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Mauthausen 2010 - pitlikdokumente.at

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Die Führung erreichte ihren Höhepunkt, als wir in die Gaskammer gelangen.<br />

Wir sehen einen Tisch, an dem ein Häftling und ein SS-Mann gesessen und die<br />

Seife und das Handtuch ausgegeben h<strong>at</strong>ten. Der Vorraum liegt vor uns. Wir<br />

sehen ein rostiges Rohr, teilweise neu gestrichen, sehen den Hahn, der st<strong>at</strong>t<br />

Wasser Gas in den nebenanliegenden Raum einließ. Wir sehen eine abgerissene<br />

Gasleitung, die in einem kleinen Raum liegt und erfahren, daß die Gasflaschen<br />

schon wieder bestellt sind, damit man sich auf alle Fälle in die Wirklichkeit<br />

zurückversetzt fühlt. Die Gaskammer, als Waschraum getarnt scheint bei<br />

dieser „Führung“ den endgültigen Höhepunkt darzustellen.<br />

„Hier haben wir noch die Genickschußzelle“ erklärt uns der gut orientierte<br />

Verwalter. An der Decke sehen wir zwei große Mauerlöcher, in die der Galgen<br />

– genau wie früher – eingesetzt werden soll. Am Boden dieses Raumes ist eine<br />

kleine Vertiefung, in die der Schemel eingelassen wird, auf dem die<br />

Todeskandid<strong>at</strong>en standen. Ein schmaler Streifen der ersten Aprilsonne wirft<br />

gespenstische Sch<strong>at</strong>ten, und trotz des Frühlings frieren wir bei dieser Führung.<br />

In uns ist ein Gefühl der Empörung über so viel Geschmacklosigkeit wach<br />

geworden, und wir können heute nur sagen, daß es wahrhaft wichtigere<br />

Aufgaben in unserem Lande gäbe, als solche Denkmale zu bauen. Wir hören von<br />

einem Baumeister, daß man mit dem hier verwendeten M<strong>at</strong>erial ganz leicht eine<br />

Wohnhausanlage erbauen hätte können.<br />

Alle Fenster sind mit Nägeln zugehalten, um zu verhindern, daß sie abermals<br />

entwendet werden. „Die Bauern haben hier schon so viel weggetragen, daß ich<br />

mir nur mehr so helfen konnte“, erklärte der Verwalter. Wir sehen daraus, daß<br />

die Not wirklich groß war in diesem Gebiete. Sollten die Bauern, die soviel für<br />

unser Leben beitrugen und im Jahre 1945 alles verloren h<strong>at</strong>ten, frieren, wenn in<br />

diesem Lager soviel brauchbares M<strong>at</strong>erial herrenlos herumlag ?<br />

Wir sehen noch die Todesstiege, die heute mehr einer alten Ruine gleicht. 25<br />

Kubikmeter Steine und drei Tonnen Zement werden für diesen Wiederaufbau<br />

benötigt. 185 Stufen werden renoviert. Vier Wachtürme harrten ihres<br />

Wiederaufbaues. Das Gerippe ist fertig, sie ragen heute wie gespenstische<br />

Finger gegen den Himmel. Werden auf ihnen wieder einmal Wachposten mit<br />

Maschinengewehren stehen ?<br />

Das arbeitsame Völkchen von <strong>Mauthausen</strong> steht jedem Fremden ablehnend<br />

gegenüber. Es wünscht gar nicht, zum Mittelpunkt des Weltinteresses zu werden<br />

und lehnt es entschieden ab, daß man bei ihnen das Gruseln lerne. Wir<br />

brauchen dringend Wohnungen um der drückenden Wohnungsnot Herr zu<br />

werden. Man scheint in Wien darauf vergessen zu haben.

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