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PLATON, PHAIDON

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(gilt, nämlich dass es) besser ist, tot zu sein, als zu leben. Und es erscheint dir vielleicht seltsam, dass es für<br />

diese Menschen, für die es besser wäre, tot zu sein, ein Frevel ist, sich selbst eine Wohltat zu erweisen, und<br />

dass sie stattdessen auf einen fremden Wohltäter warten müssen."<br />

Und Kebes sagte in seinem Dialekt und lächelte leicht dazu: "Das mag Zeus wissen."<br />

[62b] "Es mag ja so auch unsinnig erscheinen", sagte Sokrates. "Vielleicht allerdings hat es trotzdem einen<br />

Sinn. Der Grund, der dazu in den Geheimlehren genannt wird, nämlich dass wir Menschen unter einer Art<br />

Bewachung stehen und uns nicht daraus freimachen und weglaufen dürfen, scheint mir recht gewichtig zu<br />

sein und nicht leicht zu durchschauen. Aber, Kebes, dies scheint man mir doch jedenfalls mit Recht zu<br />

sagen, dass die Götter unsere Hüter sind und wir Menschen ein Eigentum der Götter. Oder scheint es dir<br />

nicht so zu sein?"<br />

"Doch, sicherlich", sagte Kebes.<br />

[62c] "Nicht wahr", sagte Sokrates, "wenn etwas, was dir gehört, sich selbst töten würde, ohne dass du<br />

angedeutet hättest, dass du willst, dass es stirbt – dann würdest du ihm das doch wohl übelnehmen und,<br />

wenn du die Möglichkeit dazu hättest, es bestrafen?"<br />

"Bestimmt", sagte Kebes.<br />

"So betrachtet, scheint es also vielleicht doch nicht unsinnig, dass man sich nicht selbst umbringen darf,<br />

bevor die Gottheit die Notwendigkeit dazu verhängt, so wie die, in der ich mich jetzt befinde."<br />

"Ja, das erscheint wirklich einleuchtend", sagte Kebes. "Was du allerdings vorher sagtest, nämlich dass<br />

Philosophen gern [62d] den Tod wählen – das, Sokrates, erscheint unsinnig, wenn das, was wir gerade<br />

sagten, tatsächlich sinnvoll ist: dass die Gottheit sich um uns kümmert und wir ihr Eigentum sind. Denn es<br />

ergibt keinen Sinn, dass die vernünftigsten Menschen ohne jeden Widerwillen aus diesem Dienst scheiden<br />

sollten, in dem ihre Vorgesetzten die besten aller Vorgesetzten sind, die es gibt, nämlich die Götter. Es<br />

bildet sich ja wohl keiner ein, dass er selbst besser für sich sorgen könnte, wenn er frei wird. Ein dummer<br />

Mensch mag sich das wohl einbilden, dass man [62e] seinem Herrn (unter allen Umständen) entfliehen<br />

muss, und er denkt vielleicht nicht darüber nach, dass man von dem Guten nicht fliehen, sondern alles<br />

daransetzen sollte, zu bleiben; und so würde er unvernünftigerweise fliehen. Wer dagegen Verstand (νοῦς)<br />

hat, wird doch wohl bei demjenigen bleiben wollen, der besser ist als er selbst. Und so, Sokrates, wäre das<br />

Gegenteil von dem wahrscheinlich, was eben gesagt wurde: Es würde dann zu den Vernünftigen passen,<br />

widerwillig zu sterben, und zu den Unvernünftigen, es gern zu tun."

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