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Leitfaden - Gewalt gegen Kinder - Saarland

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Vorwort<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinder</strong> hat viele Gesichter: Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch<br />

und elterliche Partnerschaftsgewalt kann bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen zu akuten und/oder bleibenden<br />

Schäden führen und Entwicklung und Lebensentwürfe nachhaltig negativ beeinflussen.<br />

Weltweit sterben nach Angaben der <strong>Kinder</strong>hilfsorganisation UNICEF jährlich über 50.000 <strong>Kinder</strong> an den<br />

Folgen von <strong>Gewalt</strong>, Missbrauch und Vernachlässigung, davon allein in Deutschland wöchentlich zwei <strong>Kinder</strong>.<br />

Das schlimme Leiden dieser <strong>Kinder</strong> wird uns mit erschreckender Deutlichkeit durch Medienberichte<br />

einzelner <strong>Kinder</strong>schicksale vor Augen geführt. Den öffentlich bekannten Fällen von schwerer Misshandlung<br />

und Vernachlässigung steht eine hohe Dunkelziffer aller Formen von <strong>Gewalt</strong> in allen Gesellschaftsschichten<br />

<strong>gegen</strong>über. Sie zu erkennen und den Betroffenen zu helfen ist schwierig und nicht immer möglich.<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinder</strong> wird meist aus Angst oder Scham verschwiegen.<br />

Die Auswirkungen der <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Kinder</strong> haben bundesweit zu vielfachen Bemühungen um einen besseren<br />

<strong>Kinder</strong>schutz geführt. Im <strong>Saarland</strong> wurden als einem der ersten Bundesländer mit dem Landesprogramm<br />

"Frühe Hilfen" seit 2007 im Verbund mit allen Akteuren der gesundheitlichen Versorgung und der<br />

Jugendhilfe wichtige Strukturen geschaffen: Mit dem Projekt "Keiner fällt durchs Netz" sollen durch ein<br />

flächendeckendes Screening in den geburtshilflichen Kliniken Familien mit Belastungsfaktoren frühzeitig<br />

erkannt werden. Über die Koordinierungsstellen "Frühe Hilfen" der Landkreise, die als Ansprechpartner<br />

für Eltern in Problemlagen und Gesundheitsprofessionen dienen, wird belasteten Familien Beratung angeboten<br />

und Hilfen eingeleitet. Eine niedrigschwellige kontinuierliche Betreuung von Familien mit psychosozialen<br />

Problemen ist durch Familienhebammen bzw. sozialmedizinische Assistentinnen der Gesundheitsämter<br />

möglich. Durch Motivationsförderung zur Teilnahme an den <strong>Kinder</strong>früherkennungsuntersuchungen<br />

und ein verbindliches Erinnerungssystem sowie der Möglichkeit einer nachgehenden Intervention bei Versäumnis<br />

kommt nahezu allen <strong>Kinder</strong> in der Vorschulzeit diese gesundheitliche Vorsorge zugute. Über landesweit<br />

angebotene Elternkurse "Das Baby verstehen" soll die elterliche Kompetenz gestärkt werden.<br />

Netzwerke für Eltern in den Kreisen helfen innerhalb der Kommunen die Kooperation der Akteure zu verstärken,<br />

die sich um das Kindeswohl und ein Aufwachsen ohne <strong>Gewalt</strong> bemühen.<br />

Denn nur gemeinsam mit den Eltern, mit einem tragfähigen sozialen Netz, das auch zeitnahe niedrigschwellige<br />

und professionelle Unterstützung bereithält, wird es gelingen, den unterschiedlichen Problemlagen<br />

in einer komplexen Gesellschaft gerecht zu werden und Unterstützung im Alltag zu bieten.<br />

Ärztinnen und Ärzte sind durch den engen Kontakt mit den Familien im Rahmen der gesundheitlichen Betreuung<br />

der <strong>Kinder</strong> in besonderer Weise prädestiniert, die Auswirkungen von <strong>Gewalt</strong> an <strong>Kinder</strong>n zu erkennen<br />

und zudem als „Türöffner“ für die Inanspruchnahme weiterführender psychosozialer Unterstützung<br />

zu fungieren. Vor dem Hintergrund, dass einerseits das Miterleben elterlicher Partnerschaftsgewalt<br />

die <strong>Kinder</strong> erheblich schädigt und je nach Dauer und Schwere der <strong>Gewalt</strong> auch den Charakter einer akuten<br />

Kindeswohlgefährdung annehmen kann und andererseits Partnerschaftsgewalt nicht einmalig auftritt,<br />

sondern meist mit der Zeit eskaliert, bestehen hier Chancen, vermehrte und schwere <strong>Gewalt</strong>anwendung<br />

durch möglichst frühzeitige Intervention und Unterstützung zu erkennen. Das präventive Potential zeigt<br />

sich vermehrt angesichts der Tatsache, dass elterliche Partnerschaftsgewalt neben der unmittelbaren<br />

kindlichen Schädigung einen der gravierendsten Risikofaktoren für (körperliche) Kindesmisshandlung bildet.<br />

Der vorliegende <strong>Leitfaden</strong> zur Früherkennung, zu Handlungsmöglichkeiten und Kooperation bei <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>gegen</strong> <strong>Kinder</strong> soll <strong>Kinder</strong>ärztinnen und <strong>Kinder</strong>ärzten, aber auch Ärztinnen und Ärzten anderer Fachrichtungen<br />

Informationen zur Diagnostik, zum Vorgehen in der Praxis und zu vorhandenen Hilfsangeboten<br />

liefern.<br />

Die aktuelle Fassung des <strong>Leitfaden</strong>s ist eine grundlegende Überarbeitung des 1998 erschienenen ersten<br />

gleichnamigen <strong>Leitfaden</strong>s. Sie trägt sowohl der veränderten Rechtslage, neuen Erkenntnissen der Risikoforschung,<br />

der elterlichen Partnerschaftsgewalt sowie präventiven Aspekten Rechnung. Der Schwerpunkt<br />

liegt im Bereich physischer <strong>Gewalt</strong> wie auch somatischer Symptome als Folge von sexuellem<br />

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