der Lauekreise und ihrer zugehörigen Zentren für die<br />
Proben QP (a) und QF (b). Zudem sind die simulierten Beugungsbilder der jeweiligen in Zo-<br />
nenachse orientierten Referenzplättchen eingezeichnet. Die Indizes befinden sich unterhalb der<br />
zugehörigen Reflexe.
52 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Dies sind für QP (0¯4¯4) und (400) und für QF (040) und (¯80¯4). Die Gesamtheit dieser<br />
Reflexe gibt den Rotationsbereich der Beugungsbilder und damit den Bereich <strong>des</strong><br />
entsprechenden Kippwinkels an. Durch die violetten Linien wird die Ausdehnung <strong>des</strong><br />
Rotationsbereichs verdeutlicht. Um Aussagen über die Kipprichtungen treffen zu können,<br />
wurden in Abb. 42 die COLCs und die Lauekreise der unterschiedlichen Beugungsbilder<br />
für die jeweilige Probe eingezeichnet. Mit steigender Plättchennummer erniedrigt sich<br />
die Graustufe der Lauekreise. So ist direkt aus den Diagrammen ablesbar, wie sich die<br />
Lage der COLCs und damit die Größenordnung und die Richtung der Verkippung von<br />
aufeinanderfolgenden Plättchen ändert. Es zeigt sich, dass die COLCs nicht statistisch<br />
über den reziproken Raum verteilt sind, sondern sich in bestimmten Bereichen befinden.<br />
In Abb. 20 wurde der Zusammenhang zwischen der Position <strong>des</strong> COLC im reziproken<br />
Raum mit der Richtung der Verkippung <strong>des</strong> Plättchens verdeutlicht. COLCs, die entlang<br />
einer Geraden liegen, die durch den Primärreflex verläuft, entsprechen Plättchen, die in<br />
dieselbe Richtung verkippt sind. In der Abb. 42 (a) sind die COLCs bevorzugt entlang<br />
zweier Geraden (blaue, gestrichelte Linien) angeordnet. Dies entspricht zwei bevorzugten<br />
Kipprichtungen der Aragonitplättchen gegeneinander in dem untersuchten Stapel der<br />
Probe QP. In der Abb. 42 (b) ist zudem zu erkennen, dass COLCs einer ähnlichen Grau-<br />
stufe 17 nah der eingezeichneten, blauen Linie positioniert sind. Dies bedeutet, dass in dem<br />
Stapel der Probe QF aufeinanderfolgende Plättchen eine ähnliche Kipprichtung aufweisen.<br />
Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mittels der beiden unterschiedlichen Darstel-<br />
lungsarten, zum einen der graphischen Darstellung der COLC-Positionen im Beugungs-<br />
bild und zum anderen der Auftragung der Verkippungs- und Rotationswinkel gegen die<br />
Plättchennummern, Folgen<strong>des</strong> deutlich wird:<br />
• In den vorgestellten <strong>Untersuchungen</strong> wurden Beugungsbilder an 15 (QP) bzw. 18<br />
(QF) gestapelten Aragonitplättchen aufgenommen. In beiden Fällen wurde die<br />
größtmögliche Zahl an Plättchen betrachtet, die die Beschaffenheit der Probe zuließ.<br />
• Für beide Proben beträgt der maximale Kippwinkel zwischen den Aragonitplättchen<br />
lediglich etwas über 4 ◦ .<br />
• Der maximale Rotationswinkel <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong>, der wie in Abb. 20 gezeigt eben-<br />
falls einen Teil der Plättchenverkippung ausmacht, liegt etwa bei 7, 7 ◦ .<br />
• Die Verkippung der Plättchen innerhalb eines Stapels scheint bevorzugt in bestimm-<br />
ten Richtungen zu erfolgen.<br />
17 Eine ähnliche Graustufe bedeutet, dass die zugehörigen Plättchen in dem Stapel nah beieinander<br />
liegen.
4.2 Korrelation übereinanderliegender Aragonitplättchen 53<br />
• Zwischen den Orientierungen übereinander liegender Plättchen liegt somit eine hohe<br />
Korrelation vor.<br />
• Anhand der durchgeführten Messreihen kann nicht festgestellt werden, ob eine weit-<br />
reichende Ordnung der Plättchen vorliegt oder diese wie in [47] beschrieben nach<br />
einigen Plättchenschichten abbricht.
54 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen<br />
4.3.1 <strong>Mineral</strong>brücken<br />
Die geringe Verkippung gestapelter Plättchen zueinander und die damit verbundene ge-<br />
ringe Änderung der Orientierung zwischen ihnen, wirft die Frage auf, ob eine Verbindung<br />
zwischen den Plättchen existiert, über die die Orientierung während <strong>des</strong> Wachstums<br />
weitergegeben werden kann.<br />
Am Ende <strong>des</strong> Abschnitts 2.2.3 wurden zwei geläufige Hypothesen zum Wachstum<br />
<strong>des</strong> Perlmutts aufgeführt. In der Hypothese von Weiner [13] wird angenommen, dass<br />
epitaktisches Wachstum auftritt. Die von Schäffer et al. [28] aufgestellte Hypothese<br />
postuliert hingegen ein Wachstum <strong>des</strong> Aragonits in [100]-Richtung durch Poren in der<br />
interlamellaren, organischen Matrix, bei dem sich mineralische Verbindungen zwischen<br />
den Plättchen ausbilden. Ein solches Wachstum könnte die Übermittlung der Orientie-<br />
rung von einem Plättchen zum darüber liegenden erklären. Dieser Abschnitt soll sich<br />
daher mit dieser Hypothese beschäftigen.<br />
(a) (b)<br />
Abb. 43: (a) Transmissions- <strong>Elektronenmikroskopische</strong> Hell - und (b) Dunkelfeldaufnahmen<br />
einer Perlmuttquerschnittsprobe.<br />
Die Abb. 43 zeigt eine TEM Hell- und eine TEM Dunkelfeldaufnahme einer Perlmutt-<br />
querschnittsprobe. Zu erkennen sind Teile der übereinander liegenden etwa 500 nm dicken<br />
Aragonitplättchen. Zwischen den Plättchen befinden sich Strukturen mit einer Breite<br />
zwischen 25 nm und 55 nm, die durch oder zumin<strong>des</strong>t in die interlamellare Matrix reichen.<br />
Diese Strukturen sollen bereits an dieser Stelle der Einfachheit halber <strong>Mineral</strong>brücken<br />
genannt werden. Offen bleibt jedoch zunächst noch die Frage, ob es sich tatsächlich um<br />
durchgehende Brücken oder lediglich um ” Ausstülpungen“ an den Plättchenoberflächen
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 55<br />
handelt, die sich in manchen Fällen zufällig berühren. Wie in Abb. 43 (b) zu sehen ist,<br />
haben sich zudem Verspannungfelder im Bereich dieser Strukturen ausgebildet. Diese<br />
Felder sprechen für starre Verbindungen zwischen den leicht gegeneinander verkippten<br />
Plättchen und somit für die Existenz durchgehender Brücken. Anhand <strong>des</strong> Bildkontrastes<br />
lässt sich zudem vermuten, dass die <strong>Mineral</strong>brücken aus dem gleichen Material wie die<br />
Plättchen, also aus Aragonit bestehen.<br />
TEM Aufnahmen stellen lediglich eine Projektion der Probe dar. Anhand der in<br />
Abb.43 dargestellten Bilder kann daher nicht festgestellt werden, ob sich einige Brücken<br />
tatsächlich berühren oder ob beispielsweise zwei Brücken in Durchstrahlungrichtung hin-<br />
tereinander angeordnet sind. Aus diesem Grund wurden Tomographieuntersuchungen<br />
durchgeführt, die über die Struktur der <strong>Mineral</strong>brücken Aufschluss liefern sollten.<br />
4.3.1.1 Tomographieuntersuchungen der <strong>Mineral</strong>brücken<br />
Die Abb. 44 zeigt einige rekonstruierte Bilder entlang der [001]-Richtung, auf denen<br />
Querschnitte der Probe bei unterschiedlichen Probendicken t dargestellt sind. Die<br />
Gesamtdicke der Proben an der untersuchten Stelle beträgt t=116 nm±5 nm. Abb.44 (d)<br />
zeigt eine schematische Darstellung der mit 2 bezeichneten <strong>Mineral</strong>brücke entlang der<br />
[010]-Richtung. Die senkrechten Linien verdeutlichen die Positionen der in (a)-(c) darge-<br />
stellten Querschnitte. Eine Betrachtung der beiden mit Pfeilen markierten <strong>Mineral</strong>bücken<br />
1 und 2 zeigt, wie sich im Verlauf der aufeinander folgenden Bilder ” Ausstülpungen“<br />
an zwei übereinander liegenden Aragonitplättchen ausbilden, sich schließlich berühren<br />
und eine <strong>Mineral</strong>brücke bilden. Eine weitere Analyse der Struktur der <strong>Mineral</strong>brücken<br />
wird durch die Erzeugung dreidimensionaler Rekonstruktionen aus den Ergebnissen der<br />
Tomographieuntersuchungen ermöglicht. Eine solche Rekonstruktion erhält man, indem<br />
in jedem Querschnittsbild die Kontur der <strong>Mineral</strong>brücken markiert wird. Die Markierung<br />
erfolgt durch manuelles Nachzeichnen am Computer. Anschließend werden die Konturen<br />
aus den hintereinanderliegenden Bildern aneinander gesetzt und durch Interpolation mit<br />
einer Ummantelung versehen. Da die Auflösung und der Kontrast der Bilder niedrig<br />
sind, ist die exakte Grenze zwischen beispielsweise Brückeninnerem und der umgebenden<br />
organischen Matrix oft nur abschätzbar. Es treten daher bei der Kennzeichnung der<br />
Konturen Ungenauigkeiten auf, die sich in den dreidimensionalen Rekonstruktionen<br />
widerspiegeln.<br />
In der Abb. 45 sind die aufgereihten Konturen einer <strong>Mineral</strong>brücke, sowie die Umman-<br />
telung dieser Konturen dargestellt, um die Erzeugung der dreidimensionalen Rekon-<br />
struktionen zu verdeutlichen. Der türkisfarbene Teil der Rekonstruktion repräsentiert die<br />
” Ausstülpung“ an der Oberseite <strong>des</strong> einen, der blaue Teil die ” Ausstülpung“ an der Unterseite<br />
<strong>des</strong> anderen Aragonitplättchens, die zusammen betrachtet eine <strong>Mineral</strong>brücke bilden.
