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Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

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<strong>Der</strong> Hausverwalter hatte den großen Saal schwarz ausschlagen und den alten Freiherrn in den Kleidern, wie m<strong>an</strong> ihn<br />

gefunden, auf ein prächtiges Paradebette, das hohe silberne Leuchter mit brennenden Kerzen umgaben, legen<br />

lassen. Schweigend schritt Wolfg<strong>an</strong>g die Treppe herauf, in den Saal hinein und dicht hin<strong>an</strong> <strong>an</strong> die Leiche des Vaters.<br />

Da blieb er mit über die Brust verschränkten Armen stehen und schaute starr und düster mit zusammengezogenen<br />

Augenbrauen dem Vater ins bleiche Antlitz. Er glich einer Bildsäule, keine Träne kam in seine Augen. Endlich, mit<br />

einer beinahe krampfhaften Bewegung, den rechten Arm hin nach der Leiche zuckend, murmelte er dumpf:<br />

»Zw<strong>an</strong>gen dich die Gestirne, den Sohn, den du liebtest, elend zu machen?« – Die Hände zurückgeworfen, einen<br />

kleinen Schritt hinter sich getreten, warf nun der Baron den Blick in die Höhe und sprach mit gesenkter, beinahe<br />

weicher Stimme: »Armer, betörter Greis! Das Fastnachtsspiel mit seinen läppischen Täuschungen ist nun vorüber!<br />

Nun magst du erkennen, daß das kärglich zugemessene Besitztum hienieden nichts gemein hat mit dem jenseits über<br />

den Sternen – Welcher Wille, welche Kraft reicht hinaus über das Grab?«<br />

Wieder schwieg der Baron einige Sekunden – d<strong>an</strong>n rief er heftig: »Nein, nicht ein Quentlein meines Erdenglücks, das<br />

du zu vernichten trachtetest, soll mir dein Starrsinn rauben«, und damit riß er ein zusammengelegtes Papier aus der<br />

Tasche und hielt es zwischen zwei Fingern hoch empor <strong>an</strong> eine dicht bei der Leiche stehende brennende Kerze. Das<br />

Papier, von der Kerze ergriffen, flackerte hoch auf, und als der Widerschein der Flamme auf dem Gesicht des<br />

Leichnams hin und her zuckte und spielte, war es, als rührten sich die Muskeln und der Alte spräche tonlose Worte,<br />

so daß der entfernt stehenden Dienerschaft tiefes Grauen und Entsetzen <strong>an</strong>kam.<br />

<strong>Der</strong> Baron vollendete sein Geschäft mit Ruhe, indem er das letzte Stückchen Papier, das er flammend zu Boden<br />

fallen lassen, mit dem Fuße sorglich austrat. D<strong>an</strong>n warf er noch einen düstern Blick auf den Vater und eilte mit<br />

schnellen Schritten zum Saal hinaus.<br />

Andern Tages machte D<strong>an</strong>iel den Freiherrn mit der neuerlich geschehenen Verwüstung des Turms bek<strong>an</strong>nt und<br />

schilderte mit vielen Worten, wie sich überhaupt alles in der Todesnacht des alten seligen Herrn zugetragen, indem er<br />

damit endete, daß es wohl geraten sein würde, sogleich den Turm herstellen zu lassen, da, stürze noch mehr<br />

zusammen, das g<strong>an</strong>ze Schloß in Gefahr stehe, wo nicht zertrümmert, doch hart beschädigt zu werden.<br />

»Den Turm herstellen?« fuhr der Freiherr den alten Diener, funkelnden Zorn in den Augen, <strong>an</strong>, »den Turm herstellen?<br />

Nimmermehr! – Merkst du denn nicht«, fuhr er d<strong>an</strong>n gelassener fort, »merkst du denn nicht, Alter, daß der Turm nicht<br />

so, ohne weitern Anlaß, einstürzen konnte? Wie, wenn mein Vater selbst die Vernichtung des Orts, wo er seine<br />

unheimliche Sterndeuterei trieb, gewünscht, wie, wenn er selbst gewisse Vorrichtungen getroffen hätte, die es ihm<br />

möglich machten, die Krone des Turms, wenn er wollte, einstürzen und so das Innere des Turms zerschmettern zu<br />

lassen? Doch dem sei, wie ihm wolle, und mag auch das Schloß zusammenstürzen, mir ist es recht. Glaubt ihr denn,<br />

daß ich in dem abenteuerlichen Eulenneste hier hausen werde? – Nein! jener kluge Ahnherr, der in dem schönen<br />

Talgrunde die Fundamente zu einem neuen Schloß legen ließ, der hat mir vorgearbeitet, dem will ich folgen.«<br />

»Und so werden«, sprach D<strong>an</strong>iel kleinlaut, »d<strong>an</strong>n auch wohl die alten treuen Diener den W<strong>an</strong>derstab zur H<strong>an</strong>d<br />

nehmen müssen.« »Daß ich«, erwiderte der Freiherr, »mich nicht von unbehülflichen schlotterbeinichten Greisen<br />

bedienen lassen werde, versteht sich von selbst, aber verstoßen werde ich keinen. Arbeitslos soll euch das<br />

Gnadenbrot gut genug schmecken.«<br />

»Mich«, rief der Alte voller Schmerz, »mich, den Hausverwalter, so außer Aktivität -« Da w<strong>an</strong>dte der Freiherr, der,<br />

dem Alten den Rücken gekehrt, im Begriff st<strong>an</strong>d, den Saal zu verlassen, sich plötzlich um, blutrot im g<strong>an</strong>zen Gesichte<br />

vor Zorn, die geballte Faust vorgestreckt, schritt er auf den Alten zu und schrie mit fürchterlicher Stimme:

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