Leitfaden - Gewalt gegen Kinder - Saarland
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<strong>Kinder</strong>gynäkologischeKonsiliaruntersuchung<br />
Mädchen und<br />
Jungen sind Opfer<br />
Forensiche Befunde<br />
selten<br />
Körperliche Befunde<br />
mit unterschiedlicherWertigkeit<br />
Beweislage oft<br />
schwierig<br />
Sexuell übertragbarenKrankheiten<br />
als Hinweis<br />
Wenn Sie sich als Arzt durch eine exakte kindergynäkologische Untersuchung überfordert<br />
fühlen, sollten Sie eine kindergynäkologische Konsiliaruntersuchung in einer<br />
spezialisierten Klinik oder Praxis durch niedergelassene Kolleginnen und Kollegen<br />
mit einer Zusatzausbildung oder durch einen Rechtsmediziner mit Erfahrung in Befunderhebung<br />
und forensischer Bewertung anstreben.<br />
Obwohl Jungen gleichermaßen zu Opfern sexueller Übergriffe werden können, finden<br />
sich bei ihnen noch seltener hinweisende Befunde. Es wird neben der Analregion<br />
der Penis, das Skrotum und die Hoden auf Hämatome und andere Verletzungen<br />
untersucht.<br />
Bei präpubertären <strong>Kinder</strong>n ist nach 24 Stunden kein Nachweis von Sperma zu erwarten,<br />
sondern das Augenmerk der forensischen Untersuchung auf die beim<br />
Übergriff getragene Kleidung des Kindes oder etwaige Bettlaken zu richten. Hat ein<br />
Übergriff bei Adoleszenten in den letzten 48 bis 72 Stunden stattgefunden, so<br />
muss die Untersuchung unverzüglich erfolgen, um forensische Befunde, insbesondere<br />
Spermaspuren zu sichern (s. Kapitel 5).<br />
Beim sexuellen Missbrauch gibt es nur bei 5 - 10 % der Opfer hinweisende und<br />
noch seltener beweisende Befunde. Grund dafür ist, dass viele sexuelle Handlungen<br />
nicht zu einer Verletzung führen, dennoch seelisch erheblich schädigend sein<br />
können. Daneben besteht eine enorme Heilfähigkeit der anogenitalen Gewebe, so<br />
dass bei der meist verzögerten Vorstellung der <strong>Kinder</strong> auch signifikante Verletzungen<br />
(einschließlich des Hymens!) vollkommen verheilen können. Als spezifische<br />
Symptome gelten alle Verletzungen im Anogenitalbereich ohne plausible Anamnese.<br />
Dazu gehören Hämatome, Quetschungen, Striemen, Einrisse, Narben und<br />
Bisswunden. Insbesondere die Unterbrechung des Hymenalsaums bis zur Basis hat<br />
eine hohe diagnostische Aussagekraft. Die entsprechenden Differenzialdiagnosen<br />
und Normenvarianten sind unbedingt zu beachten um folgenschwere Fehlbewertungen<br />
zu vermeiden (Herrmann 2002).<br />
Im Zusammenhang mit dem Verdacht bzw. der Anschuldigung des sexuellen Missbrauchs<br />
bleiben allerdings auch immer wieder Beweisfragen ungeklärt. Beispielsweise<br />
ist aus diversen Literaturangaben (beispielsweise bei schwangeren Teenagern)<br />
bekannt, dass keineswegs jedes Einführen eines männlichen Gliedes bzw. intravaginale<br />
Manipulationen zwangsläufig mit dem Zerreißen des Jungfernhäutchens<br />
oder mit sichtbaren Verletzungen im Scheidenbereich einhergehen. Die Intaktheit<br />
des Hymens schließt wie insgesamt das Fehlen auffälliger Befunde die Möglichkeit<br />
des sexuellen Missbrauchs (auch mit Einführen des Penis bei Adoleszenten) nicht<br />
aus. Bei jüngeren präpubertären Mädchen ist dies jedoch unwahrscheinlich.<br />
Bei den sexuell übertragbaren Krankheiten sind nach Ausschluss einer Übertragung<br />
in der Neugeborenenperiode die Gonorrhoe, Syphilis und HIV beweisend für sexuelle<br />
<strong>Gewalt</strong>. Infektionen mit Trichomonaden jenseits des ersten sowie von Chlamydien<br />
jenseits des dritten Lebensjahres zählen ebenfalls dazu. Condylomata accuminata<br />
(Feigwarzen) sind vor der Geschlechtsreife des Kindes möglicherweise Folge<br />
von Missbrauch – oft ist der Infektionsweg aber nicht zu klären, so dass aus der<br />
Infektion allein keine Diagnose gestellt werden darf. Bei einer Schwangerschaft in<br />
der Frühpubertät muss man immer an die Folgen eines Missbrauchs denken.<br />
Daneben gibt es noch unspezifische Symptome, die ebenfalls bei einem Missbrauch<br />
entstehen können, wie rezidivierende Harnwegsinfekte, vaginale Infektionen, sekundäre<br />
Enuresis und Enkopresis. Sie sind jedoch ungeeignet die Diagnose zu stellen.<br />
Bei akuten Übergriffen sind die möglicherweise erforderlichen Prophylaxen<br />
(Geschlechtskrankheiten, HIV, Schwangerschaft) zu beachten.<br />
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