Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann
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Das freie Vermögen in Kurl<strong>an</strong>d ist, wie Sie wissen, bedeutend, auf die mir zufallende Hälfte wollt’ ich verzichten, aber<br />
zugunsten seiner Familie. Hubert ist verheiratet in Kurl<strong>an</strong>d <strong>an</strong> ein schönes armes Fräulein. Sie hat ihm Kinder erzeugt<br />
und darbt mit ihnen. Die Güter sollten administriert, aus den Revenüen ihm die nötigen Gelder zum Unterhalt<br />
<strong>an</strong>gewiesen, die Gläubiger vermöge Abkommens befriedigt werden. Aber was gilt ihm ein ruhiges, sorgenfreies<br />
Leben, was gilt ihm Frau und Kind! Geld, bares Geld in großen Summen will er haben, damit er in verruchtem<br />
Leichtsinn es verprassen könne!<br />
Welcher Dämon hat ihm das Geheimnis mit den einhundert und funfzigtausend Talern verraten, davon verl<strong>an</strong>gt er die<br />
Hälfte nach seiner wahnsinnigen Weise, behauptend, dies Geld sei, getrennt vom Majorat, als freies Vermögen zu<br />
achten. Ich muß und werde ihm dies verweigern, aber mir ahnt es, mein Verderben brütet er aus im Innern!«<br />
So sehr V. sich auch bemühte, dem Freiherrn den Verdacht wider seinen<br />
Bruder auszureden, wobei er sich freilich, uneingeweiht in die näheren<br />
Verhältnisse, mit g<strong>an</strong>z allgemeinen moralischen, ziemlich flachen<br />
Gründen behelfen mußte, so gel<strong>an</strong>g ihm dies doch g<strong>an</strong>z und gar nicht.<br />
<strong>Der</strong> Freiherr gab ihm den Auftrag, mit dem feindseligen geldgierigen<br />
Hubert zu unterh<strong>an</strong>deln.<br />
V. tat dies mit so viel Vorsicht, als ihm nur möglich war, und freute sich nicht wenig, als Hubert endlich erklärte: »Mag<br />
es d<strong>an</strong>n sein, ich nehme die Vorschläge des Majoratsherrn <strong>an</strong>, doch unter der Bedingung, daß er mir jetzt, da ich auf<br />
dem Punkt stehe, durch die Härte meiner Gläubiger Ehre und guten Namen auf immer zu verlieren, tausend<br />
Friedrichsdor bar vorschieße und erlaube, daß ich künftig, wenigstens einige Zeit hindurch, meinen Wohnsitz in dem<br />
schönen R..sitten bei dem gütigen Bruder nehme.« »Nimmermehr!« schrie der Freiherr auf, als ihm V. diese<br />
Vorschläge des Bruders hinterbrachte, »nimmermehr werde ich’s zugeben, daß Hubert auch nur eine Minute in<br />
meinem Hause verweile, sobald ich mein Weib hergebracht! – Gehen Sie, mein teurer Freund, sagen Sie dem<br />
Friedenstörer, daß er zweitausend Friedrichsdor haben soll, nicht als Vorschuß, nein als Geschenk, nur fort – fort!«<br />
V. wußte nun mit einemmal, daß der Freiherr sich ohne Wissen des Vaters schon verheiratet hatte, und daß in dieser<br />
Heirat auch der Grund des Bruderzwistes liegen mußte. Hubert hörte stolz und gelassen den Justitiarius <strong>an</strong> und<br />
sprach, nachdem er geendet, dumpf und düster: »Ich werde mich besinnen, vor der H<strong>an</strong>d aber noch einige Tage hier<br />
bleiben!«<br />
V. bemühte sich, dem Unzufriedenen darzutun, daß der Freiherr doch in der Tat alles tue, ihn durch die Abtretung des<br />
freien Vermögens, soviel als möglich, zu entschädigen, und daß er über ihn sich durchaus nicht zu beklagen habe,<br />
wenn er gleich bekennen müsse, daß jede Stiftung, die den Erstgeborenen so vorwiegend begünstige und die <strong>an</strong>dern<br />
Kinder in den Hintergrund stelle, etwas Gehässiges habe.<br />
Hubert riß, wie einer, der Luft machen will der beklemmten Brust, die Weste von oben bis unten auf; die eine H<strong>an</strong>d in<br />
die offne Busenkrause begraben, die <strong>an</strong>dere in die Seite gestemmt, drehte er sich mit einer raschen Tänzerbewegung<br />
auf einem Fuße um und rief mit schneidender Stimme: »Pah! – das Gehässige wird geboren vom Haß« d<strong>an</strong>n schlug<br />
er ein gellendes Gelächter auf und sprach: »Wie gnädig doch der Majoratsherr dem armen Bettler seine Goldstücke<br />
zuzuwerfen gedenkt.« V. sah nun wohl ein, daß von völliger Aussöhnung der Brüder gar nicht die Rede sein könne.<br />
Hubert richtete sich in den Zimmern, die ihm in den Seitenflügeln des Schlosses <strong>an</strong>gewiesen worden, zu des<br />
Freiherrn Verdruß auf recht l<strong>an</strong>ges Bleiben ein. M<strong>an</strong> merkte, daß er oft und l<strong>an</strong>ge mit dem Hausverwalter sprach, ja,<br />
daß dieser sogar zuweilen mit ihm auf die Wolfsjagd zog. Sonst ließ er sich wenig sehen und mied es g<strong>an</strong>z, mit dem<br />
Bruder allein zusammen zu kommen, welches diesem eben g<strong>an</strong>z recht war.