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"Wie sieht es aber mit dem Erwerb der Erkenntnis (φρόνησις) aus? Ist der Körper hinderlich oder nicht,<br />
wenn man ihn bei der Suche [65b] als Gefährten zu Hilfe nimmt? Ich meine es so: Bietet der Sehsinn oder<br />
das Gehör für die Menschen etwas Wahrhaftiges, oder ist es eher so, wie die Dichter es uns immer sagen:<br />
dass wir nichts Genaues hören und sehen? Wenn jedoch diese körperlichen Sinne weder genau noch<br />
deutlich sind, dann sind es die anderen ja erst recht nicht, denn alle sind diesen ja unterlegen. Oder<br />
scheinen sie dir das nicht zu sein?"<br />
"Doch, auf jeden Fall", sagte Simmias.<br />
"Wann nun", sagte Sokrates, "berührt die Seele die Wahrheit? Wenn sie mit Hilfe des Körpers etwas zu<br />
betrachten versucht, ist es klar, dass sie dann von ihm getrogen wird."<br />
[65c] "Das ist wahr."<br />
"Also im Denken (τῷ λογίζεσθαι), wenn überhaupt, wird ihr etwas von der Wirklichkeit deutlich?"<br />
"Ja."<br />
"Sie denkt (λογίζεται) aber doch wohl dann am besten, wenn nichts von diesen Dingen sie nebenher trübt,<br />
weder das Gehör, noch das Sehen, noch ein Schmerz, noch eine angenehme Empfindung, sondern wenn<br />
sie so weit wie möglich den Körper ignoriert und für sich selbst ist und, soweit sie es vermag, ohne mit ihm<br />
zu tun zu haben und ihm verhaftet zu sein, sich der Wirklichkeit zuwendet."<br />
"So ist es."<br />
"Nicht wahr, und dabei [65d] verachtet die Seele des Philosophen den Körper in höchstem Maße, flieht<br />
von ihm und strebt danach, für sich allein zu sein?"<br />
"So scheint es."<br />
"Was ist also hiermit, Simmias: Sagen wir, dass das absolut Gerechte etwas ist oder nichts?"<br />
"Doch, beim Zeus, sicher sagen wir das."<br />
"Und das absolut Schöne und Gute?"<br />
"Natürlich."<br />
"Nun, hast du schon irgendwann eines von den derartigen Dingen mit deinen Augen gesehen?"