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Leitfaden - Gewalt gegen Kinder - Saarland

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Als behandelnde Ärztin/behandelnder Arzt sollten Sie im Vorfeld eines solchen Gespräches<br />

bedacht haben, welche Reaktionen möglich sind und welche Konsequenzen<br />

das Gespräch für die Sicherheit des Kindes und für die weitere Betreuung hat.<br />

Möglicherweise Sollten Sie das Vorgehen entsprechend modifizieren und andere<br />

Helfer dazu bitten bzw. eine Klinikeinweisung veranlassen. Folgende Regeln sollten<br />

bei der Planung eines Gesprächs zur Diagnosemitteilung berücksichtigt werden:<br />

Machen Sie deutlich, dass Sie sich um die Gesundheit des Kindes sorgen.<br />

Vermeiden Sie wertende Haltungen <strong>gegen</strong>über Eltern oder potentiellen Tätern.<br />

Bieten Sie keine Beratungen und Therapien an, die Sie selbst nicht leisten können.<br />

Führen Sie nach Möglichkeit eine gemeinsame Entscheidung zur Inanspruchnahme<br />

oder Information von Beratungsstellen und Jugendamt herbei.<br />

Beginnen Sie das Gespräch mit den Befunden, die Sie bei dem Kind beobachtet<br />

haben. Die Symptomatik des Kindes bietet Ihnen eine Möglichkeit, mit den Eltern<br />

ins Gespräch zu kommen ("Ihr Sohn macht schon längere Zeit einen sehr ängstlichen<br />

Eindruck auf mich. Haben Sie eine Vorstellung, woran es liegen kann?").<br />

Manchmal stellen Sie in der Sprechstunde fest, dass ein Kind, das wegen Husten<br />

vorgestellt wird, mehrere Hämatome aufweist. Sie sollten den Eltern diese Befunde<br />

unbedingt mitteilen und mit ihnen über mögliche Ursachen reden.<br />

6.4 Notmaßnahmen bei unmittelbar drohender Gefahr für das Kind<br />

Bei Kenntnis des kindlichen Miterlebens elterlicher Partnerschaftsgewalt ab einem<br />

Niveau von mittleren Schweregraden (also mehrmaliger verletzungsträchtiger <strong>Gewalt</strong>)<br />

muss grundsätzlich von der Möglichkeit kindlicher Beeinträchtigungen von<br />

erheblichem Ausmaß ausgegangen werden. Die "Alarmglocke" möglicher akuter<br />

Kindeswohlgefährdung sollte aber ertönen, wenn das Kind schwere <strong>Gewalt</strong> über<br />

einen längeren Zeitraum miterlebt hat, insbesondere wenn es unmittelbar den <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />

beiwohnen musste oder sogar eingebunden wurde.<br />

Kam es im Vorfeld beispielsweise wiederholt zu schwereren Misshandlungen der<br />

Mutter, die teilweise in Anwesenheit des Kindes ausgeführt wurden, so kann es im<br />

Zuge typischer <strong>Gewalt</strong>steigerungen ("<strong>Gewalt</strong>spirale") auch zu einer Vergewaltigung<br />

der Mutter vor den Augen des Kindes kommen– einer Beobachtung mit besonders<br />

großem Traumatisierungspotential (Strasser 2006). Als "Ende der <strong>Gewalt</strong>spirale"<br />

sollte hier auch das Miterleben der Tötung der Mutter, unter Umständen verbunden<br />

mit einer Selbsttötung des Vaters mitbedacht werden.<br />

Hinsichtlich des Traumatisierungspotentials ist es für <strong>Kinder</strong> am schlimmsten, wenn<br />

sie in die <strong>Gewalt</strong>handlungen einbezogen und in die Täterrolle hineingedrängt werden.<br />

Dies kann beispielsweise sogar in der Weise geschehen, dass das Kind vom<br />

Vater gezwungen wird, sich aktiv an der Vergewaltigung zu beteiligen, beispielsweise<br />

indem es die Mutter fesselt.<br />

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Gefahr schwerer und schwerster <strong>Gewalt</strong>anwendungen<br />

unmittelbar <strong>gegen</strong>über dem Kind wie auch die Gefahr seiner Tötung<br />

besteht.<br />

Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern ist zudem bei einer massiven<br />

Schwächung oder akuten Traumatisierung der Mutter an die Möglichkeit der Vernachlässigung<br />

mit gravierenden Auswirkungen zu denken.<br />

In diesen Fällen sollte in jedem Fall das Jugendamt – möglichst mit Zustimmung<br />

eines oder beider Elternteile – informiert werden. Dieses wird die Prüfung auf eine<br />

Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII bzw. §§ 1666 und 1666a BGB) einleiten.<br />

53<br />

Gesundheit im<br />

Vordergrund<br />

Befunde erläutern<br />

Durchschnittlich<br />

erhebliche<br />

Beeinträchtigung,<br />

akute Kindeswohlgefährdung<br />

Typische <strong>Gewalt</strong>steigerungen,<br />

hohes Traumatisierungspotential,<br />

Tötung der Mutter<br />

<strong>Kinder</strong> in der<br />

"Täterrolle"<br />

Gefahr schwerer<br />

<strong>Gewalt</strong>anwendung<br />

<strong>gegen</strong>über<br />

<strong>Kinder</strong>n<br />

Schwere<br />

Vernachlässigung

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