56 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 44: (a) -(c): Aus den Tomographiemessungen rekonstruierte Bilder der Querschnitts-<br />
probe. Die Bilder repräsentieren Abbildungen hintereinander liegender Querschnitte der Pro-<br />
be entlang der [001] -Richtung. (d): Schematische Darstellung einer <strong>Mineral</strong>brücke entlang der<br />
[010] - Richtung, sowie die Positionen der in (a) -(c) abgebildeten Querschnitte.<br />
(a) (b) (c)<br />
Abb. 45: (a) Markierte Kontur einer <strong>Mineral</strong>brücke. (b) Aneinanderreihung der Konturen einer<br />
<strong>Mineral</strong>brücke, die in einer Vielzahl hintereinander liegender Bilder markiert wurden. (c) Um-<br />
mantelte Konturen.<br />
In der Abb. 46 sind Rekonstruktionen der <strong>Mineral</strong>brücken, sowie der beiden ” Aus-<br />
stülpungen“ separat, aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. In dieser Form der<br />
Darstellung in den Bildteilen (a) und (b) wird ebenfalls deutlich, dass sich die ” Aus-
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 57<br />
stülpungen“ tatsächlich berühren. Die Rekonstruktionen in (c) und (d) weisen auf eine<br />
annähernd sphärische Grundfläche der <strong>Mineral</strong>brücken hin.<br />
Abb. 46: (a) und (b) Rekonstruktionen der <strong>Mineral</strong>brücke entlang der [001] - und der<br />
[010] -Richtung. (c) Rekonstruktion <strong>des</strong> unteren Brückenteils. (d) Rekonstruktion <strong>des</strong> oberen<br />
Brückenteils.<br />
Eine Betrachtung der in Abb. 47 dargestellten Rekonstruktionen der Oberflächen zweier<br />
übereinander liegender Aragonitplättchen zeigt jedoch, dass sich nicht alle auftretenden<br />
” Ausstülpungen“ berühren. Die Oberflächen der Plättchen, die an die organische Matrix<br />
angrenzen, sind in dieser Abbildung rot, Bereiche, die an den Aragonit grenzen, sind blau.<br />
Neben den Plättchenoberflächen sind weitere, annähernd sphärische Strukturen (blau),<br />
die Nanoporen, visualisiert. Diese werden in dem Abschnitt 4.3.2 näher behandelt. Zudem<br />
sind die sich auf der Probenoberfläche befindlichen Goldpartikel in Gelb dargestellt.<br />
Filme dieser dreidimensionalen Rekonstruktionen der Plättchenoberflächen sind auf<br />
der Internetseite http://tomographie.blog.de veröffentlicht. Die gelben Pfeile markieren<br />
jeweils durchgehende <strong>Mineral</strong>brücken, die grünen Pfeile weisen auf ” Ausstülpungen“<br />
der Plättchenoberfläche, die jedoch keine Brücken bilden. Besonders die Darstellung<br />
in Bildteil (b) zeigt, dass nur wenige der ” Ausstülpungen“ tatsächlich durchgehenden<br />
<strong>Mineral</strong>brücken bilden.
58 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
(a)<br />
(b)<br />
Abb. 47: (a) und (b) Mit dem Programm amira resolve RT erstellte Rekonstruktionen der<br />
Plättchenoberflächen, sowie der Nanoporen (diese werden in Abschnitt 4.3.2 behandelt.). Die<br />
an die organische Matrix grenzenden Plättchenoberflächen sind rot, Flächen innerhalb <strong>des</strong> Ara-<br />
gonits sind blau dargestellt. Die gelben Strukturen sind Rekonstruktionen der sich auf der Pro-<br />
benoberfläche befindlichen Goldpartikel.<br />
4.3.1.2 HRTEM <strong>Untersuchungen</strong> an <strong>Mineral</strong>brücken<br />
Da Tomographiedaten keine Informationen über die kristalline Struktur einer Probe lie-<br />
fern, kann anhand dieser Daten keine Aussage über die kristallographische Orientierung<br />
<strong>des</strong> Materials in den <strong>Mineral</strong>brücken getroffen werden. Um die Frage zu klären, ob das<br />
kristalline Material in den <strong>Mineral</strong>brücken eine gleichbleibende Orientierung aufweist<br />
und die Brücken somit durchgängig sind, wurden HRTEM (high resolution transmissi-<br />
on electron microscopy) <strong>Untersuchungen</strong> an der Perlmuttprobe durchgeführt. Dazu war<br />
es unbedingt notwendig, die Probe zu verkippen, bis der zu untersuchende Bereich in<br />
Zonenachse orientiert war. In Abb. 48 ist ein Hochauflösungbild einer <strong>Mineral</strong>brücke für<br />
die Zonenachse 〈001〉 gezeigt. In Bildteil (b) ist eine Vergrößerung <strong>des</strong> in (a) markier-<br />
ten, innerhalb der <strong>Mineral</strong>brücke liegenden Bereiches dargestellt. Aufgrund von Amor-<br />
phisierung und Dickenvariationen der Probe ist diese Aufnahme verrauscht. Es ist daher<br />
zweckmäßig, eine Filterung <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> vorzunehmen. Dies geschieht mit dem Computer-<br />
programm DALI (digital analysis of lattice images).
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 59<br />
Abb. 48:<br />
(a) Hochauflösungsaufnahme einer <strong>Mineral</strong>brücke.<br />
(b) Vergrößerung <strong>des</strong> markierten Bereichs.<br />
(c) Diffraktogramm <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> (b).<br />
(d) Gefilterte Darstellung <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> (b).<br />
(e) Diffraktogramm <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> (d).
60 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Ein Bildbereich, der die Brücke zeigt, wird markiert und fouriertransformiert. Auf das<br />
so entstandene Diffraktogramm wird eine Wienfilterung 18 angewendet, um das Rauschen<br />
in der Aufnahme zu minimieren. Das gefilterte Diffraktogramm wird nun invers fourier-<br />
transformiert und liefert somit ein Bild, in dem die Positionen der CaCO3 - Moleküle<br />
relativ zueinander in den in Zonenachse orientierten Probenbereichen gut zu erkennen<br />
sind (Abb. 48(d)). In diesem Bild ist die Durchgängigkeit der Netzebenen und somit<br />
auch die der <strong>Mineral</strong>brücke deutlich zu sehen. Aus dem Bild wird außerdem ersichtlich,<br />
dass die Brücke tatsächlich aus kristallinem Material besteht. Dass es sich bei diesem<br />
um Aragonit handelt, lässt sich zeigen, wenn die Aufnahme mit einem simulierten 19<br />
Hochauflösungsbild verglichen wird (Abb. 49).<br />
Abb. 49: (a) Stark vergrößerter Bereich der in Abb. 48 gezeigten <strong>Mineral</strong>brücke. (b) Simu-<br />
liertes Hochauflösungsbild für die entsprechende Zonenachse 〈001〉, ∆fscherzer = −42,43 nm,<br />
Cs = 0,5mm und eine Probendicke t = 10 nm<br />
Das simulierte Hochauflösungsbild wurde mittels Blochwellenrechnung für einen Defokus<br />
∆fscherzer = −42, 43 nm und Cs = 0, 5 mm erstellt. Die Dicke der untersuchten Pro-<br />
benstelle ist nicht bekannt. Für das simulierte Bild wurde eine Probendicke t=10 nm<br />
angenommen. Ein Vergleich <strong>des</strong> simulierten und <strong>des</strong> experimentell erstellten Hoch-<br />
auflösungsbil<strong>des</strong> liefert eine Übereinstimmung der hexagonalen Symmetrien in den<br />
Bildern. Die Annahme, dass die <strong>Mineral</strong>brücken im Perlmutt aus Aragonit bestehen,<br />
wird somit gestützt.<br />
Ein Vergleich mit der Literatur zeigt, dass die gemessenen Durchmesser der <strong>Mineral</strong>-<br />
brücken von 25 nm bis 55nm im Wesentlichen mit anderen veröffentlichten Werten<br />
übereinstimmen. In den Publikationen [9], [15] und [18] liegen die Durchmesser der<br />
<strong>Mineral</strong>brücken bei circa 11 nm, 25nm und (36 - 54)nm. Diese Werte sind allerdings<br />
(abgesehen von [18]) nicht explizit in den Texten angegeben, sondern lediglich aus den<br />
