Dossier #11: "ERINNERUNGSKULTUR UND GEDÄCHTNISPOLITIK"
Dossier #11: "ERINNERUNGSKULTUR UND GEDÄCHTNISPOLITIK"
Dossier #11: "ERINNERUNGSKULTUR UND GEDÄCHTNISPOLITIK"
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Und es wurde noch weiter Einfluss auf die kollektive Erinnerung genommen. In der internationalen Version endet<br />
die Serie positiv: Der letzte Überlebende der Familie Weiss beteiligt sich nach der Befreiung von Theresienstadt am<br />
heimlichen Transport jüdischer Kinder nach Palästina - ein Schluss, der den Zusammenhang von Shoah und Israels<br />
Staatsgründung stark macht. In der deutschen Version jedoch wurden diese letzten sieben Minuten des Films weggelassen.<br />
Es bleiben keine positiven Visionen von Rettung und Neuanfang für die überlebenden Opfer als Schlussaussage<br />
stehen. Am Ende stehen stattdessen die Sätze eines Mitglieds der deutschen Täterfamilie zur Schuld, die sie<br />
auf sich geladen hat.<br />
All diese Prozesse sollen nun keinesfalls als böse, normverletzende Ausnahmen gelten. Dies ist vielmehr die Art und<br />
Weise, in der - grob beschrieben - das Zusammenspiel von Erinnerung und Medien in komplexen modernen Gesellschaften<br />
funktioniert. Wie schon erwähnt, existiert eine wahre kollektive Erinnerung nicht. Kollektive Erinnerung<br />
ist immer umstritten und deshalb immer politisch. 61<br />
Linktipps<br />
Praxisprojekte<br />
9. Das Projekt Shoa.de<br />
Vorstellung von Stefan Mannes, shoa.de<br />
Die Themenkomplexe Holocaust und Antisemitismus kämpfen seit jeher mit Mythen und Fehlinformationen, die<br />
eng verknüpft sind mit Rechtsextremismus und Revisionismus. Mit der zunehmenden Bedeutung des Internets als<br />
Informations- und Kommunikationsmedium werden zudem die traditionellen Informationsquellen in den Hintergrund<br />
gedrängt. Politisch-historisch interessierte Jugendliche und Erwachsene benötigen deshalb ein zeitgemäßes<br />
Informationsmedium, das wissenschaftlich fundierte Daten auch für Laien verfügbar macht.<br />
Vor diesem Hintergrund erfolgte die Gründung des Arbeitskreis Shoa.de im Jahr 1996 durch eine Gruppe von<br />
Studenten und Studentinnen der Geschichte, welche früh das Potenzial des Internets als didaktisches Medium<br />
erkannten. Seitdem hat sich das das Projekt mit über 120.000 Seitenaufrufen pro Monat als größtes deutschsprachiges<br />
Internetportal zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik und der Auseinandersetzung mit ihren<br />
Folgen bis in die Gegenwart etabliert.<br />
Eine allgemeinverständliche und zugleich medienadäquate Aufbereitung der Themen Holocaust, Antisemitismus und<br />
Drittes Reich ist im Internet schwer zu finden. Shoa.de wendet sich deshalb an interessierte Menschen, um ihnen mit<br />
seriösen Inhalten eine Alternative zu den oft tendenziösen und sehr lückenhaften Internetangeboten zu diesem<br />
Themenkreis anzubieten. Das Projekt bereitet historische Inhalte zielgruppen- und mediengerecht auf, bietet didaktische<br />
Zugänge an und lädt darüber hinaus zur redaktionellen Mitarbeit ein.<br />
Das inhaltliche Angebot von Shoa.de konzentriert sich auf vier Bereiche:<br />
Redaktionelle Artikel<br />
Derzeit sind über 120 Artikel, Aufsätze und Rezensionen verfügbar, die über allgemeine und spezielle Themenbereiche<br />
informieren und Ansatzpunkte und Anreize zu weiterer Auseinandersetzung geben. Die Inhalte werden<br />
ausnahmslos ehrenamtlich von Fachautorinnen und -autoren aus den Bereichen historische und politische Wissenschaft,<br />
Journalismus, Soziologie und Psychologie erarbeitet und für das Projekt zur Verfügung gestellt.<br />
Linkkatalog<br />
Der Shoa.de Linkkatalog ist eine umfangreiche Sammlung von Internetressourcen, die von historischen Quellen bis<br />
zu Projekten gegen Rechtsextremismus reichen. Die Inhalte werden nach wissenschaftlichen-didaktischen Kriterien<br />
ausgewählt und kategorisiert, regelmäßig ergänzt und aktualisiert. Mit derzeit über 200 Links ist der Katalog eines der<br />
bedeutendsten historischen Verzeichnisse im Internet.<br />
61 Saar, Martin: Wem gehört das kollektive Gedächtnis? Ein sozialhistorischer Ausblick auf Kultur, Multikulturalismus und Erinnerung. In:<br />
Echterhoff, Gerald/ Saar, Martin (Hg.): Kontexte und Kulturen der Erinnerung. Maurice Halbwachs und das Paradigma des sozialen<br />
Gedächtnisses. Konstanz: UVK 2002, S.267-278<br />
D-A-S-H <strong>Dossier</strong> <strong>#11</strong> – Erinnerungskultur und Gedächtnispolitik 36