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Glaube geht - Miteinander

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Kolumne<br />

miteinander 7–8/2013 13<br />

Auskehr des Alltäglichen<br />

So auch in diesem Juli. Bereits kurz<br />

nach unserem Ausgangsort Heiligenkreuz<br />

führt der Weg durch satte Wiesen,<br />

kleine verschlafene Ortschaften sowie<br />

weite Täler. Vergessen die Nähe zur<br />

Großstadt Wien, vergessen nach wenigen<br />

Schritten auch Büro, Sitzungen und<br />

Stress. Noch ist es allerdings zu früh<br />

für Spiritualität oder Gebet. Zunächst<br />

tauschen wir uns aus, erzählen von unseren<br />

Familien, vom Beruf, plaudern so<br />

intensiv, wie es enge Freunde tun, die<br />

sich nur noch selten sehen.<br />

Ein erster Anstieg nach Hafnerberg, eine<br />

erste Rast. Die schweren Rucksäcke lasten<br />

noch ungewohnt auf unseren Schultern.<br />

Nach 25 Kilometern erreichen wir<br />

unser erstes Etappenziel: Kaumberg. Keine<br />

übertriebenen Etappen gleich zu Beginn<br />

lautet das Motto. Pilgern – nach<br />

dem ersten Tag noch ein wenig das Gefühl<br />

von Ferien und Freizeit, keine Einkehr,<br />

eher Auskehr des Alltäglichen.<br />

Reden und Schweigen<br />

Der nächste Tag wartet nicht nur mit<br />

strahlendem Wetter, sondern auch gleich<br />

mit dem alpinistischen Höhepunkt auf:<br />

dem Kieneck. Der Weg schraubt sich auf<br />

über 1.100 Meter hinauf. Dort bietet sich<br />

uns eine grandiose Kulisse. Eine mächtige<br />

Gewitterfront rückt näher – Zeit<br />

für die erste spirituelle Dosis: Wir lesen<br />

im Buch Hiob. Immer wieder hat uns<br />

die Figur des Hiob, sein demütiges und<br />

dennoch bestimmtes Aufbegehren gegen<br />

Gott während unseres gemeinsamen Studiums<br />

begleitet, herausgefordert.<br />

Die dritte Etappe von Rohr im Gebirge<br />

nach St. Aegyd wartet mit Regen und<br />

Kälte auf. Je näher wir Mariazell kommen,<br />

desto mehr wird der Ort seinem Ruf<br />

als Wetterloch gerecht. Wirkliches „Ziel“<br />

ist uns Mariazell nicht. Unser Herz hängt<br />

am Weg, an jedem Schritt. Während der<br />

Die Seele ruhig werden lassen<br />

und still: nach Tagen der<br />

gemeinsamen Pilgererfahrung<br />

am Ziel in Mariazell<br />

Regen die Kleidung durchnässt, er die<br />

Schritte langsamer und uns stiller werden<br />

lässt, wird der Kopf frei. Stille – auch<br />

das gehört zu den wichtigen, intensiven<br />

Pilgererfahrungen.<br />

Entschleunigung<br />

Die letzten Kilometer. Von Ferne ist bereits<br />

die mächtige Basilika inmitten des<br />

weiten grünen Tales zu sehen. Mit jedem<br />

Schritt rücken sie langsam wieder<br />

näher, die Gedanken an den Job, den<br />

Terminkalender. Muss das alles so sein?<br />

Ließe sich nicht so mancher Zwang einfach<br />

über Bord werfen? Der pilgernde<br />

Sprung ins bloße, nackte Dasein – er<br />

stärkt nicht nur für die Rückkehr in<br />

den Alltag, er schafft auch wohltuende,<br />

reinigende Distanz zum vermeintlich Unvermeidlichen.<br />

Fast ein wenig enttäuscht betreten wir<br />

die Basilika. Es herrscht ein ständiges<br />

