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der festen Überzeugung sein, dass er nirgendwo anders in reiner Weise Erkenntnis (φρονήσει) finden wird<br />
als dort. Wenn das aber so ist, wie ich nun gesagt habe, wäre es dann nicht sehr unvernünftig, wenn ein<br />
solcher Mann den Tod fürchtete?"<br />
"Wirklich sehr unvernünftig, beim Zeus", sagte Simmias.<br />
"Nicht wahr, es wäre für dich ein hinreichender Beweis an einem Mann, von dem du siehst, wie er sich<br />
grämt, wenn er im Begriff ist zu sterben, dass er also kein [68c] Philosoph, ein 'Weisheitsliebender' ist,<br />
sondern gewissermaßen ein Philosomat, ein 'Körperliebender'? Und dieser selbe Mann ist wohl auch ein<br />
Geldliebender und Ehrliebender, entweder eins von beiden oder beides."<br />
"Es ist ganz so, wie du sagst", erwiderte Simmias.<br />
"Nun, Simmias, ist nicht der sogenannte Mut typisch für Menschen mit einer solchen Einstellung (=<br />
Philosophen)?"<br />
"Auf jeden Fall", antwortete Simmias.<br />
"Und Selbstdisziplin, das, was auch die Leute Selbstdisziplin nennen, nämlich sich nicht von Leidenschaften<br />
erschüttern zu lassen, sondern gelassen zu bleiben und den Anstand zu wahren – ist das nicht allein für<br />
diejenigen typisch, die den Körper am geringsten achten und in der Philosophie leben?"<br />
[68d] "Zwangsläufig", sagte Simmias.<br />
"Wenn du dir nämlich die Mühe machst", sagte Sokrates, "den Mut und die Selbstbeherrschung der<br />
anderen Menschen genau anzuschauen (ἐννοῆσαι), werden sie dir absurd erscheinen."<br />
"Wie denn das?", fragte Simmias.<br />
"Du weißt doch", sagte Sokrates, "dass alle anderen Menschen den Tod zu den größten Übeln zählen?"<br />
"Aber ja doch", antwortete Simmias.<br />
"Und nicht wahr – die Mutigen unter ihnen nehmen den Tod aus Angst vor noch größeren Übeln in Kauf,<br />
wenn sie ihn in Kauf nehmen?"<br />
"So ist es."