publizierten Abbildungen bestimmt worden.<br />
18 Die Funktionsweise der Wienfilterung zur Reduktion <strong>des</strong> Rauschens wird in [48] erläutert.<br />
19 Die Simulation erfolgte mit einem von Knut Müller verfassten MATLAB Programm.
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 61<br />
In [15] ist die Beobachtung schwarzer Punkte in TEM Aufnahmen mit einer Größe<br />
zwischen 3 nm und 5 nm beschrieben. Diese Punkte befanden sich sowohl innerhalb der<br />
Matrix als auch in den Brücken und erwiesen sich laut Velázquez-Castillo et al. [15] als<br />
Aragonitkristalle. In den durchgeführten <strong>Untersuchungen</strong> konnten jedoch keine solchen<br />
Aragonit Nanokristalle beobachtet werden. Vielmehr spricht die in Abb. 48 gezeigte<br />
Hochauflösungsaufnahme gegen die Existenz einzelner, unterschiedlich orientierter<br />
Kristalle innerhalb der <strong>Mineral</strong>brücken, da in dieser Aufnahme deutlich zu erkennen ist,<br />
dass der Aragonit im Bereich der <strong>Mineral</strong>brücke weitestgehend monokristallin ist. Die<br />
von Velázquez-Castillo et al. beobachteten Nanokristalle könnten daher ein Artefakt der<br />
Präparation darstellen.<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Tomographie und HRTEM <strong>Untersuchungen</strong> lieferten folgende Ergebnisse:<br />
• Elektronentomographische <strong>Untersuchungen</strong> der <strong>Mineral</strong>brücken zeigen, dass sich<br />
die ” Ausstülpungen“ zweier übereinander liegender Plättchen in einigen Fällen<br />
berührten.<br />
• HRTEM <strong>Untersuchungen</strong> der <strong>Mineral</strong>brücken beweisen zum einen, dass das Ma-<br />
terial in den Brücken kristallin ist und sich zum anderen seine Orientierung nicht<br />
verändert.<br />
• Ein Vergleich zwischen simulierten und experimentell erstellten Hoch-<br />
auflösungsbildern unterstützt die Annahme, dass das kristalline Material in<br />
den <strong>Mineral</strong>brücken Aragonit ist.<br />
• Eine Weitergabe der kristallographischen Orientierung der Aragonitplättchen<br />
könnte über die <strong>Mineral</strong>brücken erfolgen.
62 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
4.3.2 Resultate der <strong>Untersuchungen</strong> an Nanoporen<br />
Neben den <strong>Mineral</strong>brücken ist in Abb. 43 und Abb. 50 eine weitere prägnante Erscheinung<br />
auffällig: innerhalb der Aragonitplättchen treten facettierte, kontrastreiche Stukturen mit<br />
einer Breite von einigen Nanometern auf.<br />
In der im Dunkelfeldmodus erstellten Ab-<br />
bildung (Abb. 43 (b)) erscheinen diese<br />
Strukturen im Gegensatz zu dem sie um-<br />
gebenden Aragonit dunkel. Dies kann be-<br />
deuten, dass sie Bereiche darstellen, an de-<br />
nen das kristalline Material auf eine Weise<br />
orientiert ist, die eine schwache Beugung<br />
der einfallenden Elektronen bewirkt. Die-<br />
se Elektronen könnten die im Dunkelfeld-<br />
modus eingeschobene Objektivblende nicht<br />
passieren und würden somit auch nicht zur<br />
Abbildung beitragen. Durch Feinbereichs-<br />
beugung an einem Aragonitplättchen er-<br />
haltene Beugungsbilder müssten auf das<br />
Auftreten einer anders orientierten, kris-<br />
tallinen Struktur innerhalb <strong>des</strong> Plättchens<br />
hinweisen. Dies ist jedoch nicht der Fall.<br />
Alle an Perlmuttproben aufgenommenen<br />
Abb. 50: TEM Aufnahme einer Perlmuttquer-<br />
schnittsprobe. Neben den Nanoporen sind auch<br />
hier <strong>Mineral</strong>brücken und Verspannungsfelder zu<br />
erkennen<br />
Beugungsbilder ließen erkennen, dass die Aragonitplättchen monokristallin sind. Es ist<br />
ebenfalls möglich, dass die facettierten Strukturen entweder leer oder mit beispielsweise<br />
organischem Material gefüllt sind. In diesem Fall lägen Nanoporen oder Einschlüsse vor.<br />
Im Folgenden wird zusammenfassend der Begriff Nanopore verwendet. Dabei wird ange-<br />
nommen, dass eventuell vorhandenes organisches Material im Gegensatz zu dem Aragonit<br />
eine wesentlich geringere Dichte aufweist und die facettierten Strukturen daher als Poren<br />
behandelt werden können.<br />
4.3.2.1 Resultate der Z-Kontrast <strong>Untersuchungen</strong><br />
Um in diesem Punkt Klarheit zu schaffen, wurden Z - Kontrast <strong>Untersuchungen</strong> an einer<br />
Perlmuttprobe durchgeführt. Im Falle vollständig aus Aragonit bestehender Plättchen,<br />
würde in den Z - Kontrast Aufnahmen im Bereich der Plättchen durchgehend derselbe<br />
Kontrast vorliegen, da in allen Bereichen die Elektronen gleich stark gestreut werden<br />
würden. In der Abb. 51, in der eine der erhaltenen Z - Kontrast Aufnahmen gezeigt ist,<br />
sind jedoch deutlich die dunkleren facettierten Nanoporen zu erkennen. In Bereichen, die<br />
in Z - Kontrast Aufnahmen dunkler erscheinen, findet nur wenig Streuung der einfallenden<br />
Elektronen unter einem großen Winkel statt. Dies bedeutet, dass sich in diesen Bereichen<br />
entweder gar keine oder hauptsächlich leichte Elemente befinden. Die Nanoporen sind
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 63<br />
Abb. 51: Z -Kontrast Aufnahme ei-<br />
ner Perlmuttquerschnittsprobe. Die<br />
Nanoporen sind als dunklere facet-<br />
tierte Strukturen erkennbar.<br />
folglich nicht mit Aragonit gefüllt. Als möglicher Inhalt der Nanoporen wäre organisches<br />
Material denkbar. Dieses ist überwiegend aus Kohlenstoff zusammengesetzt, der lediglich<br />
eine Ordnungszahl von 6 besitzt. Die einfallenden Elektronen würden daher unter einem<br />
kleinen Winkel gestreut werden und nicht zur Intensität der Z - Kontrast Aufnahme bei-<br />
tragen.<br />
4.3.2.2 Resultate der chemischen Analyse<br />
Zur die Klärung der Frage, ob die Nanoporen organisches Material enthalten, bieten sich<br />
die Methoden EDX, EELS und EFTEM an. Sie ermöglichen eine qualitative Analyse der<br />
chemischen Zusammensetzung der Probe.<br />
EDX<br />
Die EDX-Messungen wurden an Bereichen, in denen sich jeweils eine Nanopore befand<br />
und an Referenzbereichen, die möglichst keine Nanoporen beinhalteten, durchgeführt. Ein<br />
Beispiel einer Probenstelle mit den ausgewählten Bereichen ist in Abb. 52 zusammen mit<br />
den zugehörigen EDX-Spektren gezeigt. In Bildteil (a) ist eine Z - Kontrast Aufnahme <strong>des</strong><br />
untersuchten Probenbereichs zu erkennen. Die Bildteile (b)-(d) zeigen die EDX-Spektren,<br />
die an Bereichen mit Nanoporen gemessen wurden. In den Bildteilen (e) und (f) sind die<br />
EDX-Spektren der Referenzbereiche dargestellt. In allen Spektren treten vier Linien auf:<br />
die Kα - Linie von Kohlenstoff C bei 277 eV, die Kα - Linie von Sauerstoff O bei 525 eV und<br />
die Kα - und Kβ - Linien von Kalzium Ca bei 3,692 keV und 4,013 keV. Weitere ausgeprägte<br />
Spektrallinien sind nicht erkennbar. Im Bereich der Aragonitplättchen sind folglich außer<br />
den genannten Elementen keine weiteren Elemente in detektierbaren Mengen vorhanden.<br />
Bei allen Spektren liegt die Zahl der detektierten Röntgenquanten unter einem Wert von<br />
30. Grund dafür waren die möglichst kurzen Messzeiten 20 und die geringe Dosisrate 21 , die<br />
eine Probenschädigung durch den Elektronenstrahl minimieren sollten.<br />
20 Die Messzeiten lagen in einem Bereich zwischen (15-60)s.<br />
21 Die Dosisrate gibt an, wie viele Elektronen pro Zeiteinheit auf eine Fläche treffen.
Abb. 52: EXD -Spektren und die zugehörigen Probenbereiche (Z -Kontrast Aufnahme). Die Spektren (b) -(d) wurden an Bereichen, die Nanoporen<br />
enthielten, erstellt. Die Spektren (e) und (f) wurden als Referenz an Probenbereichen, die keine Nanoporen enthielten, aufgenommen.<br />
64 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 65<br />
Es ist zu erwarten, dass sich in den Referenzbereichen ein höherer Anteil an Sauerstoff- als<br />
an Kohlenstoffatomen befindet, da CaCO3 eine größere Zahl Sauerstoff- als Kohlenstoff-<br />
atome pro Molekül enthält. In den Spektren sollte daher das Integral über das Messsignal<br />
der Sauerstoff Kα - Linie größer sein. Da die Breiten der C- und O-Linien annähernd<br />
gleich sind, kann man statt <strong>des</strong> Integrals vereinfacht die Höhe <strong>des</strong> Signals betrachten. In<br />
den Referenzspektren (e) und (f) ist tatsächlich das Kohlenstoffmaximum jeweils niedriger<br />
als das <strong>des</strong> Sauerstoffs. In den Spektren (b)-(d), die jeweils eine Nanopore enthalten, ist<br />
die Spektrallinie <strong>des</strong> Kohlenstoffs höher als die <strong>des</strong> Sauerstoffs. Eine genauere Betrachtung<br />
erhält man bei Überlagerung <strong>des</strong> Referenzspektrums (e) mit den Spektren (b) und (c),<br />
die an Nanoporen erstellt wurden. Dies ist in Abb. 53 dargestellt.<br />
Abb. 53:<br />
(A) Überlagerung<br />
der EDX -Spektren<br />
der Probenbereiche<br />
(b) und (e).<br />
(B) Überlagerung<br />
der EDX -Spektren<br />
der Probenbereiche<br />
(c) und (e).
