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Pfarrbrief Nr. 98 - St. Michael Weingarten

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<strong>Pfarrbrief</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>98</strong> Seite 4<br />

spricht für sich. Sie ist willkürlich und unseriös<br />

in der Argumentation.<br />

Wenn man beispielsweise CDs anbietet,<br />

um die Menschen von der Schönheit und<br />

Feierlichkeit der alten Messe zu überzeugen,<br />

so klingt das ehrenwert und es gab<br />

diese Messen durchaus. Aber es gab<br />

auch anderes. Ich könnte durchaus eine<br />

CD liefern mit meinen eigenen Erfahrungen.<br />

Dazu gehört beispielsweise auch die<br />

kürzeste Messe, bei der ich selber ministriert<br />

habe, sie dauerte mit Predigt eine<br />

Viertelstunde, der berühmte Pater Leppich<br />

hat das fertig gebracht in <strong>St</strong>. <strong>St</strong>ephan<br />

zu Karlsruhe. Oder ich nenne Ihnen eine<br />

Erfahrung auf meiner ersten Romreise.<br />

Wir wollten - irgendwo in der Toskana -<br />

eine „Betsingmesse“ feiern, wie wir dies<br />

von zu Hause gewohnt waren. Der Mesner<br />

kam und untersagte uns das Beten<br />

und Singen, weil nebenan parallel eine<br />

weitere Messe „gelesen“ wurde, der Pfarrer<br />

unhörbar, dafür haben die Gläubigen<br />

laut den Rosenkranz dazu gebetet. Und<br />

ein drittes Beispiel aus jüngerer Zeit kann<br />

die Unterschiede zwischen damals und<br />

jetzt auch noch verdeutlichen: Drei Italiener<br />

aus dem noch eher deutsch geprägten<br />

Norden hatten mich besucht und waren<br />

in die ganz normale Sonntagsmesse<br />

gegangen. Hinterher hat mir einer von<br />

ihnen sein Erstaunen ausgedrückt über<br />

unser „Publikum“. „Du, ich bin ganz hinten<br />

drin gestanden, weißt Du, was mich<br />

am meisten erstaunt hat? Die Leute haben<br />

alle mitgefeiert!“ Das hat mich sehr<br />

überrascht. Im Gespräch erfuhr ich dann,<br />

dass bei ihnen zu Hause immer noch das<br />

Tun des Pfarrers am Altar das eine war,<br />

die Anwesenheit der Gläubigen, weil es<br />

sich so gehört, das andere. So gesehen,<br />

bekommt die Diskussion darüber, welche<br />

Messe feierlicher ist, doch eine deutlich<br />

andere Klangfarbe.<br />

Fazit:: Ich finde es nicht gut, die alte Messe<br />

gegen die neue auszuspielen. Eindeutig<br />

ist in der Liturgiereform eine Hinwendung<br />

vom „Lesen“ oder vom rituellen<br />

„Persolvieren“ (d.h. der vorgeschriebene<br />

Ritus wird rein äußerlich genau eingehalten)<br />

hin zum Feiern - und zwar zum gemeinsamen<br />

Feiern - festzustellen. Wenn<br />

ich nun also vom Abendmahl als der ersten<br />

Liturgie ausgehe, dann kommt dem<br />

doch die erneuerte Liturgie deutlich näher.<br />

So gesehen könnte man sich sogar zu der<br />

Behauptung verleiten lassen, dass die Reform<br />

des II. Vatikanums in Wirklichkeit eine<br />

Hinwendung zum Alten gewesen ist, also<br />

eine wohltuende Annäherung an das, was<br />

Christentum in seinen Anfängen tatsächlich<br />

gewesen ist.<br />

Schlussbemerkung zu diesem Thema:<br />

Wir sollten - bei aller Ehrfurcht zur Tradition<br />

- die Ehrfurcht vor Jesus Christus nicht<br />

vergessen, der der Souverän unseres<br />

Glaubens und unserer Kirche und damit<br />

auch all dieser Traditionen ist. Im Übrigen<br />

gilt immer noch: Eine Kirche, die auf Traditionen<br />

zurückschauen kann ist ehrfurchtgebietend,<br />

eine Kirche, die in der<br />

Tradition versinkt, wird zum Museum, sie<br />

fasziniert nicht mehr, aber man besucht<br />

sie noch, zuweilen.

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