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Leitfaden - Gewalt gegen Kinder - Saarland

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Im Kontext sexuellen Missbrauchs ist ebenfalls von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.<br />

Zusammenfassende Studien seit den 80er Jahren gehen von einer geschlechtsspezifischen<br />

Betroffenheit von 10 – 18 % bei Mädchen und 5 – 7 % bei<br />

Jungen aus (Deegener 2006). 10 - 15 % der Frauen und ca. 5 - 10 % der Männer<br />

haben bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren mindestens einmal einen unerwünschten<br />

sexuellen Körperkontakt erlebt, der entweder durch die moralische Übermacht<br />

einer deutlich älteren Person oder durch <strong>Gewalt</strong> durchgesetzt wurde. (Ernst 1997,<br />

zitiert nach Deegener 2006)<br />

Auffallend sind auch die Überlagerungen verschiedener Formen der Kindesmisshandlung:<br />

<strong>Gewalt</strong> zwischen den Eltern scheint ein hohes Risiko für <strong>Kinder</strong> darzustellen,<br />

dass auch sie Opfer von <strong>Gewalt</strong> werden. Laut einer Befragung von Richter–<br />

Appelt (1994) finden sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung häufig bei<br />

gleichzeitiger körperlicher und seelischer Vernachlässigung statt (s. Deegener<br />

2005).<br />

2.2 Belastungsfaktoren/Risikofaktoren<br />

Die Entwicklung des Kindes wird sowohl von den beim Kind vorhandenen Merkmalen<br />

(biologisch oder psychologisch) als auch seinem Lebensumfeld bestimmt. Zum<br />

Lebensumfeld gehören neben der Familie und ihrer Lebenssituation das soziale<br />

Umfeld ebenso wie die verfügbaren institutionellen Strukturen und die gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Rahmenbedingungen. Auch die vielfältigen Risikofaktoren,<br />

die zu <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinder</strong> führen, finden sich in diesem gesamten Kontext.<br />

Der Begriff der Risikofaktoren, der zur Beschreibung ungünstiger Bedingungen Anwendung<br />

findet, kann in diesem Zusammenhang sehr leicht missverstanden werden.<br />

Es soll hier nicht ausgedrückt werden, dass es zu <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> Mädchen und<br />

Jungen kommen muss, wenn bestimmte Faktoren vorhanden sind. Der Begriff Risikofaktor<br />

verdeutlicht, dass die Wahrscheinlichkeit der <strong>Gewalt</strong> größer ist, wenn<br />

mehrere Faktoren zusammen vorliegen. Dies birgt jedoch auch die Gefahr, dass<br />

Vorurteile geschürt werden und damit der Blick der helfenden Person eingeengt<br />

wird. Darum wurde der Begriff des Belastungsfaktors gewählt, der nicht automatisch<br />

zum Risikofaktor werden muss. Unabhängig vom Vorliegen belastender Faktoren<br />

können alle <strong>Kinder</strong> von <strong>Gewalt</strong> betroffen sein.<br />

Belastungsfaktoren sind u. a. die wachsende Armutsquote in der Bevölkerung, hohe<br />

Toleranz <strong>gegen</strong>über aggressiven/gewaltförmigen Konfliktlösungen sowie Macht-<br />

und Beziehungsgefälle zwischen den Geschlechtern auf der gesamtgesellschaftlichen<br />

Ebene. Ebenso zählen dazu ein ungünstiges soziales Umfeld: fehlendes sozial<br />

unterstützendes Netzwerk der Familie, hohe Kriminalitätsrate in der Gemeinde, Leben<br />

in einem sozialen Brennpunkt oder eine hohe Arbeitslosenquote, zu wenig<br />

oder gar keine <strong>Kinder</strong>betreuungsmöglichkeiten.<br />

Auf der familiären Ebene wirken sich Partnerkonflikte, gestörte Eltern-Kind-<br />

Beziehungen, beengte Wohnverhältnisse sowie die individuelle Situation eines Elternteils<br />

belastend aus.<br />

Eltern mit eigener Misshandlungs- oder Missbrauchserfahrung in der Kindheit neigen<br />

eher zu <strong>Gewalt</strong>, gleiches gilt bei psychischen Störungen und/oder Suchtproblematik,<br />

chronischen Erkrankungen und Minderbegabungen, verbunden mit<br />

mangelnden Fähigkeiten im Umgang mit Stress und der Lösung von Konflikten.<br />

Auch Belastungen seitens des Kindes wie Frühgeburtlichkeit, Regulationsstörungen<br />

mit häufig nächtlichem Schreien, eine chronische Erkrankung oder Behinderung<br />

des Kindes oder eines Geschwisterkindes mit hoher Anforderung an elterliche Unterstützung<br />

können <strong>Gewalt</strong> befördern, insbesondere in einem schon belasteten<br />

Umfeld.<br />

13<br />

Sexueller<br />

Missbrauch<br />

Überlagerung<br />

von Formen der<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

Wahrscheinlichkeit<br />

von "<strong>Gewalt</strong>"<br />

wächst mit dem<br />

Ausmaß individuellerBelastungsfaktoren<br />

Belastungsfaktoren<br />

auf unterschiedlichen<br />

Ebenen

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