66 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Das Spektrum (b) wurde an einem Bereich aufgenommen, der eine große Nanopore mit<br />
einer Breite von (28±2)nm enthielt. Die Nanopore <strong>des</strong> Spektrums (c) wies lediglich eine<br />
Breite von (16±2)nm und damit einen geringeren Volumenanteil auf. Der zugehörige<br />
Bereich enthielt daher einen höheren Aragonitanteil.<br />
• Vergleich der Spektren (e) und (b), Abb. 53 (A):<br />
– Die Kohlenstofflinie von (b) weist eine deutlich höhere Intensität als die <strong>des</strong><br />
Referenzspektrums (e) auf.<br />
– Die Intensitäten der Sauerstoff- und Kalziumlinien von (b) sind jedoch geringer<br />
als im Referenzspektrum (e).<br />
– Im Bereich der großen ((28±2)nm Breite) Nanopore scheinen sich folglich zum<br />
einen weniger Sauerstoff und Kalzium, d.h. weniger Aragonit, und zum anderen<br />
ein erhöhter relativer Anteil an Kohlenstoff zu befinden.<br />
• Vergleich der Spektren (e) und (c), Abb. 53 (B):<br />
– Das Spektrum (c) der Nanopore weist ein höheres Kohlenstoffmaximum und<br />
niedrigere Sauerstoff- und Kalziummaxima auf als das Referenzspektrum (e).<br />
– Die Unterschiede zwischen den Spektren sind jedoch nicht so ausgeprägt wie<br />
in (A). Gründe hierfür könnten sein, dass<br />
(i) die untersuchte Nanopore klein ((16±2)nm Breite) ist und nur einen ge-<br />
ringen Volumenanteil der Probe ausmacht. Sie könnte daher nur einen ge-<br />
ringen Teil Kohlenstoff enthalten, der ein entsprechend niedrigeres Signal<br />
liefern würde.<br />
(ii) aufgrund der geringen Porengröße der Anteil <strong>des</strong> Aragonits in dem un-<br />
tersuchten Bereich zunimmt und analog dazu die Intensität der O- und<br />
Ca - Linien steigt.<br />
Die Nanopore <strong>des</strong> Bereiches (d) ist ebenfalls klein ((16±2)nm Breite). Der Vergleich <strong>des</strong><br />
Spektrums dieses Bereichs mit dem Referenzspektrum ähnelt der in Abb. 53 (B) darge-<br />
stellten Überlagerung und ist aus dem Grund nicht abgebildet.<br />
An einer weiteren Probenstelle wurde zudem ein Spektrum an einer (30±2)nm breiten Na-<br />
nopore aufgenommen. Ein Vergleich dieses Spektrums mit einem Referenzspektrum stützt<br />
das Ergebnis, dass sich innerhalb größerer Nanoporen ein gesteigerter Kohlenstoffanteil<br />
befindet. Dieser erhöhte Anteil kann für das Vorkommen organischen Materials, <strong>des</strong>sen<br />
Hauptkomponente Kohlenstoff ist, in den (größeren) Nanoporen sprechen.<br />
Um dieses Ergebnis zu prüfen, wurden zusätzlich EELS-Messungen vorgenommen.
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 67<br />
EELS<br />
Die Elektronenenergieverlustspektren wurden an denselben Probenbereichen aufgenom-<br />
men wie die EDX-Spektren, so dass ein direkter Vergleich beider Methoden möglich ist.<br />
In Abb. 54 sind der untersuchte Probenbereich und zudem die EELS-Spektren abgebil-<br />
det. Bildteil (a) zeigt eine Z-Kontrast Aufnahme der Perlmuttprobe. Die Probenbereiche,<br />
an denen die EELS-Spektren aufgenommen wurden, sind weiß markiert. Die Bildteile<br />
(b)-(d) zeigen EELS-Spektren, die an Nanoporen aufgenommen wurden. Die Spektren<br />
(e) und (f) wurden als Referenz an Probenbereichen, die keine Nanoporen enthalten, er-<br />
stellt.<br />
In den EELS-Spektren sind für Kohlenstoff eine doppelte Spektrallinie, sowie für Kal-<br />
zium und Sauerstoff jeweils eine Spektrallinie zu erkennen. Die roten Linien markieren<br />
die Werte der Ionisationsenergien der jeweiligen Elemente. Die Positionen der Spektral-<br />
linien weichen um einige Elektronvolt von der Lage dieser Linien ab. Grund dafür ist<br />
eine ungenaue Kalibrierung, die eine Verschiebung der gesamten Spektren, jedoch keine<br />
Veränderung ihrer Struktur zur Folge hat. Ebenso wie in der Auswertung der EDX-Daten<br />
wurde das Referenzspektrum mit den Spektren der Bereiche (b) und (c) überlagert. Dies<br />
ist in der Abb. 55 dargestellt.<br />
• Vergleich der Spektren (e) und (b), Abb. 55 (A):<br />
– Es ist eine signifikante Abweichung der Spektren im Bereich der Kohlenstoff-<br />
linien zu erkennen. Das Spektrum <strong>des</strong> Bereiches (b) weist dort eine deutlich<br />
höhere Intensität auf.<br />
– Die Intensitäten der O- und Ca - Linie <strong>des</strong> Spektrums (b) sind niedriger als die<br />
<strong>des</strong> Referenzspektrums (e).<br />
– Ebenso wie in den EDX Ergebnissen spricht dies für einen erhöhten Kohlen-<br />
stoffanteil innerhalb der Nanopore.<br />
• Vergleich der Spektren (e) und (c), Abb. 55 (B):<br />
– Die überlagerten Spektren weisen im Bereich der Kohlenstofflinie keine Abwei-<br />
chungen voneinander auf. Ein erhöhter Kohlenstoffanteil innerhalb der Nano-<br />
poren kann nicht nachgewiesen werden.<br />
– Die Intensitäten der O- und der Ca - Linie <strong>des</strong> Spektrums (c) sind geringfügig<br />
kleiner als die <strong>des</strong> Referenzspektrums (e), da der Bereich, der die Nanopore<br />
enthält, weniger Aragonit beinhaltet als der Referenzbereich.<br />
Die Ergebnisse der EDX- und der EELS-Spektren sind miteinander vergleichbar. Inner-<br />
halb größerer ((28 - 30)nm Breite)) Nanoporen ist der erhöhte Kohlenstoffanteil nachweis-<br />
bar. Kleinere Poren (ca. 16 nm Breite) enthalten hingegen keinen oder nur einen geringen<br />
Kohlenstoffanteil.
Abb. 54: EELS-Spektren und die zugehörigen Probenbereiche (Z -Kontrast Aufnahme). Die Spektren (b)-(d) wurden an Bereichen, die Nanoporen<br />
enthielten, erstellt. Die Spektren (e) und (f) wurden als Referenz an Probenbereichen, die keine Nanoporen enthielten, aufgenommen.<br />
68 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 69<br />
EFTEM<br />
Abb. 55:<br />
(A) Überlagerung<br />
der EELS-Spektren<br />
der Probenbereiche<br />
(b) und (e).<br />
(B) Überlagerung<br />
der EELS-Spektren<br />
der Probenbereiche<br />
(c) und (e).<br />
In Abb. 56 sind Elementverteilungsbilder der Elemente Kalzium, Sauerstoff und Koh-<br />
lenstoff dargestellt, die an einer Perlmuttquerschnittsprobe aufgenommen wurden. Eine<br />
quantitative Auswertung dieser Bilder ist nicht möglich, da die genaue Dicke der un-<br />
tersuchten Probe nicht bekannt ist. Da die Atome Kalzium und Sauerstoff nur in dem<br />
Kalziumkarbonat der Aragonitplättchen vorhanden sind, erscheinen in den Aufnahmen<br />
die Bereiche der Plättchen und der <strong>Mineral</strong>brücken wesentlich heller als die Bereiche zwi-<br />
schen den Plättchen. Diese letztgenannten Bereiche enthalten die interlamellare Matrix,<br />
die aus organischem Material und somit zu einem Großteil aus Kohlenstoff besteht. Dies
70 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 56: Elementverteilungsbilder einer Perlmuttquerschnittsprobe für Kalzium, Sauerstoff<br />
und Kohlenstoff, sowie eine Aufnahme, die alle drei Elemente enthält.<br />
spiegelt sich in dem Elementverteilungsbild für Kohlenstoff wider, in der die organische<br />
Matrix besonders hell erscheint. Da der Aragonit der Plättchen ebenfalls Kohlenstoff<br />
enthält, sind auch die Plättchen in dem Elementverteilungsbild etwas heller. Bei einem<br />
Vorliegen organischen Materials, also Kohlenstoffs, innerhalb der Nanoporen wäre zu er-<br />
warten, ein erhöhtes Kohlenstoffsignal in den Porenbereichen zu erkennen. Dies ist jedoch<br />
nicht der Fall. Grund dafür ist das niedrige Signal-Rausch-Verhältnis. Es wurden da-<br />
her eine ” jump ratio“ Aufnahme, die mit einer höheren Sensitivität die Verteilung der<br />
Elementkonzentrationen wiedergibt, erstellt. In der Abb. 57 (a) ist die ” jump ratio“ Auf-<br />
nahme der Perlmuttquerschnittsprobe für Kohlenstoff gezeigt. Kontrast und Helligkeit<br />
<strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> wurden nachträglich stark verändert. Einige facettierte Strukturen in den Ara-<br />
gonitplättchen erscheinen hell. Dies spricht für einen erhöhten Kohlenstoffanteil in diesen<br />
Bereichen. Ein Vergleich mit der in Abb.57 (b) dargestellten Referenz TEM Aufnahme<br />
zeigt, dass die Positionen der kontrastreichen Strukturen in dem Bildteil (a) mit denen
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 71<br />
(a) (b)<br />
Abb. 57: (a) Kontrastverstärkte ” jump ratio“ Aufnahme einer Perlmuttquerschnittsprobe für<br />
Kohlenstoff. (b) Referenz TEM Aufnahme.<br />
der Nanoporen <strong>des</strong> Bildteils (b) übereinstimmen. Anhand der ” jump ratio“ Aufnahme lie-<br />
ße sich schließen, dass innerhalb der Nanoporen eine höhere Konzentration an Kohlenstoff<br />
vorliegt und sich somit durchaus organisches Material in ihnen befinden könnte. Bei die-<br />
ser Interpretation muss jedoch beachtet werden, dass ein gemessenes Signal in der ” jump<br />
ratio“ Aufnahme von der Probendicke abhängig ist. In einem Bereich der Probendicke<br />
von (0,7 - 0,8)MFP 22 steigt das absolute Elementsignal mit zunehmender Probendicke<br />
an, da die Zahl der inelastisch streuenden Atome zunimmt. Bei höheren Probendicken<br />
hingegen treten Mehrfachstreuprozesse auf, die einen Abfall <strong>des</strong> absoluten Elementsignals<br />
bewirken, da weniger Elektronen <strong>des</strong> für das jeweilige Element charakteristischen Ener-<br />
gieverlustes detektiert werden. Die Abb. 58 verdeutlicht den Effekt der Probendicke auf<br />
das EELS-Spektrum. Eine Division der Intensität an der Ionisationskante mit der vor<br />
der Spektrallinie liegenden Intensität kann bei dünneren Probenstellen zu einem höheren<br />
Wert als bei dickeren Proben führen. Im Bereich der Nanoporen, in dem die Probe effektiv<br />
dünner ist, kann daher in der ” jump ratio“ Aufnahme ein erhöhtes Kohlenstoffsignal auf-<br />
treten, das nicht mit einem erhöhten C-Anteil in den Poren gleichgesetzt werden kann.<br />
Da die Dicke der Probe jedoch nicht bekannt war, ist eine genauere Abschätzung nicht<br />
