Glaube geht - Miteinander
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miteinander 7–8/2013<br />
<strong>Glaube</strong> <strong>geht</strong><br />
„Umsonst habt ihr empfangen …“<br />
Lohnarbeit gilt heute als Recht und<br />
Pflicht. Was aber, wenn Menschen<br />
eine „Bettelwallfahrt“ unternehmen<br />
und alles erbitten?<br />
Raphaela Pallin<br />
hat es ausprobiert<br />
– in sieben<br />
Tagen von<br />
Bologna nach<br />
Florenz.<br />
„Ihr müsst zumindest eure Arbeitskraft anbieten“,<br />
mahnt ein befreundeter Jugendseelsorger,<br />
dem ich vom Vorhaben erzähle, „ihr<br />
könnt nicht nur bitten und nichts geben!“ Angefragt,<br />
bei einer Sternwallfahrt nach Rom<br />
eine Gruppe von 30 jungen Erwachsenen aus<br />
halb Europa zu leiten, sage ich zu – „wenn<br />
wir eine Bettelwallfahrt machen dürfen“. Das<br />
geistliche Vorbild: „Wie Ignatius von Loyola<br />
und seine ersten Gefährten unterwegs waren!“<br />
Selbst die Jesuiten als Organisatoren<br />
sind skeptisch. Doch viele reizt das geistliche<br />
Abenteuer – bei 42 Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern stoppe ich die Anmeldung. Werden<br />
wir, sieben Tage in einer eher verlassenen<br />
Gegend unterwegs, unseren Lebensunterhalt<br />
erbetteln können?<br />
Im Rucksack bleiben Schlafsack, Isomatte,<br />
eine Garnitur Wäsche, Handtuch, Taschenmesser;<br />
alles Übrige fährt, in Müllsäcke gepackt,<br />
im Bus einer anderen Gruppe mit –<br />
auch Handy, Geld, Kreditkarten. Wir starten<br />
in Bologna, teilen uns auf. Meine Kleingruppe<br />
erbettelt ein spärliches Mittagessen: Pizzabrot,<br />
ein paar Würstel, Früchte. Liegt eine<br />
Fastenwoche vor uns?<br />
In der Ausfahrtsstraße stoßen wir auf einen<br />
McDonald’s. Die spanischen Mitpilger sagen:<br />
„Imposible!“, der Geschäftsführer: „Ja, vier<br />
Big Macs kann ich euch schenken.“ In der<br />
Großgruppe teilen wir: vier Burger für 42<br />
Pilger. Jeder denkt: „Krieg’ ich genug?“ Wir<br />
sehen ein, so <strong>geht</strong> das nicht, und teilen uns<br />
in vier 10er-Gruppen auf. Jetzt schauen wir<br />
aufeinander: „Hast du eh genug?“ Abends erbetteln<br />
wir reichlich: Reis vom Chinesen, Pizzabrot,<br />
Früchte, Käse, Wurst – und Wassermelonen<br />
von der Pfarre, die gerade Kirtag feiert<br />
und uns im Pfarrsaal übernachten lässt.<br />
Bitten und Beten<br />
Früh <strong>geht</strong> es nach Reste-Frühstück und Morgenimpuls<br />
weiter, Hügel auf und ab, bis die<br />
Wassermelonen-Träger die Obstjause einfordern.<br />
Mittags beten wir das „Gebet der liebenden<br />
Aufmerksamkeit“ – auch für die Menschen,<br />
die uns hoffentlich geben werden, was<br />
wir Pilger „von der Vorsehung“ und in kleinen<br />
Dörfern zu zweit an jeder Türe erbitten:<br />
„Ein Stück Brot, eine Frucht oder sonst etwas<br />
zu essen.“ Niemand weist uns ab, die<br />
Freude des Schenkens bewirkt so manche<br />
„Zu-Gabe“. Geld nehmen wir nicht an.<br />
Zwei junge Belgier kommen zurück, Tränen<br />
in den Augen: „Eine Frau hat uns alles gegeben,<br />
was sie hatte, und uns gebeten, für ihren<br />
Sohn zu beten: Er ist so alt wie wir und<br />
schwer krank.“ Von da an bringen wir alles<br />
Erbettelte zuerst in den großen Kreis der<br />
Gruppe, erzählen von Menschen, Begegnungen,<br />
Gebetsbitten, beten auch ohne Tisch<br />
das „Tischgebet“, danken für die Gaben, die<br />
Gott uns gibt, und teilen miteinander: für<br />
jede der vier Gruppen gleiche Anteile Brot,<br />
Gemüse, Obst, Käse, Wurst, Kekse, Schokolade<br />
… In Dankbarkeit teilt es sich leichter.<br />
Und in Freude verbunden zu essen, ist Danken<br />
und Beten.<br />
Schenken beschenkt<br />
Am Nachmittag lädt uns ein Pfarrer vom Auto<br />
aus in seine nahe Pfarre ein, der Weg ist<br />
aber zu weit für uns. Er kommt zu unserem<br />
Nachtplatz in einem Hof, bringt Pasta für alle,<br />
verbringt den Abend mit uns und will wiederkommen<br />
– auf meine Bitte hin, den Morgenimpuls<br />
zu halten, bringt er nicht nur das<br />
„geistliche Frühstück“, sondern auch Kaffee,<br />
Tee, Marmelade und Brot, das der Bäcker<br />
ihm für uns geschenkt hat.<br />
Wir gehen wie jeden Morgen eine Stunde im<br />
Schweigen. Zu Mittag bringt uns die Frau einer<br />
Dorfpizzeria ungefragt fünf große Pizzen<br />
– sie hat von uns gehört, und ihr Sohn<br />
ist Priesterseminarist. Dem Mittagessen folgt<br />
die „Siesta“, danach täglich Impuls und persönliche<br />
Schriftbetrachtung – jeder lernt, die<br />
Stille zu achten und zu schätzen. In Gruppen<br />
wird dann geteilt: <strong>Glaube</strong>nserfahrungen<br />
und -wege begegnen einander, werden tiefer,<br />
weiter. „Uns ist so viel geschenkt!“, „Auch<br />
in Sorgen: Gott <strong>geht</strong> mit!“, und: „Wohin Gott<br />
mich führen will?“ Wir gehen weiter – auf<br />
harten Straßen, sanften Wald- und Wiesenwegen,<br />
dornigen Ziegenpfaden.<br />
Zwei Lehrerinnen, auf Sommerfrische in ihrem<br />
Heimatort, plündern für uns ihren Eiskasten.<br />
Unsere erstaunte Frage: „Und was<br />
essen Sie heute?“, erwidern sie lachend: „Wir<br />
laden uns bei Freundinnen ein“ – ein „Bettel-Schneeballeffekt“<br />
… Den Automechani-<br />
Frontlinie im Zweiten Weltkrieg, Bergziel des<br />
Autorennens Mille Miglia, für uns Pilger ein<br />
erfreulicher „Etappensieg“