Kommen und Gehen, vor der Gnadenstatue<br />

wird ein Gottesdienst mit anderen<br />

Neuankömmlingen gefeiert. Nach<br />

einem stillen Gebet entschließen wir<br />

uns, unsere Ankunft in einem der nahen<br />

Gasthäuser zu feiern. Wir lassen<br />

die Tage noch einmal Revue passieren,<br />

Müdigkeit stellt sich ein, die Vorfreude<br />

auf die Familien und auf das „normale<br />

Leben“, auf die Pilgerfahrt im Alltäglichen<br />

wächst.<br />

„Ich ließ meine Seele ruhig werden und<br />

still – wie ein kleines Kind“, heißt es in<br />

einem Wallfahrtslied Davids. Ebenso ruhig<br />

und still kehren wir nach Wien zurück.<br />

Gehen, wandern, gemeinsam unterwegs<br />

sein: Das Leben wird langsamer<br />

in dieser urbiblischen Erfahrung<br />

des Pilgerns. Aber es wird auch intensiver,<br />

dichter – manchmal schmerz-, aber<br />

immer geschmackvoller. Und am Ende<br />

dürstet man nach mehr von diesem<br />

Leben.<br />

Henning Klingen<br />

S C H I F F<br />

S E I T E N<br />

Papst mit Bodenhaftung<br />

Die Kirche hat einen neuen Papst, die Zeitschrift<br />

miteinander eine neue Kolumne mit dem Titel „Seitenschiff“.<br />

Vom Hauptschiff aus lässt sich zwar alles<br />

besser überblicken, aber vom Seitenschiff bieten<br />

sich dafür andere Blickwinkel an. Als sich die Medien<br />

noch Wochen nach der Papstwahl in Deutungen<br />

und Prognosen im Hauptschiff überschlugen,<br />

fiel mein Blick aus dem Seitenschiff direkt auf<br />

Papst Franziskus.<br />

Mir fiel auf, dass der Papst keine Schühchen trug,<br />

weder rote noch weiße, sondern feste dunkle<br />

Straßenschuhe. Er scheint Wert auf strapazfähige<br />

Schuhe zu legen. Das signalisiert Bodenhaftung.<br />

Solche Schuhe haben eine feste Sohle, die<br />

vor Ausrutschern bewahrt. Gutes Schuhwerk<br />

wärmt, man holt sich damit keine kalten Füße.<br />

Der neue Pontifex soll auch gerne kochen. Das<br />

ist mir sympathisch, denn ich koche auch gerne.<br />

Kochen entspannt, und so mancher Gedankenknopf<br />

beginnt sich dabei aufzulösen. Wer<br />

kocht, weiß, wie vorsichtig man beim Würzen<br />

sein muss. Schnell ist etwas versalzen. Hobbyköche<br />

halten sich auch nicht immer an vorgegebene<br />

Rezepte, sondern probieren gerne neue<br />

Kombinationen aus.<br />

Franziskus wäre in jungen Jahren angeblich ein<br />

begeisterter Tangotänzer gewesen. Im Tango vermischt<br />

sich das Lebensgefühl der Latinos mit dem<br />

der europäischen Einwanderer. Tangomusik erzählt<br />

vom Leben: von Freude, Trauer, Liebe, Leidenschaft,<br />

Schmerz – Gefühlen, die das Menschsein<br />

ausmachen.<br />

Der Papst soll auch ein Fußball-Fan sein. Ein<br />

Spiel, das optimales Zusammenspiel und Fairness<br />

erfordert. Teamgeist wird für Franziskus daher kein<br />

Fremdwort sein. Beste Voraussetzung,<br />

dass er auch Frauen in der<br />

„Mannschaft“ akzeptieren könnte.<br />

Den ersten Aktivitäten des neuen<br />

Papstes nach zu schließen, wird<br />

mein Seitenschiff-Blick noch sehr<br />

spannend werden.<br />

Ingeborg Schödl

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