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Leitfaden - Gewalt gegen Kinder - Saarland

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Säuglinge,<br />

Kleinkinder<br />

Kleinkind bis<br />

Schulalter<br />

Traumatische Lebenserfahrungen in der Kindheit stören die gesamte Entwicklung<br />

besonders tiefgreifend und verändern in besonderem Maße die Einstellungen zu<br />

sich selbst und zur Umwelt. Im Unterschied zu Erwachsenen ist die kindliche Entwicklung<br />

beim Eintritt der potentiell traumatisierenden Situation noch nicht abgeschlossen.<br />

Die Bewältigung der für die jeweilige Alterstufe spezifischen Entwicklungsaufgaben<br />

kann durch das traumatische Erleben erschwert oder verhindert<br />

und bereits bestehende Entwicklungsschwierigkeiten vergrößert werden. Einen<br />

weiteren Unterschied zu den Erwachsenen bildet der Umstand, dass <strong>Kinder</strong> bei der<br />

Verarbeitung des Traumas aufgrund ihres Alters nicht in der Lage sind, auf einen<br />

längeren Zeitraum positiver Erfahrungen zurückzugreifen.<br />

Klinische Erfahrungen mit traumatisierten <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zeigen, dass<br />

sie auf potentiell traumatogene Lebensereignisse mit (teils) anderen Symptommustern<br />

reagieren, als dies bei Erwachsenen zu erwarten wäre. Zwar finden sich auch<br />

psychobiologische Reaktionsmuster wie Übererregung und vegetative Symptome,<br />

Vermeidungsverhalten sowie wiederkehrende intrusive Erlebensweisen auch bei<br />

<strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />

Bei <strong>Kinder</strong>n im Alter 3-5 Jahren zeigten sich Symptome des traumatischen Wiedererlebens<br />

in ca. 80 %, erhöhten Erregungsniveaus in 90 % und Vermeidungsverhaltens<br />

in 3 % der Fälle (Levendosky et al. zitiert nach Kindler 2006).<br />

Ältere <strong>Kinder</strong> zwischen 7 und 12 Jahren weisen traumatisches Wiedererleben in<br />

ca. 50 %, erhöhte Erregungsniveaus in 40 % und Vermeidungsverhalten in 20 %<br />

der Fälle auf (Graham-Bermann & Levendosky, 1998 zitiert nach Kindler).<br />

Ähnlich starke Traumatisierungen wurden bei <strong>Kinder</strong>n nach Verkehrsunfällen oder<br />

Hundeattacken gefunden und höhere Werte nach dem Miterleben eines gewaltsamen<br />

Todesfalles in der Familie (Kindler Seminarunterlagen DRA, 2006).<br />

Daneben lassen sich aber häufig kindliche Reaktionsweisen finden, die sich je nach<br />

Entwicklungsstand unterschiedlich darstellen.<br />

4.5.2 Besonderheiten verschiedener Entwicklungsstufen<br />

"Schon Säuglinge können traumatisiert werden. Sie reagieren äußerlich sichtbar<br />

z.B. mit Futterstörungen und Schreien. Bereits erlernte Selbstberuhigungsmechanismen<br />

(Autostimulationen wie Selbstberührungen, Daumenlutschen etc.) oder<br />

Trost von emotional relevanten Bezugspersonen reichen nicht mehr aus, um die<br />

psychobiologischen Spannungszustände in der traumatischen Situation zu kompensieren.<br />

Die primäre Bezugsperson ist insbesondere für den Säugling ein "emotionales<br />

Sprachrohr" für äußere Bedrohung. Die zunächst von der Elternperson erlebte<br />

Angst überträgt sich auf das Baby. Es erlebt die Welt noch wie im Spiegel des elterlichen<br />

Antlitzes, die primäre Bezugsperson baut sozusagen eine Affektbrücke<br />

zum Säugling, sie ist Teil seines Affektregulationssystems. Entsprechend traumatisch-überflutend<br />

können bedrohliche emotionale wie physische Einschläge auf dieses<br />

labile dyadische System einwirken.<br />

Auch bei <strong>Kinder</strong>n vom Kleinkind bis zum Grundschulalter finden wir intrusive Erlebensweisen,<br />

die sich aber oftmals eher in einem so genannten "traumatischen<br />

Spiel" wieder finden. (…) Das Beziehungsverhalten des Kindes kann nach einer<br />

traumatischen Lebenserfahrung dramatisch verändert sein. Das Kind zeigt sich<br />

scheu, ängstlich und sozial zurückgezogen. Der Kontakt zu Gleichaltrigen ist im<br />

zeitlichen Zusammenhang mit einem traumatischen Ereignis verändert oder gestört.<br />

Sozialen Situationen wird ängstlich begegnet. Der natürliche Drang des Kindes<br />

zur Exploration seiner Umwelt erscheint aufgehoben zu sein. Gefühle sind<br />

durch das Kind weniger zu kontrollieren, es kommt zu Gefühlsausbrüchen von Wut,<br />

Trauer oder Verzweiflung. Andere <strong>Kinder</strong> reagieren mit einer "frozen watchfullness",<br />

wirken in Panik erstarrt, ängstlich und leer. Viele <strong>Kinder</strong> reagieren mit motorischer<br />

Unruhe, ziellosem Verhalten und Konzentrationsstörungen.<br />

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