editorial – jahresbericht 2012 - 2013 - Schweizerische Gesellschaft ...
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› DAS ÄRZTLICHE GUTACHTEN<br />
DEFINITION<br />
Ärztliche Gutachten dienen dazu, nicht eindeutige medizinische<br />
Sachverhalte so weit aufzuklären, dass eine Beantwortung<br />
der mit ihnen verknüpften Rechtsfragen möglich wird.<br />
Um den Beweisregeln der Rechtsordnung zu genügen, muss<br />
der medizinische Sachverständige sich in seinem Gutachten<br />
auf gesicherte medizinische Erkenntnisse beschränken.<br />
Nur der objektiv belegbare <strong>–</strong> und damit auch in der Befunderhebung<br />
reproduzierbare Befund (Reliabilität) eröffnet die<br />
Möglichkeit seiner Bewertung hinsichtlich der rechtlichen<br />
Konsequenzen, im Schadensfall also u. a. der Begründung<br />
einer einmaligen Entschädigung bzw. dauerhaften Rentenleistung<br />
(ggf. Versicherungsleistung).<br />
Ein Gutachten kann ausschliesslich die medizinischen<br />
Grundlagen liefern, die für die Beantwortung von Rechtsfragen<br />
erforderlich sind.<br />
Dazu zählen insbesondere:<br />
- Klärung des medizinischen Sachverhalts bei Zweifel und<br />
Unklarheiten<br />
- Klärung des Restleistungsvermögens aufgrund gesundheitlicher<br />
Beeinträchtigungen (zur Bestimmung von Eintritt,<br />
Ausmass, Dauer und gegebenenfalls Ende einer<br />
Arbeitsunfähigkeit) in Bezug auf eine konkrete Tätigkeit<br />
gemäss seitens Auftraggeber vorzulegendem Tätigkeitsprofil:<br />
welche Tätigkeiten sind im geforderten Ausmass<br />
nicht mehr möglich? Zeitliche Einschränkungen?<br />
Erstellung eines Zumutbarkeitsprofiles bezogen auf<br />
den allgemeinen Arbeitsmarkt: welche Tätigkeiten allgemeiner<br />
Art sind noch/nicht mehr zumutbar? Zeitliche<br />
Einschränkungen?<br />
Es ist Sache der Rechtsanwendung, aus den medizinischen<br />
Einschränkungen den daraus resultierenden Minder-Erwerb<br />
in der konkreten Situation zu errechnen.<br />
- Diskussion/Klärung aller divergierenden ärztlichen Aussagen<br />
im Dossier<br />
Es darf davon ausgegangen werden, dass nach Vorliegen<br />
eines medizinischen Gutachtens der erfragte medizinische<br />
Sachverhalt als geklärt zu betrachten ist.<br />
Insbesondere sollten anhand des Gutachtens folgende<br />
Aspekte eindeutig bestimmbar sein:<br />
- Gesundheitszustand und -schaden (bei Unfall/Haftpflicht<br />
bzw. fraglichem Versicherungsschutz unter allfälliger<br />
Abgrenzung des Vorzustandes); eventuell gemäss<br />
Fragestellung (bei entsprechender Echtzeitdokumentation)<br />
zu verschiedenen Zeitpunkten bis maximal zur<br />
Begutachtung<br />
- Diagnose(n) mit und ohne Einfluss auf Arbeitsfähigkeit<br />
- Bei Unfällen: Kausalität und Auswirkungen auf die Integrität<br />
und Arbeitsfähigkeit<br />
- Ressourcen (Restleistungsfähigkeit) bezogen auf<br />
die angestammte Tätigkeit sowie den allgemeinen<br />
Arbeitsmarkt<br />
- Gesundheitsbedingte Leistungseinschränkungen (funktional,<br />
qualitativ und zeitlich bzw. quantitativ)<br />
- Bisherige und zukünftig sinnvolle medizinisch-therapeutische<br />
Behandlung im Sinne der nachhaltigen Verbesserbarkeit<br />
des Gesundheitszustandes und/oder Bewahrung<br />
vor Verschlechterung: Intensität/Dauer der Massnahmen<br />
- Dauerhaftigkeit des Gesundheitsschadens<br />
- Voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes<br />
unter Ausschöpfung sinnvoller Therapiemöglichkeiten<br />
(Prognose)<br />
- Privatunfallversicherung nach VVG: medizinisch-theoretische<br />
Invalidität<br />
Vom medizinischen Gutachter wird folgender Beitrag<br />
erwartet:<br />
- Das medizinische Gutachten als Endprodukt soll in sich<br />
konsistent und plausibel sein, die gestellten Fragen<br />
beantworten, Wertungen des Gutachters nachvollziehbar<br />
begründen und präzis sowie differenziert formuliert, aber<br />
auch für einen medizinischen Laien verständlich sein.<br />
Das Bundesgericht stellt auf die folgenden Kriterien ab:<br />
- umfassender Bericht zu den zu beurteilenden Aspekten<br />
- auf allseitiger Untersuchung beruhend<br />
- geklagte Beschwerden wurden berücksichtigt<br />
- wurde erstattet in Kenntnis aller die strittigen Fragen<br />
betreffenden Vorakten bzw. der Anamnese<br />
- die berichteten medizinischen Zusammenhänge und die<br />
Beurteilung daraus sollen einleuchtend sein<br />
- Die Schlussfolgerungen werden plausibel begründet<br />
- Unsicherheiten in der Beurteilung oder verbleibende<br />
Unklarheiten bzw. Diskrepanzen, die eine Beantwortung<br />
der Fragen erschweren oder verunmöglichen, werden<br />
exakt deklariert und begründet<br />
19 SGOT | BULLETIN | AKTUELL NR 6 | MAI <strong>2013</strong>