02.11.2013 Aufrufe

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

lieber Freund! – Leben Sie recht wohl, denken Sie dar<strong>an</strong>, daß vielleicht niem<strong>an</strong>d besser als ich <strong>Ihr</strong>e Musik verst<strong>an</strong>d. –<br />

Ach! diese Töne werden l<strong>an</strong>ge – l<strong>an</strong>ge in meinem Innern wiederklingen.«<br />

Ich zw<strong>an</strong>g mir einige unzusammenhängende alberne Worte ab und lief nach unserm Gemach. <strong>Der</strong> Alte hatte sich<br />

schon zur Ruhe begeben. Ich blieb im Saal, ich stürzte auf die Knie, ich weinte laut – ich rief den Namen der<br />

Geliebten, kurz, ich überließ mich den Torheiten des verliebten Wahnsinns trotz einem, und nur der laute Zuruf des<br />

über mein Toben aufgewachten Alten: »Vetter, ich glaube du bist verrückt geworden oder balgst dich aufs neue mit<br />

einem Wolf? – Schier dich zu Bette, wenn es dir sonst gefällig ist«- nur dieser Zuruf trieb mich hinein ins Gemach, wo<br />

ich mich mit dem festen Vorsatz niederlegte, nur von Seraphinen zu träumen.<br />

Es mochte schon nach Mitternacht sein, als ich, noch nicht eingeschlafen, entfernte Stimmen, ein Hin- und Herlaufen<br />

und das Öffnen und Zuschlagen von Türen zu vernehmen glaubte. Ich horchte auf, da hörte ich Tritte auf dem<br />

Korridor sich nahen, die Tür des Saals wurde geöffnet, und bald klopfte es <strong>an</strong> unser Gemach.<br />

»Wer ist da?« rief ich laut; da sprach es draußen: »Herr Justitiarius<br />

- Herr Justitiarius, wachen Sie auf – wachen Sie auf!« Ich erk<strong>an</strong>nte<br />

Fr<strong>an</strong>zens Stimme, und indem ich frug: »Brennt es im Schlosse?« wurde<br />

der Alte wach und rief: »Wo brennt es? wo ist schon wieder verdammter<br />

Teufelsspuk los?« »Ach, stehen Sie auf, Herr Justitiarius«, sprach<br />

Fr<strong>an</strong>z, »stehen Sie auf, der Herr Baron verl<strong>an</strong>gt nach Ihnen!« »Was will<br />

der Baron von mir«, frug der Alte weiter, »was will er von mir zur<br />

Nachtzeit? weiß er nicht, daß das Justitiariat mit dem Justitiarius zu<br />

Bette geht und ebensogut schläft, als er?«<br />

»Ach«, rief nun Fr<strong>an</strong>z ängstlich, »lieber Herr Justitiarius, stehen Sie doch nur auf – die gnädige Frau Baronin liegt im<br />

Sterben!« Mit einem Schrei des Entsetzens fuhr ich auf. »Öffne Fr<strong>an</strong>zen die Tür«, rief mir der Alte zu; besinnungslos<br />

w<strong>an</strong>kte ich im Zimmer herum, ohne Tür und Schloß zu finden. <strong>Der</strong> Alte mußte mir beistehen, Fr<strong>an</strong>z trat bleich mit<br />

verstörtem Gesicht herein und zündete die Lichter <strong>an</strong>.<br />

Als wir uns kaum in die Kleider geworfen, hörten wir schon den Baron im Saal rufen: »K<strong>an</strong>n ich Sie sprechen, lieber<br />

V?« »Warum hast du dich <strong>an</strong>gezogen, Vetter, der Baron hat nur nach mir verl<strong>an</strong>gt?« frug der Alte, im Begriff<br />

herauszutreten. »Ich muß hinab – ich muß sie sehen und d<strong>an</strong>n sterben«, sprach ich dumpf und wie vernichtet vom<br />

trostlosen Schmerz.<br />

»Ja so! da hast du recht, Vetter!« Dies sprechend, warf mir der Alte die Tür vor der Nase zu, daß die Angeln klirrten,<br />

und verschloß sie von draußen. Im ersten Augenblick, über diesen Zw<strong>an</strong>g empört, wollt’ ich die Tür einrennen, aber<br />

mich schnell besinnend, daß dieses nur die verderblichen Folgen einer ungezügelten Raserei haben könne, beschloß<br />

ich, die Rückkehr des Alten abzuwarten, d<strong>an</strong>n aber, koste es, was es wolle, seiner Aufsicht zu entschlüpfen.<br />

Ich hörte den Alten heftig mit dem Baron reden, ich hörte mehrmals meinen Namen nennen, ohne weiteres verstehen<br />

zu können. Mit jeder Sekunde wurde mir meine Lage tödlicher. Endlich vernahm ich, wie dem Baron eine Botschaft<br />

gebracht wurde, und wie er schnell davonr<strong>an</strong>nte. <strong>Der</strong> Alte trat wieder in das Zimmer »Sie ist tot« mit diesem Schrei<br />

stürzte ich dem Alten entgegen »Und du bist närrisch!« fiel er gelassen ein, faßte mich und drückte mich in einen<br />

Stuhl. »lch muß hinab«, schrie ich, »Ich muß hinab, sie sehen, und sollt’ es mir das Leben kosten!«<br />

»Tue das, lieber Vetter«, sprach der Alte, indem er die Tür verschloß, den Schlüssel abzog und in die Tasche steckte.<br />

Nun flammte ich auf in toller Wut, ich griff nach der geladenen Büchse und schrie: »Hier vor <strong>Ihr</strong>en Augen jage ich mir<br />

die Kugel durch den Kopf, wenn Sie nicht sogleich mir die Tür öffnen.« Da trat der Alte dicht vor mir hin und sprach,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!