02.11.2013 Aufrufe

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

Der Sandmann Nathanael an Lothar Gewiß seid Ihr ... - ETA Hoffmann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

stärker hallte Claras Jammergeschrei. Unsinnig vor Wut und Angst stieß er gegen die Tür, die endlich aufspr<strong>an</strong>g –<br />

Matter und matter wurden nun Claras Laute: »Hülfe – rettet – rettet -« so erstarb die Stimme in den Lüften. »Sie ist hin<br />

– ermordet von dem Rasenden«, so schrie <strong>Lothar</strong>. Auch die Tür zur Galerie war zugeschlagen. – Die Verzweiflung<br />

gab ihm Riesenkraft, er sprengte die Tür aus den Angeln. Gott im Himmel – Clara schwebte von dem rasenden<br />

<strong>Nath<strong>an</strong>ael</strong> erfaßt über der Galerie in den Lüften – nur mit einer H<strong>an</strong>d hatte sie noch die Eisenstäbe umklammert.<br />

Rasch wie der Blitz erfaßte <strong>Lothar</strong> die Schwester, zog sie hinein, und schlug im demselben Augenblick mit geballter<br />

Faust dem Wütenden ins Gesicht, daß er zurückprallte und die Todesbeute fallen ließ.<br />

<strong>Lothar</strong> r<strong>an</strong>nte herab, die ohnmächtige Schwester in den Armen. – Sie war gerettet. – Nun raste <strong>Nath<strong>an</strong>ael</strong> herum auf<br />

der Galerie und spr<strong>an</strong>g hoch in die Lüfte und schrie »Feuerkreis dreh dich - Feuerkreis dreh dich« – Die Menschen<br />

liefen auf das wilde Geschrei zusammen; unter ihnen ragte riesengroß der Advokat Coppelius hervor, der eben in die<br />

Stadt gekommen und gerades Weges nach dem Markt geschritten war. M<strong>an</strong> wollte herauf, um sich des Rasenden zu<br />

bemächtigen, da lachte Coppelius sprechend: »Ha ha – wartet nur, der kommt schon herunter von selbst«, und<br />

schaute wie die übrigen hinauf. <strong>Nath<strong>an</strong>ael</strong> blieb plötzlich wie erstarrt stehen, er bückte sich herab, wurde den<br />

Coppelius gewahr und mit dem gellenden Schrei: »Ha! Sköne Oke – Sköne Oke«, spr<strong>an</strong>g er über das Geländer.<br />

Als <strong>Nath<strong>an</strong>ael</strong> mit zerschmettertem Kopf auf dem, Steinpflaster lag, war<br />

Coppelius im Gewühl verschwunden.<br />

Nach mehreren Jahren will m<strong>an</strong> in einer entfernten Gegend Clara gesehen haben, wie sie mit einem freundlichen<br />

M<strong>an</strong>n, H<strong>an</strong>d in H<strong>an</strong>d vor der Türe eines schönen L<strong>an</strong>dhauses saß und vor ihr zwei muntre Knaben spielten. Es wäre<br />

daraus zu schließen, daß Clara das ruhige häusliche Glück noch f<strong>an</strong>d, das ihrem heitern lebenslustigen Sinn zusagte<br />

und das ihr der im Innern zerrissene <strong>Nath<strong>an</strong>ael</strong> niemals hätte gewähren können.<br />

Ignaz Denner<br />

Vor alter längst verfloßner Zeit lebte in einem wilden einsamen Forst des Fuldaischen Gebiets ein wackrer<br />

Jägersm<strong>an</strong>n, Andres mit Namen. Er war sonst Leibjäger des Herrn Grafen Aloys von Vach gewesen, den er auf<br />

weiten Reisen durch das schöne Welschl<strong>an</strong>d begleitet, und einmal, als sie auf den unsichern Wegen in dem<br />

Königreich Neapel von Straßenräubern <strong>an</strong>gefallen wurden, durch seine Klugheit und Tapferkeit aus großer<br />

Lebensgefahr gerettet hatte. In dem Wirtshause zu Neapel, wo sie eingekehrt waren, bef<strong>an</strong>d sich ein armes,<br />

bildschönes Mädchen, die von dem Hauswirt, der sie als eine Waise aufgenommen, gar hart beh<strong>an</strong>delt und zu den<br />

niedrigsten Arbeiten in Hof und Küche gebraucht wurde. Andres suchte sie, so gut er sich ihr verständlich machen<br />

konnte, mit trostreichen Worten aufzurichten, und das Mädchen faßte solche Liebe zu ihm, daß sie sich nicht mehr<br />

von ihm trennen, sondern mitziehen wollte nach dem kalten Deutschl<strong>an</strong>d. <strong>Der</strong> Graf von Vach, gerührt von Andres’<br />

Bitten und Giorginas Tränen, erlaubte, daß sie sich zu dem geliebten Andres auf den Kutschbock setzen, und so die<br />

beschwerliche Reise machen durfte. Schon ehe sie über die Grenzen von Italien hinausgekommen, ließ sich Andres<br />

mit seiner Giorgina trauen und als sie d<strong>an</strong>n nun endlich zurückgekehrt waren auf die Güter des Grafen von Vach,<br />

glaubte dieser den treuen Diener recht zu belohnen, da er ihn zu seinem Revierjäger ern<strong>an</strong>nte. Mit seiner Giorgina<br />

und einem alten Knecht zog er in den einsamen rauhen Wald, den er schützen sollte wider die Freijäger und<br />

Holzdiebe. Statt des geholten Wohlst<strong>an</strong>des, den ihm der Graf von Vach verheißen, führte er aber ein beschwerliches,<br />

mühseliges, dürftiges Leben und geriet bald in Kummer und Elend. <strong>Der</strong> kleine Lohn <strong>an</strong> barem Geld, den er von dem<br />

Grafen erhielt, reichte kaum hin, sich und seine Giorgina zu kleiden; die geringen Gefälle, die ihm bei Holzverkäufen<br />

zukamen, waren selten und ungewiß und den Garten, auf dessen Bebauung und Benutzung er <strong>an</strong>gewiesen,<br />

verwüsteten oft die Wölfe und die wilden Schweine, er mochte mit seinem Knecht auf der Hut sein, wie er wollte, so<br />

daß bisweilen in einer Nacht die letzte Hoffnung des Lebensunterhalts vereitelt ward. Dabei war sein Leben stets<br />

bedroht von den Holzdieben und Freischützen. Jeder Lockung widerst<strong>an</strong>d er als ein wackrer frommer M<strong>an</strong>n, der lieber<br />

darben, als ungerechtes Gut <strong>an</strong> sich bringen wollte und verwaltete sein Amt getreulich und tapfer, deshalb stellten sie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!