möglich.<br />
22 MFP steht für mean free path (mittlere freie Weglänge).
72 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 58: Schematische Darstellung der Kohlenstofflinie zweier EELS-Spektren für verschie-<br />
dene Probendicken. Aufgrund <strong>des</strong> geringen Anteils an Mehrfachstreuung ist die Intensität<br />
der C -Spektrallinie im linken Fall erhöht. Das C -Signal in einer zugehörigen ” jump ratio“<br />
Aufnahme ist dann höher als das aus dickeren Probenbereichen stammende Signal, obwohl die<br />
Pore keinen Kohlenstoff enthält.<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse der chemischen Analyse<br />
Die Analyse der chemischen Zusammensetzung der Aragonitplättchen lieferte folgende<br />
Resultate:<br />
• Die Z - Kontrast <strong>Untersuchungen</strong> zeigten, dass die Nanoporen kein oder Material<br />
niedriger Ordnungszahl (z.B. organisches Material) enthalten.<br />
• Die EDX-Spektren weisen auf einen erhöhten Kohlenstoffanteil in den größeren<br />
Nanoporen, die eine Breite über (28±2)nm besitzen, hin. Auch für kleinere Nano-<br />
poren mit einer Breite von (16±2)nm kann ein gering erhöhter Kohlenstoffanteil<br />
nachgewiesen werden.<br />
• Anhand der EELS-Spektren kann in größeren Poren ein erhöhter Kohlenstoffanteil<br />
verifiziert werden. Der Vergleich zwischen Referenzspektrum und dem an einer klei-<br />
neren Nanopore aufgenommenen Spektrum zeigte keinen markanten Unterschied.<br />
Innerhalb kleinerer Nanoporen befindet sich daher kein oder aufgrund ihres geringen<br />
Volumens ein niedriger Kohlenstoffanteil, der nur schwer detektiert werden kann.<br />
• In den EFTEM Aufnahmen waren aufgrund <strong>des</strong> niedrigen Signal-Rausch-<br />
Verhältnisses keine kontrastreichen, facettierten Strukturen zu erkennen.<br />
• In der ” jump ratio“ Aufnahme traten an den Positionen der Nanoporen hellere,<br />
facettierte Strukturen auf. Dies kann auf einen erhöhten Kohlenstoffanteil in den<br />
Nanoporen hinweisen.
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 73<br />
4.3.2.3 Tomographieuntersuchungen der Nanoporen<br />
Neben der chemischen Zusammensetzung der Nanoporen ist ebenfalls eine Analyse der<br />
Porenstruktur von Interesse, da es sich bei den Poren auch um präparationsbedingte<br />
Mulden an der Probenoberfläche handeln könnte. Zu diesem Zweck wurden Tomo-<br />
graphieuntersuchungen an einer Perlmuttquerschnittsprobe in der Zonenachse 〈001〉<br />
durchgeführt.<br />
Die Abb. 59 (a)-(e) zeigt eine Auswahl rekonstruierter Bilder entlang der [001]-Richtung,<br />
auf denen Querschnitte der Probe bei unterschiedlichen Probendicken t dargestellt sind.<br />
Die Gesamtdicke der Probe betrug t = (83 ± 3)nm. Abb. 59 (f) zeigt eine schematische<br />
Darstellung einer Nanopore entlang der [010]-Richtung. Die eingezeichneten senkrechten<br />
Linien verdeutlichen die Positionen der in (a)-(e) dargestellten Querschnitte.<br />
Betrachtet man die mit einem Pfeil markierte Nanopore, so ist zu erkennen, wie sie sich<br />
im Verlauf der aufeinander folgenden Bilder bildet und sich dann wieder verkleinert.<br />
In Bild (c) schneidet die Querschnittsfläche durch die Probe die Nanopore etwa in<br />
ihrem Mittelpunkt. Ein Vergleich der Kontur der Nanoporen in diesem Bild mit der<br />
Porenkontur in den Abbildungen (b) und (d) zeigt, dass die Verjüngung der Nanoporen<br />
unsymmetrisch erfolgt. In Bild (b) ist der Querschnitt der Nanoporen weiter nach unten<br />
als nach oben ausgedehnt, in Bild (d) ist das Gegenteil der Fall. An dieser Stelle erhält<br />
man somit bereits eine Information über die Form der Nanoporen, die herkömmliche<br />
Transmissions-Elektronenmikroskopie nicht liefern könnte, da mit dieser Methodik nur<br />
Projektionen der Probe abgebildet werden können.<br />
Eine weitere Darstellungsform der Tomographiedaten ist in Abb. 60 gezeigt. Dort sind<br />
neben der Abbildung eines Querschnitts der Probe in [001]-Richtung ebenfalls die<br />
orthogonalen Querschnitte in [010]- und [100]-Richtung dargestellt. Da die Bildteile (a)<br />
und (c) lediglich aus den Daten der Aufnahmen in [001]-Richtung rekonstruiert wurden,<br />
ist die Auflösung dieser Bildteile wesentlich geringer als die <strong>des</strong> Bildteils (b). Die in der<br />
Darstellung (a) auftretenden linearen Strukturen entstanden durch den Informations-<br />
verlust aufgrund <strong>des</strong> fehlenden ” Keils“ bei den Tomographieuntersuchungen. Die drei<br />
Querschnittsebenen schneiden sich in dem mit einem Kreuz markierten Punkt. Diese<br />
Markierung wurde in der Abb. 60 möglichst genau in den Mittelpunkt einer Nanopore<br />
gelegt. In (b) erscheint die Nanopore in dem Fall symmetrisch. In (c) hingegen ist eine<br />
Asymmetrie zu erkennen. Die obere und die untere Spitze der Nanopore liegen nicht<br />
exakt übereinander, sondern sind gegeneinander versetzt. Die Kontur der Nanopore ent-<br />
lang der [100]-Richtung ist aufgrund der geringen Bildauflösung sehr schwer bestimmbar.
74 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Abb. 59: (a) - (e): Aus den Tomographiemessungen rekonstruierte Bilder der Querschnittsprobe.<br />
Die Bilder repräsentieren Abbildungen hintereinander liegender Querschnitte der Probe entlang<br />
der [001] -Richtung. (f): Schematische Darstellung einer Nanopore entlang der [010] - Richtung,<br />
sowie die Positionen der in (a) -(e) abgebildeten Querschnitte.
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 75<br />
Abb. 60: (a) Querschnitt in [100] -Richtung. (b) Querschnitt der Probe in Durchstrahlungsrich-<br />
tung [001] (ebenso wie in Abb.59). (c) Querschnitt in [010] -Richtung. Alle drei Probenschichten<br />
schneiden sich in dem mit einem Kreuz markierten Punkt. Die roten Linien geben die ungefähre<br />
Lage der Probenränder und somit die Probendicke t an.
