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Dossier #11: "ERINNERUNGSKULTUR UND GEDÄCHTNISPOLITIK"

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Geschichtsverständnis deutlich. Sie wurde als zentrale Gedenkstätte des vereinigten Deutschlands "Den Opfern von<br />

Krieg und Gewaltherrschaft" gewidmet. 15 Die Formulierung 'Opfer von Krieg' macht keinen Unterschied zwischen<br />

Täterinnen, Tätern und Opfern. Ebenfalls zeigt sich bereits die Entwicklung, die heute aktueller denn je ist, 16<br />

Nationalsozialismus und DDR-Geschichte werden in eine Linie gesetzt. Alte Formen nationaler Repräsentation<br />

wurden wieder möglich.<br />

In der deutschen Außenpolitik wird das neue Geschichtsverständnis besonders in Bezug auf den Kosovokrieg<br />

deutlich. SPD und Grüne, die 1998 die Bundestagswahlen gewonnen hatten, standen für ein anderes, moderneres<br />

Deutschland, und erst durch sie vollzog sich die vollständige Abkehr von den Beschränkungen, die Deutschland<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg auferlegt worden waren. Der erste Angriffskrieg mit deutscher Beteilung seit 1939, der<br />

Kosovokrieg 1999, wurde mit einer Verantwortung gegenüber der Geschichte begründet. Deutschland zog nicht<br />

trotz sondern wegen Auschwitz in den Krieg im Kosovo (Joschka Fischer). 17 Diese Interpretation von militärischer<br />

Intervention ist exemplarisch für Erinnerungspolitik unter Rot/Grün, die deutsche Geschichte wird nicht abgeschlossen,<br />

sondern mit ihr wird offen Politik begründet. Das zeigt sich ganz aktuell an den Feierlichkeiten zum 60.<br />

Jahrestag des D-Days, der Landung der alliierten Truppen in der Normandie. Mit Gerhard Schröder hat zum ersten<br />

Mal ein Vertreter des deutschen Staates an den Feierlichkeiten teilgenommen. Der Bundeskanzler sagte, dass mit<br />

dem diesjährigen D-Day die Nachkriegszeit endgültig vorbei sei.<br />

3. Den Faschismus "mit Stumpf und Stiel ausgerottet" -<br />

Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur in der DDR<br />

von Sylvia Gössel<br />

Fragt man heute nach dem Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der DDR, so stößt man schnell<br />

auf die Formel vom "verordneten Antifaschismus", der anderen Formen der Auseinandersetzung keinen Raum ließ.<br />

In der Tat wurde von der Staats- und Parteiführung seit der Gründungsphase der DDR ein dogmatisches<br />

antifaschistisches Konzept umgesetzt, welches die Legitimation des Staates, seiner Führung und deren Politik<br />

begründete. Es blieb bis zum Schluss fest in der politischen Staatskultur der DDR verankert. Im Folgenden stehen<br />

zunächst die Inhalte dieses staatstragenden Antifaschismus im Vordergrund. Doch soll auch umrissen werden,<br />

welche Konsequenzen sich daraus ergaben und welche Ausdrucksformen der Erinnerung sich durchsetzten. Die<br />

Frage ist zudem, ob auf dieser Grundlage eine Auseinandersetzung in der Gesellschaft stattfinden konnte. Es gibt<br />

mittlerweile unzählige Bücher und Artikel, die sich mit der offiziellen Vergangenheitspolitik der DDR beschäftigen.<br />

Derartige Analysen können aber kaum beschreiben, welche Auswirkungen das antifaschistische Konzept auf die<br />

private Erinnerung der DDR-Bürger und deren Befindlichkeiten hatte. In diesem Rahmen kann nur versucht<br />

werden, eine kleine Einführung in die Problematik zu geben. Viele Punkte bedürfen eigentlich der genaueren<br />

Ausführung. Eine Beschäftigung mit der Thematik kann sich trotz der gängigen "Aufarbeitung" des DDR-<br />

Antifaschismus nach 1989 um eine fruchtbare, unpolemische Sichtweise bemühen.<br />

Die Voraussetzungen des staatstragenden Antifaschismus<br />

Man kann die Erinnerung in der DDR nicht beschreiben, ohne die Grundlagen des kommunistischen<br />

Antifaschismus-Konzeptes zu beleuchten. Die Basis der Interpretation der Vergangenheit war der kommunistische<br />

Faschismusbegriff. Spätestens seit dem 7. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1935<br />

hatten KPD-Anhänger den Faschismus im Wesentlichen als eine "besonders terroristische, chauvinistische und<br />

imperialistische Form des Finanzkapitalismus" bestimmt. Mit seiner Hilfe, so die Argumentation, hätten die<br />

Monopolkapitalisten seit 1933 noch aggressiver versucht, ihre wirtschaftliche und politische Macht zu erhalten, die<br />

durch den wachsenden Einfluss der Arbeiterbewegung und die bevorstehende sozialistische Revolution gefährdet<br />

gewesen sei. Die deutsche Barbarei könne und müsse demnach durch die marxistisch-leninistische Analyse von<br />

Kapitalismus und Klassenkampf erklärt werden. Die Kommunisten, die 1945 vor allem aus dem Moskauer Exil mit<br />

der Roten Armee ins Land zurückkamen und begannen, eine Gesellschaft nach ihren Maßgaben aufzubauen, zogen<br />

daraus eindeutige Konsequenzen: Wenn die Barbarei in den sozioökonomischen Grundlagen der kapitalistischen<br />

Gesellschaft angelegt ist, so schafft man durch die Enteignung des Großkapitals und Großgrundbesitzes<br />

Verhältnisse, die (laut Definition) ein Wiederaufleben des Faschismus ausschließen. Doch verlangten die<br />

strukturellen Umwälzungen ihre Entsprechungen in personellen Veränderungen, da zunächst die alten Nazis und<br />

ihre Unterstützer handlungsunfähig gemacht werden mussten. Entsprechend des Potsdamer Abkommens vom<br />

August 1945 wurde rasch mit der Umsetzung einer umfassenden Entnazifizierung begonnen. Als die Sowjetische<br />

Militäradministration in Deutschland (SMAD) bereits im Februar 1948 die Entnazifizierung als erfolgreich<br />

15 Der gesamte Text der Gedenktafel <br />

16 vgl. die Artikel zum Gedenkstättengesetz in diesem <strong>Dossier</strong><br />

17 <br />

D-A-S-H <strong>Dossier</strong> <strong>#11</strong> – Erinnerungskultur und Gedächtnispolitik 8

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