Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann
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Geklapper mühsam aus der Tasche gezerrt, <strong>an</strong> dem glänzenden Schlosse zu versuchen, st<strong>an</strong>d D<strong>an</strong>iel da, hoch<br />
aufgerichtet und wie mit hämischem Stolz herabblickend auf den Freiherrn, der sich niedergebückt hatte, um das<br />
Schloß besser in Augenschein zu nehmen.<br />
Den Tod im Antlitz, mit bebender Stimme, sprach er d<strong>an</strong>n: »Bin ich ein Hund, hochgnädiger Freiherr! – so bewahr’ ich<br />
auch in mir des Hundes Treue.« Damit reichte er dem Baron einen bl<strong>an</strong>ken stählernen Schlüssel hin, den ihm dieser<br />
mit hastiger Begier aus der H<strong>an</strong>d riß und die Tür mit leichter Mühe öffnete. M<strong>an</strong> trat in ein kleines, niedriges Gewölbe,<br />
in welchem eine große eiserne Truhe mit geöffnetem Deckel st<strong>an</strong>d. Auf den vielen Geldsäcken lag ein Zettel. <strong>Der</strong> alte<br />
Freiherr hatte mit seinen wohlbek<strong>an</strong>nten großen altväterischen Schriftzügen darauf geschrieben:<br />
Einmal hundert und fünfzigtausend Reichstaler in alten Friedrichsdor erspartes Geld von den Einkünften des<br />
Majoratsgutes R..sitten, und ist diese Summe bestimmt zum Bau des Schlosses. Es soll ferner der Majoratsherr, der<br />
mir folgt, im Besitztum von diesem Gelde auf dem höchsten Hügel, östlich gelegen dem alten Schloßturm, den er<br />
eingestürzt finden wird, einen hohen Leuchtturm zum Besten der Seefahrer aufführen und allnächtlich feuern lassen.<br />
R..sitten in der Michaelisnacht des Jahres 1760.<br />
Roderich Freiherr von R.<br />
Erst als der Freiherr die Beutel, einen nach dem <strong>an</strong>dern, gehoben und wieder in den Kasten fallen lassen, sich<br />
ergötzend <strong>an</strong> dem klirrenden Klingen des Goldes, w<strong>an</strong>dte er sich rasch zu dem alten Hausverwalter, d<strong>an</strong>kte ihm für<br />
die bewiesene Treue und versicherte, daß nur verleumderische Klätschereien schuld dar<strong>an</strong> wären, daß er ihm<br />
<strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs übel begegnet. Nicht allein im Schlosse, sondern in vollem Dienst als Hausverwalter, mit verdoppeltem<br />
Gehalt, solle er bleiben.<br />
»Ich bin dir volle Entschädigung schuldig, willst du Gold, so nimm dir einen von jenen Beuteln!«- So schloß der<br />
Freiherr seine Rede, indem er mit niedergeschlagenen Augen, vor dem Alten stehend, mit der H<strong>an</strong>d nach dem Kasten<br />
hinzeigte, <strong>an</strong> den er nun aber noch einmal hintrat und die Beutel musterte. Dem Hausverwalter trat plötzlich glühende<br />
Röte ins Gesicht, und er stieß einen entsetzlichen, dem heulenden Gewimmer eines auf den Tod wunden Tiers<br />
ähnlichen Laut aus, wie ihn der Freiherr dem Jutistitiarius beschrieben. Dieser erbebte, denn was der Alte nun<br />
zwischen den Zähnen murmelte, kl<strong>an</strong>g wie: »Blut für Gold!« <strong>Der</strong> Freiherr, vertieft in den Anblick des Schatzes, hatte<br />
von allem nicht das mindeste bemerkt; D<strong>an</strong>iel, den es wie im krampfigen Fieberfrost durch alle Glieder geschüttelt,<br />
nahte sich mit gebeugtem Haupt in demütiger Stellung dem Freiherrn, küßte ihm die H<strong>an</strong>d und sprach mit weinerlicher<br />
Stimme, indem er mit dem Taschentuch sich über die Augen fuhr, als ob er Tränen wegwische:<br />
»Ach, mein lieber gnädiger Herr, was soll ich armer, kinderloser<br />
Greis mit dem Golde? – aber das doppelte Gehalt, das nehme ich <strong>an</strong> mit<br />
Freuden und will mein Amt verwalten rüstig und unverdrossen!«<br />
<strong>Der</strong> Freiherr, der nicht sonderlich auf die Worte des Alten geachtet, ließ nun den schweren Deckel der Truhe zufallen,<br />
daß das g<strong>an</strong>ze Gewölbe krachte und dröhnte, und sprach d<strong>an</strong>n, indem er die Truhe verschloß und die Schlüssel<br />
sorgfältig auszog, schnell hingeworfen: »Schon gut, schon gut Alter! Aber du hast noch«, fuhr er fort, nachdem sie<br />
schon in den Saal getreten waren, »aber du hast noch von vielen Goldstücken gesprochen, die unten im zerstörten<br />
Turm liegen sollen« <strong>Der</strong> Alte trat schweigend <strong>an</strong> die Pforte und schloß sie mit Mühe auf. Aber sowie er die Flügel<br />
aufriß, trieb der Sturm dickes Schneegestöber in den Saal; aufgescheucht flatterte ein Rabe kreischend und<br />
krächzend umher, schlug mit schwarzen Schwingen gegen die Fenster und stürzte sich, als er die offene Pforte<br />
wiedergewonnen, in den Abgrund.