76 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Eine weitere Analyse der Struktur der Nanoporen wird durch die Erzeugung dreidimensio-<br />
naler Rekonstruktionen aus den Ergebnissen der Tomographieuntersuchungen ermöglicht.<br />
In der Abb. 61 ist die Rekonstruktion einer einzelnen Nanopore für drei verschiedene<br />
Perspektiven gezeigt. Entlang der [001]-Richtung besitzt die Projektion der Porenrekon-<br />
struktion die Form eines Rhomboeders. Die Innenwinkel der Nanoporen entlang dieser<br />
Richtung liegen für α zwischen 67 ◦ und 79 ◦ und für β zwischen 98 ◦ und 118 ◦ 23 .<br />
Abb. 61: Mit dem Programm imod wurde eine Nanopore markiert und eine dreidimensionale<br />
Rekonstruktion erstellt. Die Abbildung zeigt diese Rekonstruktion aus drei unterschiedlichen<br />
Perspektiven, sowie ihre idealisierten Konturen.<br />
Die Form der Projektion entlang der [010]-Richtung ähnelt der eines Rhomboids. Dies<br />
wird gestützt von der in Abb. 59 dargestellten ungleichmäßigen Verjüngung der Nano-<br />
poren, sowie der aus Abb. 60 erhaltenen Beobachtung, dass die Spitzen der Nanoporen<br />
entlang der [010]-Richtung nicht genau übereinander liegen. Die Beobachtungen, dass die<br />
idealisierte Kontur der Nanoporen in [001]-Richtung einem Rhomboeder und in [010]-<br />
Richtung einem Rhomboid entspricht, führen zu dem Schluss, dass die Projektion entlang<br />
der [100]-Richtung eine hexagonale Form besitzen könnte. Diese kann ebenfalls bei der<br />
entsprechenden Porenrekonstruktion in Abb. 61 wiedererkannt werden. Wie in Abb. 62 ge-<br />
zeigt ist, stimmen diese idealisierten Formen annähernd mit den Konturen der Nanoporen<br />
überein.<br />
Unter der Berücksichtigung der Winkelbereiche für α und β, der Kontur der Projektionen<br />
und der Abmessungen der Elementarzellen eines Aragonitkristalls lässt sich ein Modell<br />
für die Nanoporen erzeugen. Dabei muss beachtet werden, dass es wahrscheinlich mehrere<br />
Möglichkeiten gibt, ein Modell, das diese Voraussetzungen erfüllt, zu erstellen und dass für<br />
die Konturen stark idealisierte Formen angenommen wurden. Das in Abb. 63 dargestellte<br />
Modell der Poren repräsentiert daher nur ein mögliches Modell, das einen ersten Eindruck<br />
von der Struktur der Nanoporen vermitteln soll.<br />
Wie in Abschnitt 3.1.7 gezeigt, liegen die Vorteile der Tomographie darin, Strukturen<br />
dreidimensional darstellen zu können. Zusätzlich liefern die Tomographiedaten Informa-<br />
23 Die Lage der Winkel α und β ist in Abb. 61 eingezeichnet.
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 77<br />
Abb. 62: Idealisierte Darstellung der Porenkonturen. In [001] - Richtung scheint die Nanopore<br />
eine symmetrische Kontur aufzuweisen. In der [010] - Richtung tritt hingegen eine Asymmetrie<br />
der Kontur auf. Die hexagonale Porenkontur in [100] - Richtung ist sehr schlecht bestimmbar.<br />
Abb. 63: Modell einer Nanopore für unterschiedliche Betrachtungsrichtungen. Die Einheitszel-<br />
len sind mit gepunkteten Linien eingezeichnet.<br />
tionen über die Lage dieser Strukturen innerhalb der Probe. Hinsichtlich der Nanopo-<br />
ren stellt sich die Frage, ob sich diese in der Probe oder lediglich auf deren Oberfläche<br />
befinden. Die letztere Möglichkeit könnte bedeuten, dass die Nanoporen während <strong>des</strong><br />
Präparationsprozesses und dort speziell während <strong>des</strong> Ionenätzens entstandene Artefakte<br />
darstellen und keineswegs als Strukturen <strong>des</strong> Perlmutts selbst angesehen werden können.<br />
Diese Vermutung lässt sich durch eine Analyse der Tomographiedaten widerlegen.<br />
In den Bildteilen (a) und (c) der Abb. 60 sind durch rote Linien die ungefähren Lagen der
78 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
Probenoberflächen angegeben. Aus dem Abstand dieser Linien ergibt sich eine Probendi-<br />
cke von t=(64±3)nm. Diese Art der Darstellung macht deutlich, dass sich die Nanoporen<br />
nicht nur an der Probenoberfläche, sondern auch im Probeninneren befinden und damit<br />
nicht durch Präparationsprozesse entstanden sind. Eine Übersicht der Lage der Nanopo-<br />
ren in der Probe erhält man bei der Betrachtung einer größeren Anzahl dreidimensionaler<br />
Porenrekonstruktionen. Abb. 64 zeigt solche Rekonstruktionen eines Probenbereichs für<br />
unterschiedliche Perspektiven. Es sind jedoch lediglich die größeren Poren berücksichtigt,<br />
die eine deutliche Facettierung aufweisen.<br />
Abb. 64: Darstellung der mit dem Computerprogramm imod erzeugten, dreidimensionalen<br />
Rekonstruktionen einiger Nanoporen aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Die gestrichelten<br />
Linien geben die ungefähre Position der Probenoberflächen an, die im Elektronenmikroskop<br />
orthogonal zu der Einfallsrichtung der Elektronen standen.<br />
Die Darstellung der dreidimensionalen Rekonstruktionen der Nanoporen bestätigt die<br />
Aussage, dass die Poren keine Artefakte der Präparation sind. In den beiden in [010]- und<br />
[100]-Richtung betrachteten Rekonstruktionen sind die Grenzen der Probe, das heißt<br />
ihre Oberflächen, durch gestrichelte Linien verdeutlicht. Während der <strong>Untersuchungen</strong> an<br />
der Probe lagen diese Oberflächen orthogonal zu der Einfallsrichtung der Elektronen. Die<br />
Nanoporen befinden sich innerhalb dieser Grenzen, also innerhalb <strong>des</strong> Probenmaterials.<br />
Eine Erzeugung der Poren im Laufe der Probenpräparation kann damit ausgeschlossen<br />
werden, da sich in diesem Fall vorzugsweise an der Probenoberfläche Strukturen gebildet<br />
hätten. Diese Aussage kann zusätzlich gestützt werden, indem auf unterschiedliche Weise<br />
präparierte Perlmuttproben, sowie geologischer Aragonit mit dem TEM untersucht
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 79<br />
und verglichen werden. Zwei Perlmuttquerschnittsproben wurden mittels PIPS bzw.<br />
FIB gedünnt. Es werden bei den beiden Methoden unterschiedliche Ionen (Argon bzw.<br />
Gallium) verwendet. Zudem findet in der FIB der Ionenbeschuss nur aus einer Richtung<br />
statt und sollte daher eine Vorzugsrichtung möglicher Artefakte zur Folge haben. Der<br />
geologische Aragonit wurde mit der PIPS präpariert.<br />
Abb. 65: (a) TEM Aufnahmen einer FIB präparierten Perlmuttquerschnittsprobe. (b) TEM<br />
Aufnahme einer PIPS präparierten Perlmuttquerschnittsprobe. Obwohl diese Aufnahme defo-<br />
kussiert ist, ist die Ähnlichkeit der Nanoporen in den Bildern (a) und (b) deutlich erkennbar.<br />
(c) TEM Aufnahme einer PIPS präparierten Probe geologischen Aragonits.<br />
Ein Vergleich der TEM Aufnahmen der beiden mit unterschiedlichen Systemen geätzten<br />
Perlmuttproben in Abb. 65 (a) und (b) zeigt keinen auffälligen Unterschied in der Form<br />
der Nanoporen. Ebenso ist bei der mittels FIB präparierten Probe kein Einfluss der Rich-<br />
tung <strong>des</strong> einfallenden Ionenstrahls auf die Nanoporen feststellbar. In den Aufnahmen <strong>des</strong><br />
mittels PIPS geätzten geologischen Aragonits sind hingegen keine Nanoporen zu erkennen<br />
(siehe Abb. 65 (c)). Dies spricht für die Tatsache, dass es sich bei den Nanoporen um Be-<br />
standteile der Aragonitplättchen <strong>des</strong> Perlmutts handelt, die jedoch nicht in geologischem<br />
Aragonit vorkommen und die keine Präparationsartefakte sind.<br />
In einer Veröffentlichung von Velázquez-Castillo et al. [16] wird ebenfalls die Existenz<br />
der Nanoporen dokumentiert. Dort wird jedoch davon ausgegangen, dass die Poren ein<br />
Anzeichen für Elektronenstrahlschädigung an den Aragonitplättchen sind. Elektronen sol-<br />
len dabei die Nanoporen ” graben“, wobei bestimmte kristallographische Ausrichtungen<br />
offengelegt werden. In [39] wird CaCO3 aufgelistet als ein Festkörper, in dem Radioly-<br />
se auftreten kann. Unter dem Begriff Radiolyse versteht man die Trennung chemischer<br />
Bindungen durch den Einfluss einfallender Strahlung. Es kommt dabei beispielsweise zu<br />
Wechselwirkungen zwischen den schnellen, einfallenden Elektronen und den Atomlektro-<br />
nen, die zu einer permanenten Verschiebung der Atome führen können. Die daraus folgen-<br />
de Schädigung wird Ionisationsschädigung genannt. Es ist also möglich, dass zum Beispiel<br />
