02.11.2013 Aufrufe

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gatte unter den mörderischen Streichen der wilden Feinde, dennoch unaussprechlich glücklich sein sollte. Ja! – jener<br />

Moment meines höchsten irdischen Glücks lebt in mir fort, ich werde ihn g<strong>an</strong>z wieder haben den geliebten Gatten in<br />

dem teuern Pf<strong>an</strong>de des süßen Bundes.« <strong>Der</strong> Fürstin war es, als finge sich alles <strong>an</strong> um sie zu drehen, als wollten ihr<br />

die Sinne schwinden. Die Wahrheit in Hermenegildas Ausdruck – ihr Entzücken, ihre wahrhafte Verklärung ließ keinen<br />

Ged<strong>an</strong>ken <strong>an</strong> erheucheltes Wesen, <strong>an</strong> Trug aufkommen und doch konnte nur toller Wahnsinn auf ihre Behauptung<br />

etwas geben. Von dem letzten Ged<strong>an</strong>ken g<strong>an</strong>z erfaßt, stieß die Fürstin Hermenegilda von sich, indem sie heftig rief.<br />

»Unsinnige! Ein Traum hätte dich in den Zust<strong>an</strong>d versetzt, der Schmach und Sch<strong>an</strong>de über uns alle bringt! – glaubst<br />

du, daß du mich mit albernen Märchen zu hintergehen vermagst? – Besinne dich – laß alle Ereignisse der vorigen<br />

Tage dir vorübergehen. Ein reuiges Bekenntnis k<strong>an</strong>n uns vielleicht versöhnen.« In Tränen gebadet, g<strong>an</strong>z aufgelöst<br />

von herbem Schmerz s<strong>an</strong>k Hermenegilda vor der Fürstin auf die Knie und jammerte: »Mutter, auch du schiltst mich<br />

eine Träumerin, auch du glaubst nicht dar<strong>an</strong>, daß die Kirche mich mit St<strong>an</strong>islaus verb<strong>an</strong>d, daß ich sein Weib bin? –<br />

Aber sieh doch nur hier den Ring <strong>an</strong> meinem Finger was sage ich! - Du, dukennst ja meinen Zust<strong>an</strong>d, ist denn das<br />

nicht genug dich zu überzeugen, daß ich nicht träumte?« Die Fürstin nahm mit dem tiefsten Erstaunen wahr, daß<br />

Hermenegilden der Ged<strong>an</strong>ke eines Vergehens gar nicht einkam, daß sie die Hindeutung darauf gar nicht aufgefaßt,<br />

gar nicht verst<strong>an</strong>den. <strong>Der</strong> Fürstin ihre Hände heftig <strong>an</strong> die Brust drückend, flehte Hermenegilda immerfort, sie möge<br />

doch nur jetzt, da es ihr Zust<strong>an</strong>d außer Zweifel setze, <strong>an</strong> ihren Gatten glauben, und die g<strong>an</strong>z bestürzte, g<strong>an</strong>z außer<br />

sich gesetzte Frau wußte in der Tat selbst nicht mehr, was sie der Armen sagen, welchen Weg sie überhaupt<br />

einschlagen sollte, dem Geheimnis, das hier walten mußte, auf die Spur zu kommen. Erst nach mehreren Tagen<br />

erklärte die Fürstin dem Gemahl und dem Grafen Nepomuk, daß es unmöglich sei von Hermenegilda, die sich von<br />

dem Gatten schw<strong>an</strong>ger glaube, mehr herauszubringen, als wovon sie selbst im Innersten der Seele überzeugt sei. Die<br />

Männer voller Zorn schalten Hermenegilda eine Heuchlerin und insonderheit schwur Graf Nepomuk, daß, wenn<br />

gelinde Mittel sie nicht von dem wahnsinnigen Ged<strong>an</strong>ken, ihm ein abgeschmacktes Märchen aufzuheften,<br />

zurückbringen würden, er es mit strengen Maßregeln versuchen werde. Die Fürstin meinte dagegen, daß jede<br />

