02.11.2013 Aufrufe

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ei der H<strong>an</strong>d und sprach: »Ja lieber Freund, meine Frau, der Sie so arg mitgespielt haben, ohne es zu wollen, die<br />

müssen Sie wieder herstellen, – Sie allein können das.«<br />

Ich fühlte mich errötend, und st<strong>an</strong>d ich dem Spiegel gegenüber, so erblickte ich gewiß in demselben ein sehr albernes<br />

verdutztes Gesicht. <strong>Der</strong> Baron schien sich <strong>an</strong> meiner Verlegenheit zu weiden, er blickte mir unverw<strong>an</strong>dt ins Auge mit<br />

einem recht fatalen ironischen Lächeln. »Wie in aller Welt sollte ich es <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen«, stotterte ich endlich mühsam<br />

heraus.<br />

»Nun, nun«, unterbrach mich der Baron, »Sie haben es mit keiner gefährlichen Patientin zu tun. Ich nehme jetzt<br />

ausdrücklich <strong>Ihr</strong>e Kunst in Anspruch. Die Baronin ist nun einmal hereingezogen in den Zauberkreis <strong>Ihr</strong>er Musik, und<br />

sie plötzlich herauszureißen, würde töricht und grausam sein. Setzen Sie die Musik fort. Sie werden zur Abendstunde<br />

in den Zimmern meiner Frau jedesmal willkommen sein. Aber gehen Sie nach und nach über zu kräftigerer Musik,<br />

verbinden Sie geschickt das Heitere mit dem Ernsten und d<strong>an</strong>n, vor allen Dingen, wiederholen Sie die Erzählung von<br />

dem unheimlichen Spuk recht oft. Die Baronin gewöhnt sich dar<strong>an</strong>, sie vergißt, daß der Spuk hier in diesen Mauern<br />

hauset, und die Geschichte wirkt nicht stärker auf sie, als jedes <strong>an</strong>dere Zaubermärchen, das in irgendeinem Rom<strong>an</strong>,<br />

in irgendeinem Gespensterbuch ihr aufgetischt worden. Das tun sie, lieber Freund.«<br />

Mit diesen Worten entließ mich der Baron. Ich ging – Ich war vernichtet in meinem eignen Innern, herabgesunken zum<br />

bedeutungslosen, törichten Kinde! Ich Wahnsinniger, der ich glaubte, Eifersucht könne sich in seiner Brust regen; er<br />

selbst schickt mich zu Seraphinen, er selbst sieht in mir nur das willenlose Mittel, das er braucht und wegwirft, wie es<br />

ihm beliebt! Vor wenigen Minuten fürchtete ich den Baron, es lag in mir tief im Hintergrunde verborgen das<br />

Bewußtsein der Schuld, aber diese Schuld ließ mich das höhere, herrliche Leben deutlich fühlen, dem ich zugereift;<br />

nun war alles versunken in schwarze Nacht, und ich sah nur den albernen Knaben, der in kindischer Verkehrtheit die<br />

papierne Krone, die er sich auf den heißen Kopf stülpte, für echtes Gold gehalten.<br />

Ich eilte zum Alten, der schon auf mich wartete. »Nun Vetter, wo bleibst du denn, wo bleibst du denn?« rief er mir<br />

entgegen. »lch habe mit dem Baron gesprochen«, warf ich schnell und leise hin, ohne den Alten <strong>an</strong>schauen zu<br />

können. »Tausend Sapperlot!« sprach der Alte wie verwundert, »Tausend Sapperlot, dacht ich’s doch gleich! – der<br />

Baron hat dich gewiß herausgefordert, Vetter?« – Das schallende Gelächter, das der Alte gleich hinterher aufschlug,<br />

bewies mir, daß er auch dieses Mal, wie immer, g<strong>an</strong>z und gar mich durchschaute.<br />

Ich biß die Zähne zusammen ich mochte kein Wort erwidern, denn wohl wußt’ ich, daß es dessen nur bedurfte, um<br />

sogleich von den tausend Neckereien überschüttet zu werden, die schon auf des Alten Lippen schwebten.<br />

Die Baronin kam zur Tafel im zierlichen Morgenkleide, das, blendend weiß, frisch gefallenen Schnee besiegte. Sie<br />

sah matt aus und abgesp<strong>an</strong>nt, doch als sie nun, leise und melodisch sprechend, die dunklen Augen erhob, da blitzte<br />

süßes, sehnsüchtiges Verl<strong>an</strong>gen aus düsterer Glut, und ein flüchtiges Rot überflog das lilienblasse Antlitz. Sie war<br />

schöner als jemals. Wer ermißt die Torheiten eines Jünglings mit zu heißem Blut im Kopf und Herzen!<br />

Den bittern Groll, den der Baron in mir aufgeregt, trug ich über auf die Baronin. Alles erschien mir wie eine heillose<br />

Mystifikation, und nun wollt’ ich beweisen, daß ich gar sehr bei vollem Verst<strong>an</strong>de sei und über die Maßen<br />

scharfsichtig. – Wie ein schmollendes Kind vermied ich die Baronin und entschlüpfte der mich verfolgenden Adelheid,<br />

so daß ich, wie ich gewollt, g<strong>an</strong>z am Ende der Tafel zwischen den beiden Offizieren meinen Platz f<strong>an</strong>d, mit denen ich<br />

wacker zu zechen beg<strong>an</strong>n. Beim Nachtisch stießen wir fleißig die Gläser zusammen, und, wie es in solcher Stimmung<br />

zu geschehen pflegt, ich war ungewöhnlich laut und lustig.<br />

Ein Bedienter hielt mir einen Teller hin, auf dem einige Bonbons lagen, mit den Worten: »Von Fräulein Adelheid.« Ich<br />

nahm, und bemerkte bald, daß auf einem der Bonbons mit Silberstift gekritzelt st<strong>an</strong>d: »Und Seraphine?«- Das Blut

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!