durch diesen Effekt im Inneren der Probe eine Veränderung <strong>des</strong> Materials auftritt. Ge-<br />
gen die Behauptung, dass die Nanoporen durch Strahlschädigung erzeugt wurden, spricht
80 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
allerdings, dass während der <strong>Untersuchungen</strong>, also der Bestrahlung mit Elektronen, das<br />
Entstehen der Nanoporen nicht beobachtet werden konnte. Außerdem gibt es keinen er-<br />
sichtlichen Grund, weshalb dieser Prozess in geologischem Aragonit unterdrückt sein soll-<br />
te. Des Weiteren ist das Auftreten einer strahlungsinduzierten Materialschädigung entlang<br />
bestimmter kristallographischer Richtungen in der auftretenden Menge und gleichmäßigen<br />
Verteilung nicht erklärbar. Die Nanoporen scheinen folglich keine Strahlschädigung darzu-<br />
stellen. Sie können jedoch selber durch den Elektronenstrahl geschädigt werden. Im TEM<br />
ließ sich in dünnen (
4.3 Mikrostruktur der Aragonitplättchen 81<br />
Innerhalb <strong>des</strong> untersuchten Volumens befinden sich N=160 Nanoporen, deren Breite zwi-<br />
schen den Werten 2,5 nm und 38,4 nm variiert. Die Abb. 67 zeigt ein Histogramm der<br />
Porenbreiten. Die mittlere Verteilung der Porenbreite liegt etwa zwischen (4±0,5)nm<br />
und (14±0,5)nm. Das Maximum der Verteilung befindet sich bei einer Porenbreite von<br />
b=(5,5±1,0)nm.<br />
Abb. 67: Histogramm der Nanoporenbreite.<br />
Anhand der ermittelten Porenbreite lässt sich eine Abschätzung über das Gesamtvolumen<br />
der Nanoporen in dem untersuchten Probenbereich treffen. Vereinfacht kann man dabei<br />
annehmen, dass die Nanoporen eine sphärische Form aufweisen. Ihr Volumen VNP lässt<br />
sich in dem Fall über<br />
VNP = 4<br />
3 π(b<br />
2 )3N (27)<br />
bestimmen. N ist die Anzahl der Nanoporen und b die Porenbreite, die am Maximum<br />
der Verteilung vorliegt. Für das Gesamtvolumen VNP der Nanoporen ergibt sich der<br />
Wert VNP = (1, 4 · 10 4 ± 0, 6 · 10 4 ) nm 3 . Das Volumen VP <strong>des</strong> untersuchten Probenbe-<br />
reichs lässt sich über<br />
VP = h · l · t (28)<br />
ermitteln. Die Höhe h, die Breite l und die Dicke t <strong>des</strong> Bereiches lassen sich aus den in<br />
Abb. 60 gezeigten Tomographieaufnahmen bestimmen. Die Längen h und l ergeben sich<br />
aus der Höhe und Breite <strong>des</strong> Bildteils Abb. 60 (b) und können daher mit einem kleinen Feh-<br />
ler gemessen werden. Die Dicke t lässt sich aus den rekonstruierten Bildteilen Abb. 60 (a)<br />
und (c) ermitteln. Da die Position der Probenoberflächen jedoch nur abgeschätzt werden
82 4 ERGEBNISSE UND DISKUSSION<br />
können, ergibt sich hier ein größerer Fehler.<br />
Die gemessenen Werte lauten: h=(292,4±0,5)nm, l=(294,2±0,5)nm, t=(83±3)nm.<br />
Für das Probenvolumen ergibt sich somit: VP = (7, 14 · 10 6 ± 0, 24 · 10 6 ) nm 3 .<br />
Das Verhältnis zwischen dem Poren- und dem Probenvolumen ist gegeben als:<br />
VNP<br />
VP<br />
= (1, 95 ± 0, 93) · 10 −3<br />
Das Volumen VNP der Nanoporen nimmt folglich lediglich etwa 0,2% <strong>des</strong> gesamten<br />
Probenvolumens ein.<br />
Mögliche Funktionen der Nanoporen:<br />
• Die Verteilung der Nanoporen in den Aragonitplättchen vermindert die Propagation<br />
von Rissen in der Schale.<br />
• Zur Bildung der Aragonitplättchen muss ein geringerer Teil CaCO3 an der Schale<br />
nukleieren, als es bei Plättchen aus reinem Aragonit der Fall wäre.<br />
• Durch die Bildung der Nanoporen wird das Gewicht der Schale und somit die Be-<br />
lastung der Meeresschnecke minimal verringert.<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Im Folgenden werden die Ergebnisse, die aus den elektronentomographischen Untersu-<br />
chungen der Nanoporen erhalten wurden, zusammengefasst:<br />
• Sowohl Tomographieuntersuchungen als auch der Vergleich zwischen Perlmutt und<br />
geologischem Aragonit zeigen, dass die Nanoporen kein Artefakt der Präparation<br />
sind, sondern ein Merkmal <strong>des</strong> Perlmutts darstellen.<br />
• Anhand der Tomographieuntersuchungen kann ein dreidimensionales Modell der fa-<br />
cettierten Nanoporen erstellt werden. Eine Indizierung der Facetten wurde nicht<br />
vorgenommen, da es sich bei dem Modell bisher lediglich um einen Vorschlag han-<br />
delt. Offen bleibt die Frage, wie und weshalb sich Poren einer so komplexen Form<br />
bilden.<br />
• Aus der Gesamtheit der dreidimensionalen Rekonstruktionen der Nanoporen kann<br />
eine Abschätzung über die Verteilung der Porenbreite getroffen werden. Das Maxi-<br />
mum dieser Verteilung tritt bei einer Porenbreite von (5, 5 ± 1, 0)nm auf.<br />
• Das Volumen der Nanoporen in dem untersuchten Probenbereich beträgt etwa 0,2%<br />
<strong>des</strong> Probenvolumens.<br />
(29)
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Perlmutt, die innere Schicht der Schalen von Meeresschnecken, ist aufgrund ihres Auf-<br />
baus als Verbundwerkstoff und der daraus resultierenden Eigenschaften ein sehr faszi-<br />
nieren<strong>des</strong> Material. Angesichts der vielen Vorzüge wie Bruchfestigkeit, Ungiftigkeit und<br />
Korrosionsbeständigkeit, die dieser Verbundstoff aufweist, ist eine technische Nachahmung<br />
<strong>des</strong> Materials von hohem Interesse. Dieser Nachahmung muss jedoch ein tiefer gehen<strong>des</strong><br />
Verständnis von Aufbau und Wachstum <strong>des</strong> Perlmutts vorangehen.<br />
Diese Arbeit befasst sich daher mit der Untersuchung der Mikro - und Nanostrukturen<br />
<strong>des</strong> Perlmutts. Zu diesem Zweck wurden unterschiedliche Charakterisierungsmethoden<br />
verwendet.<br />
Eine Untersuchung der Wachstumsfront der Schalen der Schnecke Haliotis tuberculata er-<br />
folgte über Raster-Elektronenmikroskopie (SEM). Anhand der erstellten SEM Aufnahmen<br />
wird der gestapelte Aufbau der Aragonitplättchen deutlich. Eine Analyse der Abstände<br />
zwischen den Plättchenstapeln ergab, dass die Stapel annähernd isotrop verteilt sind und<br />
einen mittleren Abstand von 8,96µm ± 0, 5 µm aufweisen. Dieser entspricht zugleich der<br />
Plättchenbreite und befindet sich innerhalb <strong>des</strong> in der Literatur ([27]) genannten Berei-<br />
ches von (5 - 10)µm. Des Weiteren zeigen die SEM Aufnahmen Schichten, die wahrschein-<br />
lich aus organischem Material bestehen und im Abstand von etwa fünf Aragonitplättchen<br />
(= ca. 2,65µm) zwischen den Plättchenstapeln aufgespannt sind. Die oberen 16 Aragonit-<br />
plättchen eines Stapels befinden sich im Wachstum und haben noch nicht ihre endgültige<br />
Breite erlangt.<br />
Metzler et al. beschrieb in einer Veröffentlichung [47], dass sich in den Plättchenstapeln<br />
Domänen mit relativ gleichbleibender Orientierung befinden. Um die Orientierung<br />
der Plättchen einer Domäne quantitativ zu untersuchen, wurden im Transmissions-<br />
Elektronenmikroskop (TEM) mittels Feinbereichsbeugung Beugungsbilder der einzelnen<br />
Plättchen erstellt. Das Perlmutt stammte in dieser und den folgenden <strong>Untersuchungen</strong><br />
von der Schale der Schnecke Haliotis laevigata. Aus der Lage <strong>des</strong> Lauekreises und der<br />
Rotation <strong>des</strong> Beugungsbil<strong>des</strong> können Rückschlüsse auf die Verkippung der Plättchen re-<br />
lativ zueinander gezogen werden. Die ermittelten Verkippungswinkel der beiden unter-<br />
suchten Perlmuttprobenbereiche liegen bei maximal 4, 1 ◦ ± 0, 3 ◦ bzw. 4, 2 ◦ ± 0, 3 ◦ und<br />
scheinen im Bereich bis zu diesen Maximalwerten statistisch verteilt zu sein. Die Rota-<br />
tionswinkel variieren in einem Bereich von −3, 4 ◦ bis 0 ◦ bzw. von −1, 5 ◦ bis 7, 7 ◦ . Die<br />
Aragonitplättchen eines Stapels sind also nur leicht gegeneinander verkippt und weisen<br />
min<strong>des</strong>tens über eine Distanz von 15 bis 18 Plättchen eine sehr ähnliche Orientierung auf.<br />
Eine Betrachtung der Positionen der Lauekreise aller Beugungsbilder einer Serie zeigt<br />
außerdem, dass die Kipprichtungen der Plättchen eines Stapels Vorzugsrichtungen auf-<br />
weisen. Da jedoch nur zwei Messreihen aufgenommen wurden, können keine statistischen<br />
Auswertungen bezüglich <strong>des</strong> Auftretens dieser Vorzugsrichtungen vorgenommen werden.<br />
Für weiterführende <strong>Untersuchungen</strong> wäre es ein interessantes Ziel, die Orientierungen
84 5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