Strenge eine zwecklose Grausamkeit sein würde. Überzeugt sei sie nämlich, wie gesagt, daß Hermenegilda<br />

keinesweges heuchle, sondern dar<strong>an</strong>, was sie sage, mit voller Seele glaube. »Es gibt«, fuhr sie fort, »noch m<strong>an</strong>ches<br />

Geheimnis in der Welt, das zu begreifen wir gänzlich außerst<strong>an</strong>de sind. Wie, wenn das lebhafte Zusammenwirken des<br />

Ged<strong>an</strong>kens auch eine physische Wirkung haben könnte, wie wenn eine geistige Zusammenkunft zwischen St<strong>an</strong>islaus<br />

und Hermenegilda sie in den uns unerklärlichen Zust<strong>an</strong>d versetzte?« Unerachtet alles Zorns, aller Bedrängnis des<br />

fatalen Augenblicks konnten sich der Fürst und Graf Nepomuk doch des lauten Lachens nicht enthalten, als die<br />

Fürstin diesen Ged<strong>an</strong>ken äußerte, den die Männer den sublimsten n<strong>an</strong>nten, der je das Menschliche ätherisiert habe.<br />

Die Fürstin blutrot im g<strong>an</strong>zen Gesicht meinte, daß den rohen Männern der Sinn für dergleichen abginge, daß sie das<br />

g<strong>an</strong>ze Verhältnis, in das ihr armes Kind, <strong>an</strong> dessen Unschuld sie unbedingt glaube, geraten, <strong>an</strong>stößig und<br />

abscheulich finde, und daß eine Reise, die sie mit ihr zu unternehmen gedenke, das einzige und beste Mittel sei, sie<br />

der Arglist, dem Hohne ihrer Umgebung zu entziehen. Graf Nepomuk war mit diesem Vorschlage sehr zufrieden,<br />

denn da Hermenegilda selbst gar kein Geheimnis aus ihrem Zust<strong>an</strong>de machte, so mußte sie, sollte ihr Ruf verschont<br />

bleiben, freilich aus dem Kreise der Bek<strong>an</strong>nten entfernt werden.<br />

Dies ausgemacht, fühlten sich alle beruhigt. Graf Nepomuk dachte kaum mehr <strong>an</strong> das beängstigende Geheimnis<br />

selbst, als er nur die Möglichkeit sah, es der Welt, deren Hohn ihm das bitterste war, zu verbergen, und der Fürst<br />

urteilte sehr richtig, daß bei der seltsamen Lage der Dinge, bei Hermenegildas unerheucheltem Gemütszust<strong>an</strong>de<br />

freilich gar nichts <strong>an</strong>ders zu tun sei, als die Auflösung des wunderbaren Rätsels der Zeit zu überlassen. Eben wollte<br />

m<strong>an</strong> nach geschlossener Beratung ausein<strong>an</strong>der gehen, als die plötzliche Ankunft des Grafen Xaver von R. über alle<br />

neue Verlegenheit neue Kümmernis brachte. Erhitzt von dem scharfen Ritt, über und über mit Staub bedeckt, mit der<br />

Hast eines von wilder Leidenschaft Getriebenen stürzte er ins Zimmer und rief, ohne Gruß, alle Sitte nicht beachtend,<br />

mit starker Stimme: »Er ist tot, Graf St<strong>an</strong>islaus! nicht in Gef<strong>an</strong>genschaft geriet er – nein – er wurde niedergehauen<br />

von den Feinden – hier sind die Beweise!« – Damit steckte er mehrere Briefe, die er schnell hervorgerissen, dem<br />

Grafen Nepomuk in die Hände. Dieser fing g<strong>an</strong>z bestürzt <strong>an</strong> zu lesen. Die Fürstin sah in die Blätter hinein, kaum hatte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!