Graf István Széchenyi auf dem Weg in die Politik. Der ... - EPA
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102 ELEMÉR SZENTKIRÁLYI<br />
Gedicht hielt man lange für <strong>die</strong> erste schriftstellerische Leistung <strong>István</strong>s, doch<br />
später hat es sich herausgestellt, daß es von János Lunkányi, se<strong>in</strong>em Erzieher, verfaßt<br />
wurde. Die Idee stammte jedoch von <strong>István</strong>, und auch der Inhalt des Gedichts<br />
strahlte se<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dliche Liebe aus. Diese Liebe wird auch <strong>in</strong> <strong>dem</strong> Album sichtbar,<br />
das <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der der Familie Széchényi und deren Ehepartner zum Geburtstag der<br />
Mutter zusammengestellt haben. 29<br />
Im Frühjahr 1817, als sich se<strong>in</strong> Sohn <strong>István</strong> <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>e längere Auslandsreise begab,<br />
richtete Ferenc Széchényi e<strong>in</strong>en ergreifenden, langen und lehrreichen Brief<br />
an ihn, den <strong>István</strong> lange als Talisman an se<strong>in</strong>er Brust trug. Später schrieb er e<strong>in</strong>en<br />
ähnlichen Brief an se<strong>in</strong>en Sohn Béla.<br />
Ferenc Széchényi gründete aus e<strong>in</strong>em Teil se<strong>in</strong>er Besitzungen 1815 drei Fideikommisse<br />
für se<strong>in</strong>e Söhne Lajos, Pál und <strong>István</strong>. Den übrigen, größeren Teil übereignete<br />
er noch zu Lebzeiten se<strong>in</strong>en Söhnen. So wurde <strong>István</strong> bereits im Alter von<br />
24 Jahren der Eigentümer e<strong>in</strong>es bedeutenden Vermögens.<br />
<strong>Der</strong> Familienkreis ist für <strong>die</strong> heranwachsenden K<strong>in</strong>der für ihr ganzes Leben<br />
von entscheidender Bedeutung. <strong>Der</strong> Vater bestimmt <strong>die</strong> Ausrichtung des Kreises,<br />
<strong>die</strong> Art und Weise der Erziehung zum Zwecke der Entfaltung der <strong>in</strong>dividuellen<br />
Kultur. Die tiefste <strong>in</strong>nere Grundbildung wird aber von der Mutter vermittelt. Unter<br />
den Faktoren, <strong>die</strong> <strong>die</strong> geistige Wesensart <strong>István</strong> <strong>Széchenyi</strong>s bestimmten, kann <strong>die</strong><br />
Gestalt von Júlia Festetics nicht unberücksichtigt bleiben. Das ist deshalb schwerer<br />
als im Falle Ferenc <strong>Széchenyi</strong>s, weil <strong>die</strong> Gestalt der Mutter <strong>István</strong>s historisch<br />
ziemlich im dunkeln liegt.<br />
Julia war <strong>die</strong> Tochter des <strong>Graf</strong>en Pál Festetics, des Vizepräsidenten der Wiener<br />
Hofkammer und Herrn riesiger Latifun<strong>die</strong>n, sowie der Gräf<strong>in</strong> Júlia Bossányi, der<br />
ersten Hofdame und vertrauten Freund<strong>in</strong> der König<strong>in</strong> Maria Theresia. Júlia Festetics<br />
verbrachte ihre K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> Wien. Nach e<strong>in</strong>er Quelle erhielt sie e<strong>in</strong>e ungarische,<br />
30 nach e<strong>in</strong>er anderen e<strong>in</strong>e deutsche 31 und nach e<strong>in</strong>er dritten e<strong>in</strong>e<br />
deutsch-französische 32 Erziehung. Sie schrieb ihre Briefe bis an ihr Lebensende <strong>in</strong><br />
deutscher Sprache, sprach aber gut und gerne ungarisch. Dar<strong>in</strong> konnte sie sich<br />
üben, als sie sich anstelle ihres beim Militär <strong>die</strong>nenden älteren Bruders György<br />
zusammen mit ihrer ebenfalls älteren Schwester der geschäftlichen Angelegenheiten<br />
ihrer ausgedehnten Besitzungen annahm. Ihre starke ungarische Ges<strong>in</strong>nung<br />
kann ihrer aus e<strong>in</strong>er der Kuruzzentradition verpflichteten Familie stammenden<br />
Mutter und ihrem Erzieher, <strong>dem</strong> Piaristenpater Jeromos Nagy, zugeschrieben werden.<br />
Julia erzog ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ungarischem Geist. Bezeichnend dafür ist, was sie<br />
1818 <strong>dem</strong> Somogyer Advokaten János Madarász über ihren Sohn <strong>István</strong> sagte:<br />
»Ja, er ist jetzt Soldat, aber das ist nicht se<strong>in</strong>e Karriere, ich habe ihn erzogen, er ist<br />
me<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gszögl<strong>in</strong>g, ich kenne se<strong>in</strong>e Seele, se<strong>in</strong>e Ges<strong>in</strong>nung, er ist mit Leib<br />
30<br />
29 Das mit der Handschrift von Ferenc Toldy kopierte Gedicht und das Album werden <strong>in</strong> der Handschriftenabteilung<br />
der Ungarischen Aka<strong>dem</strong>ie der Wissenschaften unter den Signaturen K.254/1<br />
bzw. K.792 <strong>auf</strong>bewahrt. Die Erklärung des Gedichtes Fontes (Anm. 1), Bd. 10, S. CUV.<br />
PADÄNYI (Anm. 1), S. 32.<br />
31 FRAKNÓI (Anm. 1), S. 90.<br />
32 Viktor GRÓF SZÉCHÉNYI (Anm. 12), S. 3.