der sowohl über- als auch nebeneinander liegender Aragonitplättchen über große Berei-<br />
che (z.B. innerhalb einer (50 × 50)µm großen Querschnittsfläche der Schale) hinweg zu<br />
bestimmen. Dies könnte mittels EBSD (electron backscatter diffraction) <strong>Untersuchungen</strong><br />
realisiert werden. In einem SEM wird dazu die Oberfläche einer Perlmuttquerschnittspro-<br />
be vom Elektronenstrahl mit einer bestimmten Schrittweite abgerastert. Für jeden Punkt<br />
der Probe wird ein Beugungsbild, das von den rückgestreuten Elektronen gebildet wird,<br />
aufgezeichnet. Aus diesem Beugungsbild, dem sogenannten Rückstreu-Kikuchi-Muster<br />
[49], ist die Orientierung <strong>des</strong> jeweiligen untersuchten Probenbereichs bestimmbar.<br />
Die ähnliche Orientierung übereinander liegender Plättchen wirft die Frage auf, ob über<br />
ein Wachstum <strong>des</strong> Aragonits durch Poren in der organischen, interlamellaren Matrix eine<br />
Weitergabe der kristallographischen Orientierung auftritt. Tatsächlich können kristalli-<br />
ne Verbindungen, sogenannte <strong>Mineral</strong>brücken, die sich zwischen den Plättchen inner-<br />
halb der organischen Matrix befinden, beobachtet werden. Mittels TEM erzeugte Hoch-<br />
auflösungsaufnahmen der <strong>Mineral</strong>brücken zeigen eine Durchgängigkeit <strong>des</strong> kristallinen<br />
Materials in den Brücken. Über einen Vergleich eines simulierten und eines experimentell<br />
erstellten Hochauflösungsbil<strong>des</strong> kann die Annahme gestützt werden, dass das Material in<br />
den Brücken Aragonit ist.<br />
Des Weiteren wurden in einem Raster-Transmissions-Elektronenmikroskop (STEM)<br />
elektronentomographische Messungen durchgeführt. Diese ermöglichen eine dreidimensio-<br />
nale Rekonstruktion der Plättchenoberflächen und zeigen, dass nicht alle <strong>Mineral</strong>brücken<br />
durchgängig sind, sondern dass die Plättchenoberfläche zahlreiche ” Ausstülpungen“ auf-<br />
weist, die sich nicht berühren.<br />
Tomographiemessungen an Nanoporen liefern das Resultat, dass sich die Poren innerhalb<br />
der Aragonitplättchen befinden und somit kein Artefakt der Präparation darstellen. Mit-<br />
tels der Tomographiedaten konnte ein Modell der facettierten Nanoporen erstellt werden,<br />
das deren mögliche dreidimensionale Struktur wiedergibt. Eine Auswertung der dreidi-<br />
mensionalen Rekonstruktionen einer hohen Anzahl Nanoporen ergibt eine mittlere Breite<br />
der Poren zwischen (4±0,5)nm und (14±0,5)nm. Das Maximum der Verteilung befin-<br />
det sich bei einer Porenbreite von (5,5±1,0)nm. Unter der vereinfachten Annahme einer<br />
sphärischen Porenform nehmen die Nanoporen ca. 0,2% <strong>des</strong> betrachteten Probenvolumens<br />
ein.<br />
Z - Kontrast <strong>Untersuchungen</strong> führten zu dem Ergebnis, dass die Nanoporen entweder un-<br />
gefüllt sind oder ein leichtes, beispielsweise organisches Material enthalten. Um dies zu<br />
prüfen, wurden EDX (energy dispersive X-ray)- und EELS (electron energy loss spec-<br />
troscopy)-Spektren aufgenommen. Über die Auswertung der Spektren kann ein erhöhter<br />
Kohlenstoffanteil innerhalb der Nanoporen, die eine Breite über (28±2)nm besitzen, nach-<br />
gewiesen werden. Nanoporen einer geringeren Breite enthalten entweder keinen oder auf-<br />
grund ihres geringen Volumens einen niedrigen Kohlenstoffanteil, der nur schwer detektiert<br />
werden kann. Mittels energiegefilterter Transmissions-Elektronenmikroskopie (EFTEM)<br />
erstellte ” jump ratio“ Aufnahmen stützen das Ergebnis, dass sich innerhalb der Nanopo-
en ein erhöhter Kohlenstoffanteil befindet.<br />
Die weitere Erforschung der Struktur und der Entstehungsmechanismen der Nanoporen<br />
könnte Inhalt zukünftiger <strong>Untersuchungen</strong> sein. Beispielsweise könnte die Präparation ei-<br />
ner TEM Probe der Perlmuttwachstumsfront vorgenommen werden. Anhand dieser Pro-<br />
be könnte die Entstehung der Poren an der lateralen Wachstumsfront 24 der sich bilden-<br />
den Aragonitplättchen analysiert werden. Tomographiemessungen entlang der [010]- und<br />
[100]-Richtungen könnten zudem weitere Informationen über die dreidimensionale Struk-<br />
tur der Nanoporen liefern.<br />
Über die Entwicklung einer geeigneten Markierungsmethode könnte organisches Material<br />
in den Aragonitplättchen untersucht werden. Problem einer solchen Behandlung ist es,<br />
einen geeigneten Marker zu finden, der in die Probe diffundiert, an organische Materialien<br />
bindet und mittels TEM oder einer anderen Methode nachgewiesen werden kann. Des Wei-<br />
teren könnte über Sekundärionen-Massenspektroskopie (SIMS) die Elementverteilung in<br />
der Probe untersucht werden.<br />
24 Dies ist die sich in b - und c -Richtung ausbreitende Front der Aragonitplättchen.<br />
85
6 Anhang<br />
6.1 Liste der verwendeten Geräte<br />
• Diamantdrahtsäge (Well, Drahtdicke: 300µm)<br />
• Nassschleifgerät (LaboPol-4 der Firma Struers)<br />
• digitale Messuhr (Mitutoyo, Modell ID-C112B)<br />
• Muldenschleifgerät (Dimple Grinder, Gatan, Modell 656)<br />
• PIPS (Gatan, Modell 691)<br />
• DualBeam-System (FEI Nova 200)<br />
• CM20 UT (Philips)<br />
• Ditabis scanner (Digital Biomedical Imaging Systems AG)<br />
• EM 420 (Philips)<br />
• Tecnai F20 S-Twin (FEI)<br />
• Tecnai F20 X-Twin (FEI)<br />
6.2 zu Abschnitt 4.2<br />
Auflistung der Verkippungs- und Rotationswinkel der untersuchten Aragonitplättchen<br />
der Probe QP:<br />
Plättchennummer Verkippungswinkel[ ◦ ] Rotationswinkel [ ◦ ]<br />
1 2,19 -2,42<br />
2 1,83 0,00<br />
3 2,24 1,78<br />
4 0,12 0,00<br />
5 0,95 -1,35<br />
6 4,07 -0,93<br />
7 0,44 -1,69<br />
8 0,42 -2,50<br />
9 1,07 -1,81<br />
10 0,62 -2,92<br />
11 1,25 -3,42<br />
12 3,39 -0,40<br />
13 3,91 -1,19<br />
87
88 6 ANHANG<br />
Auflistung der Verkippungs- und Rotationswinkel der untersuchten Aragonitplättchen<br />
der Probe QF:<br />
Plättchennummer Verkippungswinkel[ ◦ ] Rotationswinkel [ ◦ ]<br />
1 0,91 +6,45<br />
2 1,17 +5,59<br />
3 3,78 +1,90<br />
4 0,49 -1,17<br />
5 0,57 -0,92<br />
6 0,16 -0,62<br />
7 0,33 0,00<br />
8 1,81 -1,18<br />
9 4,15 -2,07<br />
10 2,71 -1,95<br />
11 3,35 +2,43<br />
12 1,87 +2,55<br />
13 1,63 +2,77<br />
14 2,54 +2,63<br />
15 2,19 +2,48<br />
16 3,48 +5,13<br />
17 2,22 +6,03<br />
18 1,42 +7,06
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Danksagung<br />
An dieser Stelle möchte ich mich bei all den Menschen bedanken, die mich bei der<br />
Erstellung dieser Diplomarbeit unterstützt haben.<br />
An erster Stelle bedanke ich mich bei Prof. Dr. Monika Fritz und Prof. Dr. Andreas<br />
Rosenauer, die mich in ihren Arbeitsgruppen aufnahmen und mir die Möglichkeit gaben,<br />
diese Arbeit zu schreiben, sowie für die gute Betreuung.<br />
Besonders danke ich Dr. Roland Kröger für die intensive Betreuung, die vielen einge-<br />
brachten Ideen, sowie sein großes Interesse an meiner Arbeit.<br />
Dr. Marco Schowalter danke ich für seine Hilfe bei dem Umgang mit MATLAB und<br />
dafür, dass er die in Abb. 65 (c) dargestellte TEM Aufnahme <strong>des</strong> geologischen Aragonits<br />
zur Verfügung stellte.<br />
Knut Müller danke ich für seine Einführung in die Probenpräparation, seine Hilfe bei<br />
MATLAB Problemen und natürlich für seine hervorragende Gesellschaft im Büro.<br />
Oliver Oppermann danke ich für das entspannte Klima im Büro (auch wenn das ewig<br />
klingelnde Telefon nicht unbedingt dazu beigetragen hat).<br />
Dr. Angelika Pretorius danke ich für die Aufmunterungskekse und dafür, dass sie dabei<br />
immer auf meine ” Extrawurst“ Rücksicht nahm (und hoffentlich in Zukunft auch nehmen<br />
wird).<br />
Außerdem danke ich Oliver Walter und Jutta Bonnet für die nette Atmosphäre in der<br />
Arbeitsgruppe.<br />
Den Mitgliedern <strong>des</strong> Instituts für Biophysik danke ebenfalls für die stets angenehme<br />
Atmosphäre.<br />
Dr. Christian Kübel vom IFAM, Bremen danke ich für seine Hilfe bei der Aufnahme<br />
der Z - Kontrast Bilder und der EDX- und EELS-Spektren und außerdem für die<br />
Durchführung der Elektronentomographie, sowie die Visualisierung der Daten mit dem<br />
Programm amira resolve RT.<br />
Gerd Ankele danke ich für die graphische Umsetzung <strong>des</strong> Nanoporenmodells (Abb. 63).