Graf István Széchenyi auf dem Weg in die Politik. Der ... - EPA
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130 ELEMÉR SZENTKIRÁLYI<br />
Ilona Cserey. »Hat dich nicht etwa der Mangel an Menschen für mich wertvoll<br />
gemacht?«, 87 fragte er ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief. <strong>Der</strong> um fünf Jahre jüngere Freund besaß<br />
Erfahrungen und Anschauungen, <strong>die</strong> bei <strong>István</strong> <strong>Széchenyi</strong> zu <strong>die</strong>ser Zeit noch<br />
völlig fehlten. Wesselényi hatte bereits am politischen Leben der Komitate teilgenommen.<br />
Er besuchte e<strong>in</strong>e Generalversammlung nach der anderen. Er hielt Reden.<br />
Er kannte <strong>die</strong> Anschauungen, <strong>die</strong> Sorgen der im Lande lebenden Ungarn, vor allem<br />
der Opposition, auch <strong>die</strong> Lasten und <strong>die</strong> Nachteile der habsburgischen Herrschaft.<br />
Er machte <strong>Széchenyi</strong> dar<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>merksam, daß es auch ungarisch ges<strong>in</strong>nte<br />
Aristokraten gab. Er konnte von ihm auch <strong>in</strong> wirtschaftlichen Fragen lernen, auch<br />
vom Pferdezüchter, dessen Gestüt landesweit bekannt war.<br />
Baron Zsigmond Kemény schilderte aus <strong>dem</strong> Gedächtnis, wie <strong>die</strong> beiden<br />
Freunde e<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>schätzten:<br />
<strong>Széchenyi</strong>: »Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mann mit großen Augenbrauen, braungoldfarben, düsteren<br />
Aussehens. Me<strong>in</strong>e Witze treffen, und manchmal können sich durch me<strong>in</strong>e<br />
satyrischen E<strong>in</strong>falle, <strong>die</strong> ich me<strong>in</strong>en Ideen beimische, auch jene verletzt fühlen,<br />
<strong>die</strong> zu verletzen nicht im entferntesten me<strong>in</strong>e Absicht war. Ich kann bei Tisch <strong>die</strong><br />
Details e<strong>in</strong>es verwickelten Planes ausklügeln, aber wenn es improvisiert werden<br />
sollte, kann ich mir nicht immer zu helfen wissen. Bereits daraus wird klar, daß<br />
ich mich als Führer nicht eigne. Viele würden sich von mir entfremden, und vielleicht<br />
gäbe es auch solche, <strong>die</strong> me<strong>in</strong>etwegen sich von der Sache selbst zurückziehen<br />
würden. Aber auch wenn ich als Kopf e<strong>in</strong>er Partei geeignet wäre, ist für <strong>die</strong><br />
Ungarn als e<strong>in</strong> Volk östlicher Herkunft, das am meisten an den Äußerlichkeiten<br />
hängt, heutzutage als Anführer und Hauptredner nur geeignet, der e<strong>in</strong>e breite und<br />
gedrungene Gestalt besitzt, stark ist wie e<strong>in</strong> Stier, dessen donnernde Stimme <strong>die</strong><br />
Fenster erzittern läßt, der genug schwülstig sprechen kann und der e<strong>in</strong>e Autorität<br />
hat, daß derjenige, der aus der fernen Prov<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>trifft und ihm <strong>in</strong> <strong>die</strong> Augen<br />
schaut, auch unwillkürlich rufen muß: das nenne ich e<strong>in</strong>en Magyaren, er ist mächtig,<br />
würdevoll und königlichen Blickes. Ich besitze nicht <strong>die</strong>se Eigenschaften. Ich<br />
grübelte lange: Wer könnte unter unseren Verhältnissen dazu geeignet se<strong>in</strong>, uns<br />
anzuführen? Ich traf schließlich Wesselényi.«<br />
Wesselényi: »<strong>Széchenyi</strong> verbrachte se<strong>in</strong>e Jugend <strong>in</strong> Salons, <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Schlachtfeld<br />
und <strong>auf</strong> Reisen. Er hatte außergewöhnlich angenehme Umgangsformen, aber<br />
e<strong>in</strong> lückenhaftes Wissen.« - »Daß er Welterfahrung hatte, verstand sich von<br />
selbst. Außer rhapsodischen Kenntnissen <strong>in</strong> Landwirtschaft und Nationalökonomie<br />
war er nur <strong>in</strong> der schönen Literatur bewandert Se<strong>in</strong> ästhetisches Urteil zeugte<br />
von Klarheit und Bildung. Ich fand nie jemanden, der mir - wenn man dar<strong>auf</strong> zu<br />
sprechen kam - mehr Vergnügen und mehr Wissen hätte vermitteln können. Über<br />
<strong>die</strong> <strong>Politik</strong> dachte aber <strong>Széchenyi</strong> nur wenig nach. E<strong>in</strong>en Glauben an <strong>die</strong> Zukunft<br />
der ungarischen Nation hatte er nicht, und er sprach nur gebrochen ungarisch, als<br />
ich ihn kennengelernt hatte. Alle<strong>in</strong> ich weiß es, wieviel Mühe es mir gekostet hat,<br />
ihn davon zu überzeugen, se<strong>in</strong>e düsteren Ansichten über das Schicksal des Landes<br />
<strong>auf</strong>zugeben.« - »Während ich übrigens von ihm Kennmisse über <strong>die</strong> Landwirtschaft,<br />
das Gewerbe und vor allem über <strong>die</strong> Pferdehaltung und Pferdezucht er-<br />
Gróf <strong>Széchenyi</strong> <strong>István</strong> munkái (Anm. 27), Bd. 3, S. 72.